Impfstoff zeigt Wirkung |
07.09.2015 09:36 Uhr |
Von Verena Arzbach / Die Ebola-Epidemie in Westafrika ist mittlerweile unter Kontrolle. Die Tatsache, dass es derzeit nur wenige Erkrankungsfälle gibt, erschwert die Suche nach wirksamen Behandlungs- und Präventionsmethoden. Viele Arzneistoffe stecken noch in frühen Entwicklungsphasen und können noch nicht breit eingesetzt werden. Am weitesten vorangeschritten ist die Entwicklung eines Impfstoffes, der in einer Studie zumindest vorerst überzeugt hat.
Der Ebola-Impfstoff rVSV-ZEBOV des Pharma-Unternehmens MSD hat sich in einer Phase-III-Studie als wirksam und sicher erwiesen. Die Ergebnisse einer ersten Zwischenauswertung der Untersuchung, an der sich unter anderem die Weltgesundheitsorganisation WHO beteiligt hatte, haben Forscher um John-Arne Røttingen vom norwegischen Gesundheitsinstitut vor einigen Wochen im Fachjournal »The Lancet« vorgestellt.
Viraler Vektor
Der Impfstoff nutzt einen viralen Vektor, also ein gezielt verändertes Viruspartikel, das genetisches Material in Zielzellen schleusen soll. Im Fall von rVSV-ZEBOV ist der virale Vektor ein rekombinantes vesikuläres Stomatitis-Virus (rVSV). Dem Genom des Vektors wurde ein Gen aus dem Zaire-Ebolavirus (ZEBOV), einer Unterspezies, eingefügt. Dieses codiert für das virale Oberflächen-Glykoprotein (GP), und gegen dieses Antigen richtet sich dann die Immunantwort des Körpers bei Geimpften. Ein weiterer Impfstoff, ChAd3- ZEBOV von GSK, wird derweil auch in Afrika getestet, die Studien befinden sich noch im Anfangsstadium. Der Impfstoff ist ähnlich aufgebaut, nutzt als Vektor allerdings das Schimpansen-Adenovirus 3.
Im März 2015 hatten die Wissenschaftler in einer Region in Guinea einen Feldversuch mit rVSV-ZEBOV gestartet. Wenn in dieser Region neue Fälle auftraten, versuchten die Forscher, alle Kontaktpersonen der Erkrankten zu finden. Diesen und Personen, die wiederum mit diesen Kontakt hatten, sowie medizinischem Personal boten sie eine Impfung an. Ausgeschlossen waren Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sowie Schwangere und Stillende. Geimpft wurden im Rahmen der Studie schließlich mehr als 7500 Probanden. Davon erhielten mehr als 4000 Personen sofort eine Impfung, weitere 3528 Probanden wurden 21 Tage später geimpft.
Von den sofort Immunisierten erkrankte niemand an Ebola. In der Gruppe mit verzögerter Impfung traten dagegen insgesamt 16 bestätigte Ebola-Erkrankungen auf. Dabei zählten die Forscher nur Infektionen, die mindestens zehn Tage nach dem Start der Studie auftraten. Da die Inkubationszeit bis zu zehn Tage betragen kann, konnten die Forscher so ausschließen, dass die Geimpften schon vor der Impfung infiziert waren.
Die Wirksamkeit der Impfung betrage bis zu 100 Prozent, berichten die Forscher. Die Schutzwirkung soll innerhalb von sechs Tagen nach der Applikation einsetzen. Insgesamt wurden bei der Untersuchung 43 schwere Nebenwirkungen beobachtet. Bei einer Fieberepisode stellten die Forscher bereits einen Kausalzusammenhang mit der Impfung her. Die endgültige Bewertung der Nebenwirkungen dauert aber noch an.
Die veröffentlichten Ergebnisse sind allerdings nur Zwischenergebnisse der Studie. Bevor der Impfstoff also breit eingesetzt werden kann, müssen die Wissenschaftler noch mehr Daten sammeln, um die Wirksamkeit und Sicherheit der Vakzine genauer beurteilen zu können. Unklar ist zum Beispiel noch, wie lange der Schutz anhält. Ein Problem für den Einsatz in tropischen Regionen könnte auch sein, dass das Präparat kühl gelagert werden muss.
Vereinzelte Erkrankungen
Mittlerweile ist die Ebola-Epidemie in Westafrika größtenteils unter Kontrolle. Neuinfektionen sind seit Beginn des Jahres stark zurückgegangen. Aber immer noch treten in Guinea, Liberia und Sierra Leone vereinzelt Erkrankungen auf. Insgesamt wurden in Westafrika seit Ende 2014 mehr als 11 200 Ebola-Tote registriert, mehr als 27 700 haben sich laut WHO infiziert. Die Dunkelziffer soll Schätzungen zufolge weit höher liegen.
Neben den beiden Impfstoffen arbeiten die Forscher auch an der Entwicklung von antiviral wirksamen Arzneistoffen zur Behandlung von Ebola-Infektionen. Dass es mittlerweile viel weniger Erkrankungsfälle gibt als zu Zeiten der Epidemie, bereitet ihnen dabei allerdings Probleme. Viele Studien zu den Wirkstoffen sind daher aktuell noch in frühen Entwicklungsphasen. Ein weiteres Problem bei den Untersuchungen ist, dass die Wirksamkeit der Medikamente nicht gegen Placebo getestet werden kann. Denn Ebola-Patienten nicht zu behandeln, wäre unethisch.
Wirkstoffe in der Entwicklung
Ein vielversprechender Wirkstoffkandidat könnte etwa der Polymerasehemmer Favipiravir sein, der in Japan zur Influenza-Therapie zugelassen ist. Die Substanz wirkt als Antimetabolit bei verschiedenen RNA-Viren, sie verhindert also den Aufbau neuer RNA-Moleküle. Eine erste Studie mit Favipiravir in Guinea hat bei einigen Patienten eine positive Wirkung gezeigt. Vor allem Patienten mit einer ohnehin niedrigen Viruslast im Blut profitierten von dem Arzneimittel. Bei ihnen konnte der Wirkstoff die Sterblichkeit senken. Bei schwerkranken Menschen mit einer hohen Virenlast und bei kleinen Kindern war das Präparat hingegen nicht wirksam.
Untersuchungen zu einem weiteren Wirkstoff, dem Virostatikum Brincidofovir, waren schon frühzeitig gestoppt worden, denn es konnten nicht genug Patienten für die Studien gefunden werden. Das Mittel ZMapp, ein Cocktail aus drei monoklonalen Antikörpern, wird dagegen noch in Studien getestet. Das Medikament war schon während des Ebola-Ausbruchs bei einigen Infizierten erfolgreich angewandt worden. Allerdings steht es nur in begrenzten Mengen zur Verfügung: Die Antikörper werden in Tabakpflanzen hergestellt. Die Ausbeute ist bislang zu gering, um viele Infizierte mit dem Präparat versorgen zu können.
Trotz dem Ende der Epidemie warnt die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (Médecins Sans Frontières, MSF) vor einem nachlassenden Kampf gegen Ebola in Westafrika. »Die Vereinten Nationen, ausländische Hilfstruppen und Nichtregierungsorganisationen sollten sich noch nicht aus Westafrika zurückziehen«, schreibt die MSF-Präsidentin Joanne Liu in einem Kommentar in der Fachzeitschrift »Nature«. Die betroffenen Staaten müssten die medizinische Grundversorgung neu aufbauen. Denn die Gesundheitssysteme der betroffenen Länder sind wegen der Epidemie größtenteils zerstört. Daher können sich andere Krankheiten verstärkt ausbreiten, zum Beispiel die Masern oder Malaria. /