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Fischtherapie

Hautschuppen als Nahrung

Datum 21.09.2015  10:29 Uhr

Von Carina Steyer / Ein kleiner, unscheinbarer Fisch wurde aufgrund seines ungewöhnlichen Verhaltens weltbekannt: Garra rufa, die rötliche Saugbarbe, nutzt menschliche Hautschuppen als Nahrungsalternative. Im Einsatz gegen Hautkrankheiten und überschüssige Hornhaut ist er weltweit tätig.

Normalerweise bevorzugt die rötliche Saugbarbe – besser bekannt unter dem Namen Knabberfisch – schlammige Seen sowie kleine Zu- und Abläufe von Flüssen in Eurasien. Eine Besonderheit ist ihr Vorkommen in den heißen Quellen rund um die türkische Kleinstadt Kangal in Zentralanatolien.

Die Hauptnahrungsquelle der Fische aus der Familie der Karpfen, pflanz­liches und tierisches Plankton, ist in den 37 °C warmen Quellen äußerst rar. Daher haben sich die Fische den biologischen Gegeben­heiten angepasst und ihr Nahrungsspektrum um menschliche Hautschuppen erweitert. An diesen mangelt es in den heißen Quellen nicht, denn seit langer Zeit nutzen Menschen diese zum Baden. Dann umringen die Fische die Badenden, saugen ihre Hautschuppen ab und fressen sie.

 

Studien zu Psoriasis

Der erste Bericht über die Knabberfische der heißen Quellen um Kangal und ihren möglichen Einsatz bei Psoriasis erschien in der wissen­schaftlichen Literatur im Jahr 1989. Einheimischen zufolge besserte das Baden in den Quellen das Krankheitsbild von Psoriasis und ato­pischer Dermatitis. Gezielt untersucht wurde der Einsatz von Knabberfischen bei Psoriasis bisher in zwei Studien.

 

Die erste Studie erfolgte im Jahr 2000 in Kangal mit 87 Psoriasis-Patienten. Gemeinsam mit anderen Gästen badeten die Patienten in Pools, die mit Wasser aus den heißen Quellen gespeist wurden. Die Badezeit war mit zweimal täglich vier Stunden recht lang. Während der Studiendauer von drei Wochen besserte sich das Hautbild der Patienten deutlich. Im Jahr 2006 erschienen die Ergebnisse einer österreichischen Studie mit 67 Psoriasis-Patienten. Die Untersuchung lief ebenfalls über drei Wochen, dieses Mal allerdings nicht in den heißen Quellen, sondern in Österreich. Die Studienteilnehmer badeten allein in einer Wanne mit 250 bis 400 Fischen. Während der dreiwöchigen Kur erhielt jeder Patient seine »eigenen« Fische und diese kamen anschließend in eine drei- bis vierwöchige Quarantäne. Nach dem Baden wurde jeder Studienteilnehmer mit UV-A-Licht bestrahlt. Auch in dieser Studie wurde eine deutliche Verbesserung der Haut beobachtet. Die Studienautoren vermuten, dass das Entfernen der Schuppen und die UV-A-Bestrahlung zusammen zum Erfolg beitrugen. Die Knabberfische scheinen angegriffene Haut bevorzugt zu fressen, vermutlich fällt ihnen dabei das Abtragen der Schuppen leichter.

 

Die Phototherapie mit UV-A-Strahlung bei Psoriasis ist gut untersucht und nachgewiesen wirksam. In der österreichischen Studie wurde gezielt mit UV-A Strahlung gearbeitet, in der türkischen Studie waren die Probanden der natürlichen UV-Strahlung ausgesetzt. Die Phototherapie mit der Schuppenentfernung zu kombinieren, könnte die Wirkung der Strahlung noch erhöhen. Einen weiteren positiven Einflussfaktor vermuten die Autoren in der entspannenden Wirkung des Badens.

 

Trotz der ermutigenden Ergebnisse hat sich der Einsatz der Knabberfische zur Psoriasis-Behandlung bisher nicht weit verbreitet. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die beiden Studien nur mit kleinen Patientenzahlen durchgeführt wurden und Kontrollgruppen, die zum Beispiel nur mit Wasser und UV-Therapie behandelt wurden, zum Vergleich fehlten. Anbieter von Knabberfisch-Anwendungen erklären den Behandlungserfolg damit, dass der Speichel der Fische Dithranol enthalten würde. Zusammen mit einem enzymhaltigen Sekret, das die Tiere ebenfalls absondern würden, sei dies für die Gesundung der Haut verantwortlich. Diese Erklärungen seien reine Behauptungen, meint hingegen Professor Mansour El-Matbouli, Leiter der Klinischen Abteilung für Fischmedizin der Veterinärmedizinischen Universität Wien. Dithranol – in Deutschland auch Cignolin genannt – ist ein Wirkstoff aus der Gruppe der Hydroxyanthrone, der in topischen Arzneimitteln zur Psoriasis-Therapie eingesetzt wird. Auch Professor Ulrich Mrowietz, Leiter des Psoriasis-Zentrums am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, rät von der Behandlung mit Knabberfischen ab. Der Behandlungs­erfolg sei nur vorübergehend und die Therapie sehr kostspielig. In der Tat ist die Behandlung nicht günstig: Ein auf Psoriasis spezialisiertes Fisch-Zentrum verrechnet für eine Stunde baden mit den Fischen 80 Euro.

 

Fisch-Spas

Während Ärzte die Knabberfische zu therapeutischen Zwecken sehr zurückhaltend einsetzen, haben die sogenannten Fisch-Spas in den letzten Jahren weltweit einen regelrechten Boom erlebt. Knabberfische sind äußerst anpassungsfähige Tiere. Ihre Anspruchslosigkeit macht sie zu pflegeleichten Bewohnern von Aquarien. In ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet gedeihen sie in Gewässern mit 5 °C, aber auch in den heißen Quellen mit 37 °C und auch Gewässerkontaminationen mit Schmermetallen, Agrar-, Industrie- und Haushaltsabfällen scheinen die Fische zu tolerieren. In Fisch-Spas sind die Fische vor allem in der Pediküre sehr beliebt. Allerdings sind dort die Becken oft wenig artgerecht gestaltet. Zwar enthalten sie manchmal Steine, die aber meist nur zu dekorativen Zwecken in den Becken liegen und den Tieren kaum Versteckmöglich­keiten bieten.

In Deutschland existiert derzeit keine bundesweit einheitliche Regelung zum Einsatz von Knabberfischen im Gesundheits- und Wellnessbereich. Die Bewilligung hängt häufig vom Einsatz der Fische ab: Für medizinische Zwecke wird er meist toleriert, für kosmetische Zwecke sind sie in einigen Bundesländern nicht zugelassen. Trotz der häufig geäußerten Bedenken zu den hygienischen Bedingungen und dem Infektionsrisiko in Fisch-Spas wurden beide Aspekte in Fisch-Spas bisher kaum untersucht.

 

Da in Großbritannien innerhalb kurzer Zeit die meisten Fisch-Spas in Europa eröffnet wurden, hat die britische Health Protection Agency für Betreiber dieser Wellnesseinrichtungen Richtlinien herausgegeben, in denen sie das Infektionsrisiko einschätzt. Denkbar sind demnach drei Übertragungswege: direkt vom Fisch auf den Menschen, indirekt über das Wasser auf den Menschen oder über das Wasser von Mensch zu Mensch (siehe Tabelle). Die Health Protection Agency empfiehlt pro Fisch-Pediküre eine Maximaldauer von 15 bis 30 Minuten. Damit sei sichergestellt, dass die Fische nicht zu viel Haut abtragen und mögliche Verletzungen oder Blutungen könnten so ausgeschlossen werden. Immunsupprimierte sowie Diabetes- und auch Psoriasis-Patienten sollten Fisch-Spas wegen des erhöhten Infek­tionsrisikos meiden.

Tabelle: Infektionsrisiko in Fisch-Spas

Übertragungsweg Erreger Risiko
Vom Fisch auf den Menschen Streptococcus agalactiae Wie häufig das Bakterium in Knabberfischen vorkommt ist bisher nicht bekannt. Aufgrund einer größeren Menge verstorbener Tiere, bei denen das Bakterium nachgewiesen wurde, wird es als mög­liches, aber niedriges Risiko eingestuft.
Mycobakterium marinum Infektion über kleinste Hautverletzungen ist möglich.
Indirekt über das Wasser Pseudomonas aeruginosa Kann unter Wasser Bio­filme bilden und tritt auch in anderen Spa Wasserbereichen ohne Fische auf. Enthaarung vor dem Wasserkontakt kann das Infektionsrisiko erhöhen.
Mykobakterien Sind immer in Wasser vorhanden und auch in normalen Pediküre Salons bereits aufgetreten. Enthaarung vor dem Wasserkontakt kann das Infek­tionsrisiko erhöhen.
Von Mensch zu Mensch über das Wasser Hepatitis-B-, Hepatitis-C- und HI-Viren Äußerst geringes Risiko

Export-Verbot

Inzwischen hat die Türkei den Export von Garra rufa verboten. Das hat dazu geführt, dass Knabberfische in Spas teilweise durch billigere Garra-Arten ersetzt wurden, die nicht die gleiche Qualität haben. Manchmal werden, vor allem in Asien, auch die sogenannten Kiss Kiss Fische verwendet. Auch im Onlinehandel wird diese Art als Garra rufa angeboten. Kiss Kiss Fische knabbern jedoch nur im Jugendstadium ähnlich wie Knabberfische die Hautschuppen ab. Ausgewachsen wird diese Art bis zu 60 cm groß und entwickelt vier bis sechs Zahnreihen. Dann sind die Fische in der Hautpflege nicht mehr einsetzbar. /

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