PTA-Forum online
Lärm und Gesundheit

Ruhe bewahren

12.10.2015  10:57 Uhr

Von Barbara Erbe / Verkehrslärm, Gärtner, die mit dröhnenden Bläsern durch das Herbstlaub fahren, oder Kinder mit plärrendem Elektrospielzeug – an vielen Stellen ist Lärm Teil des Alltags. Studien belegen, dass Dauer-Lärm zu Schlaflosigkeit, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Konzentrationsstörungen und nicht zuletzt Schwerhörigkeit führen kann. Geräuschbewusstes Verhalten kann Abhilfe schaffen.

Das Ohr ist das erste Sinnesorgan, das sich beim Menschen ausprägt: Etwa in der 23. Schwangerschaftswoche ist das Gehör eines Babys so weit ausgebildet, dass es Geräusche bewusst wahrnimmt. Die Augen lassen sich komplett verschließen, bei den Ohren gelingt das allerdings nicht; sie sind die wichtigste Warninstanz des Menschen. Deshalb können laute Geräusche ihn auch sehr stressen, und sie sind oft genug gesundheitsschädlich, berichtet der Würzburger Hals-Nasen-Ohren-Arzt und Umweltmediziner Dr. Peter Ohnsorge. »Die ganz normale Geräuschkulisse, der vor allem Großstädter ausgesetzt sind, wirkt sich negativ auf unser Wohlbefinden und auf unsere Gesundheit aus.«

Lärm verursacht Stress, und die Stresshormone Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol lassen auf Dauer nicht nur den Blutdruck, sondern auch die Blutfettwerte ansteigen. Erhöhte Blutdruck- und Cholesterolwerte wiederum gehören zu den Hauptrisikofaktoren für Herz- und Kreislauferkrankungen.

Deshalb hat die Weltgesundheitsorganisation WHO Lärm als einen Faktor für den Anstieg von Herz-Kreislauf-Erkrankungen identifiziert. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) warnt, dass das Herzinfarktrisiko eines Menschen bei einem mittleren Verkehrspegel von 65 bis 70 Dezibel – häufig abgekürzt als dB (A) – außerhalb der Wohnung um 20 Prozent steigt, bei über 70 Dezibel sogar um 30 Prozent. Das Umweltbundesamt (UBA) verweist auf belegte Zusammenhänge zwischen der Belastung durch Straßenverkehrslärm und nächtlichem Fluglärm und Bluthochdruck.

Sclechter Schlaf

»Nächtlicher Lärm verringert die Schlafqualität«, sagt Dr. René Weinandy, Leiter des UBA-Fachgebiets »Lärmminderung im Verkehr«. Betroffene wachen dann häufiger auf und produzieren deutlich mehr Stresshormone. Das verringert den Erholungseffekt und schwächt das Immunsystem. Vor allem bei Kindern beeinträchtigt der Stressfaktor Lärm auch Sprachentwicklung und mentale Leistungsfähigkeit, wie eine in drei EU-Ländern durchgeführte Studie belegt. »Ihre Ergebnisse zeigen, dass Fluglärm die Lesefähigkeit und Gedächtnisleistung bei Kindern mindern kann«, resümiert Weinandy.

Zu der schädlichen Wirkung, die ein andauernder Geräuschpegel auf den allgemeinen Gesundheitszustand hat, kommt das nicht zu unterschätzende Risiko einer lärmbedingten Schwerhörigkeit. Denn sowohl eine anhaltend hohe Dauerschallbelastung als auch kurze hohe Schallpegelspitzen können die Haarzellen im Innenohr dauerhaft schädigen. Die feinen Härchen, die sogenannten Stereozilien, sind es nämlich, die Schallschwingungen in elektrische Signale umwandeln, die dann über das Nervensystem weitergeleitet werden. Ein lärmbedingter Hörverlust entsteht meist zunächst bei den hohen Tönen (bei Frequenzen um 4000 Hertz).

Bei andauernder Belastung nimmt aber auch die Hörfähigkeit für tiefere Töne ab. Zerstörte Haarzellen wachsen nicht nach, ein lärmbedingter Hörschaden ist also nicht heilbar. »Wer nach hoher Geräuschbelastung, zum Beispiel nach dem Hören von lauter Musik, ungewohnte Geräusche im Ohr wahrnimmt, sollte das in jedem Fall als Warnsignal des Körpers verstehen«, betont Weinandy. Zunächst einmal können sich die geschädigten Zellen im Innenohr erholen, wenn man ihnen eine zehn- bis zwölfstündige Ruhepause gönnt. »Nach fortgesetzter oder häufiger Überlastung jedoch drohen Ohrenpfeifen und irreversible Hörschäden.«

Weniger Arbeitslärm

Dank Lärmschutzbestimmungen sind die Menschen am Arbeitsplatz heute tendenziell weniger Lärm ausgesetzt. Im kulturellen und privaten Bereich, etwa bei Musikveranstaltungen oder im Kino, nimmt die Beschallung aber zu. »Schon eine Dauerbelastung von 30 bis 40 Dezibel (leises Radio) kann Kopfschmerzen oder Herz-Kreislauf-Beschwerden verursachen«, sagt Umweltmediziner Ohnsorge. »Ein Kinofilm, dessen Lautstärke vier bis fünf Minuten lang über 105 Dezibel liegt – und das ist auch bei Kinderfilmen immer wieder der Fall – belastet den Körper genauso wie acht Stunden bei 85 Dezibel.«  Dazu kommt, dass mobile Musikgeräte mit Kopfhörer heute viel stärker verbreitet sind als noch vor zehn Jahren.

Besonders betroffen sind Kinder und Jugendliche, ergänzt UBA-Fachleiter Weinandy. Jedes achte Kind weise bereits eine auffällige Minderung der Hörfähigkeit auf. »Auch die Zahl der Jugendlichen mit Tinnitus-Symptomen nimmt in besorgniserregender Weise zu.«

Eine gewisse Lärmkulisse gehört inzwischen – freiwillig oder unfreiwillig – für viele Menschen zum Alltag. Umso wichtiger, Körper und Seele Inseln der Ruhe zu schaffen, sagt Dr. Eveline Maslon, Lärmexpertin bei der BZgA. Bewusste Naturerlebnisse, wie Spaziergänge durch den Wald, sind Balsam für gestresste Ohren. Ebenso hilfreich kann es sein, möglichst täglich Ruhezeiten einzuführen, beispielsweise die ersten Minuten zu Hause nach der Arbeit. Maslon rät zu einem ganz bewussten Umgang mit Stille und Geräuschen. »Hören Sie lieber gezielt eine ganz bestimmte Musik, anstatt die Kopfhörer oder das Radio ständig als Begleitung einzuschalten – und schalten Sie ab, wenn Sie sich unterhalten.« Für mobile Musikabspielgeräte ist die Verwendung eines Lautstärke-Begrenzungssystems, wie es in vielen Geräten vorhanden ist, zudem ratsam.

Stille schaffen

Wer daheim mit Hammer oder Kreissäge hantiert, sollte dabei den Ohren zuliebe Schaumstoffstöpsel tragen. Und er sollte nicht unbedingt zu den allgemeinen Ruhezeiten werkeln, betont Weinandy: »Last but not least kann jeder selbst unnötigen Lärm vermeiden – beispielsweise dadurch, dass er auf kurzen Wegen das Auto stehen lässt oder das Laub im Garten lieber mit dem Rechen zusammenfegt, als es mit lautem Getöse mit einer Maschine zusammen zu blasen.« /

Rücksicht auf Kleinkinder

Musik dringt aus den Boxen, Gläser klirren, Menschen unterhalten sich, lachen herzhaft, und der Säugling schläft. So hat es die Natur eingerichtet. »Ein Neugeborenes muss bei einem  Geräuschpegel von unter 80 Dezibel nicht aufwachen«, sagt Dr. Arno Olthoff, Pädaudiologe an der Uniklinik der Georg-August-Universität Göttingen. 80 Dezibel, das entspricht dem Lärm eines LKW-Motors im Stadtverkehr aus fünf Meter Entfernung. Bereits 85 Dezibel sind allerdings ein kritischer Lärmpegel: Wird er dauerhaft überschritten, kann das Gehörschäden zur Folge haben.

Wenn Kinder älter werden, sinkt ihre Reaktionsschwelle. Mit sechs Monaten liegt sie bei 60 Dezibel (entspricht etwa einer Unterhaltung bei Zimmerlautstärke), bei einem Einjährigen bereits bei 40 Dezibel (leises Radio). Ein dreijähriges Kind schließlich reagiert ähnlich einem Erwachsenen auf leise Geräusche in einem ruhigen Zimmer (20 Dezibel). »Auch wenn die Kleinen nicht reagieren, nehmen ihre Ohren die Geräusche wahr. Das Gehirn blendet sie aber weitgehend aus, damit das Baby die Ruhe halten kann, die es für seine Entwicklung braucht«, erläutert Olthoff. Dass die Reaktionsschwelle auf Geräusche bei den Kleinen so hoch ist, heißt also mitnichten, dass sie weniger hören. Im Gegenteil: »Babys und Kleinkinder haben noch ein perfektes Gehör«, so Dr. Eveline Maslon, Lärmexpertin bei der BZgA. »Je älter ein Mensch wird, desto stärker verschleißt sein Gehör – das gilt schon ab 18 Jahren.« Maslon rät  Eltern deshalb, ihr schlafendes Kind möglichst von lauten Geräuschen abzuschirmen, auch wenn es scheinbar friedlich schläft. »Babys brauchen für ihre Entwicklung viel Schlaf – und wir wissen aus Studien: Je tiefer und ungestörter der Schlaf, desto besser die Erholung.« 

Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
SENDEN
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.