Sachliche und faire Diskussion |
12.10.2015 10:57 Uhr |
Von Daniel Rücker / Es gab schon weniger harmonische Apothekertage als in diesem Jahr in Düsseldorf. Auf dem Programm stand vor allem konzentrierte Sacharbeit. Deren Ergebnis ist auch für PTA wichtig.
Das Mega-Event ist vorbei. Vom 28. September bis zum 3. Oktober fand auf dem Düsseldorfer Messegelände der Kongress der Weltapothekerorganisation FIP, der Deutsche Apothekertag und die größte pharmazeutische Fachmesse Europas, die Expopharm, statt. Zu den rund 25 000 deutschen Apothekern gesellten sich noch einmal 3000 Kollegen aus mehr als 100 Ländern. Neben den reinen Zahlen kann sich auch die inhaltliche Bilanz sehen lassen. Bei den wesentlichen Zukunftsthemen wie E-Health, Beteiligung der Apotheker am Medikationsplan und Sicherung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen waren sich die Delegierten aus den 34 Apothekerkammern und Verbänden weitgehend einig. Die Diskussion war engagiert und blieb immer sachlich. Das war in früheren Jahren nicht immer so.
Einsatz für die Ausbildung
Gleich in einem der ersten Anträge der Hauptversammlung ging es um die PTA-Ausbildung. Die Bundesländer Hessen und Nordrhein-Westfalen haben sich aus der Finanzierung der PTA-Ausbildung in ihren Bundesländern zurückgezogen. Die Apotheker sind zu Recht schockiert. In einem Antrag für die Hauptversammlung der Apotheker forderte deshalb der Hessische Apothekerverband die Bundesregierung auf, rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen zu schaffen, die es allen Bundesländern möglich machen, genug PTA auszubilden. Nur dann könnten die Apotheken die flächendeckende Versorgung der Menschen mit Arzneimitteln garantieren.
Umstritten ist dabei, ob sich auch die Apotheker stärker an der Finanzierung der PTA-Ausbildung beteiligen sollten. Eine Reihe von Apothekern lehnt dies ab. Schulen – auch PTA-Schulen – seien staatliche Einrichtungen. Deshalb müssten sie auch vom Staat finanziert werden. Andere Apotheker glauben nicht an einen Wiedereinstieg der beiden Bundesländer. Wenn die Apotheker weiterhin ausreichend PTA für ihre Arbeit benötigten, dann müssten sie selbst tiefer in die Tasche greifen. In Westfalen-Lippe ist bereits die Kammer eingesprungen. Trotz der Unstimmigkeiten und unterschiedlicher Situationen in den Bundesländern nahm die Hauptversammlung nahm den Antrag mit klarer Mehrheit an.
Analog zur Verbesserung der Situation in den PTA-Schulen forderten die Apothekerkammer Berlin, die Sächsische Landesapothekerkammer und der Apothekerverband in einem Antrag den Gesetzgeber und die Universitäten auf, mehr Studienplätze für Pharmazeuten zu schaffen. Wenn es in Deutschland immer mehr Senioren gebe und zudem die Apotheker neue Aufgaben wie das Medikationsmanagement übernähmen, dann würden mehr ausgebildete Pharmazeuten gebraucht.
Medikationsplan mit den Apothekern
Das Medikationsmanagement war auch an anderer Stelle Gegenstand der Beratungen. Die Apotheker wollen hier stärker eingebunden werden. Im sogenannten E-Health-Gesetz spielen sie nur eine Nebenrolle. Verantwortlich für den Medikationsplan sind nach den Vorstellungen von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe die niedergelassenen Ärzte. In einem großen Leitantrag forderten der Geschäftsführende Vorstand der ABDA und die Apothekerkammern Berlin und Hessen, die Apotheker stärker einzubinden. Eine sichere Arzneimittelversorgung zu organisieren, sei eine der wichtigsten Aufgaben der Apotheker, schreibt die ABDA in der Begründung dieses Antrages. Dies sei nur möglich, wenn die Medikation eines Patienten bekannt sei. Einen vollständigen Überblick über die Medikation könnte aber nur ein Medikationsplan bieten, der von Ärzten und Apothekern gemeinsam erstellt wird. Nur dann sei sichergestellt, dass auch die vom Patienten selbst gekauften Arzneimittel erfasst würden. Der Antrag wurde von den Delegierten mit großer Mehrheit angenommen.
Kontrollierter Cannabis-Anbau
Angesichts der Diskussion der vergangenen Monate ist es kein Wunder, dass sich zwei Anträge um Cannabis als Arzneimittel drehten. Den ersten hatte die ABDA selbst verfasst. Drei Punkte sind der Berufsvertretung dabei wichtig: Wenn Cannabis als Arzneimittel eingesetzt werden darf, muss es laut ABDA eine ausreichende pharmazeutische Qualität haben, verschreibungsfähig sein und von den Krankenkassen bezahlt werden. Zudem müsse der Anbau von Cannabis kontrolliert werden. Nur so könne eine gleichbleibend hohe Qualität erreicht werden. Zu diesem Ziel trägt auch die Kommission des DAC/NRF bei, die eine Cannabis-Monographie entwickelt. Im zweiten Antrag zu Cannabis forderte die Hessische Landesapothekerkammer eine klare Trennung in der öffentlichen Diskussion zwischen dem Einsatz von Cannabis als Arzneimittel und als Genussmittel. Die Delegierten stimmten dem zu. Eine klare Mehrheit gab es auch für den Antrag des Geschäftsführenden ABDA-Vorstandes, die Bundesregierung solle die Apotheker in den Bemühungen einbinden, die Impfquote zu erhöhen. Dazu gehört nach Vorstellung der ABDA auch ein Impfpass-Check gegen Gebühr.
Die Antragsberatung machte auch deutlich, dass die seit Jahren weitgehend stagnierende Honorierung der Apotheker weiterhin ein großes Problem ist. Gleich acht Anträge gab es zum Apothekenhonorar. Dabei ging es nicht nur um die Anpassung des Packungshonorars, sondern auch um die Honorierung für Betäubungsmittel und Rezepturen. Auch dem Dauerärgernis Null-Retax rückten die Apotheker zu Leibe. In einem Antrag forderte der Apothekerverband Brandenburg, der Gesetzgeber solle Null-Retaxierungen wegen Formfehlern verbieten. Eine Gruppe von zwölf Apothekern forderte die Krankenkassen auf, Apothekern bei Formfehlern in Zukunft die Korrektur zu erlauben. Apothekerverband und -kammer Bremen fordern von den Krankenkassen, von Retaxierungen abzusehen, wenn die Formfehler vom Arzt verschuldet wurden. Wenig überraschend wurden die Retax-Anträge allesamt angenommen.
Die Hauptversammlung der Deutschen Apotheker rekrutiert sich aus den Delegierten von je 17 Apothekerkammern und -verbänden. In diesem Jahr waren es 313 Delegierte, auf die 411 Stimmen entfielen. Grund für die Differenz ist die Sparsamkeit mancher Mitgliedsorganisationen, von denen einige aus Kostengründen weniger Delegierte zum Apothekertag mitnehmen als sie Stimmen haben, sodass manche Delegierte mit mehreren Stimmkarten abstimmen.
E-Health im Fokus
E-Health war nicht nur ein wichtiges Thema in der Antragsberatung. Auch im Bericht des ABDA-Hauptgeschäftsführers Dr. Sebastian Schmitz spielte E-Health eine große Rolle. Für Schmitz ist es keine Frage, dass E-Health und Telematik-Anwendungen das Gesundheitswesen verändern werden. Deshalb müssten sich die Apotheker intensiv damit beschäftigen. Schmitz: »Man kann sich als Verband entscheiden, entweder vor dieser Entwicklung zu kapitulieren, weil sie ihren eigenen Gesetzen zu folgen scheint, oder sie aktiv zu begleiten und Nutzen aus ihr zu ziehen.« Die ABDA habe sich dazu entschieden, nicht zu kapitulieren, sondern die neuen Möglichkeiten anzunehmen.
E-Health bietet den Apotheken Chancen, es gebe aber auch eine Reihe ernstzunehmender Risiken, sagte Schmitz. Versandapotheken könnten neue Services wie Online-Konsultationen anbieten. Zudem werde die vertrauensvolle Beziehung zwischen Apothekern und Patienten auf die Probe gestellt. Manchen Apothekenkunden könnte die Videovisite praktischer erscheinen als der Gang in die Apotheke – mit der Konsequenz, dass der unmittelbare persönliche Kontakt nicht mehr die Regel sein könnte.
Insgesamt überwiegen aber die positiven Effekte, ist sich Schmitz sicher. »Auf der Habenseite stehen große Vorteile, die mit einer schnellen, sicheren und umfassenden digitalen Kommunikation und Datenspeicherung verbunden sind.« So könnten Wissenslücken der unterschiedlichen Akteure im Gesundheitswesen geschlossen, Kommunikationshindernisse beseitigt und neue Analyse- und Bewertungsmöglichkeiten erschlossen werden. Der Hauptgeschäftsführer erwartet, dass sich so die Versorgung der Patienten weiter verbessern lässt. Auch der Berufsstand werde von dieser Entwicklung profitieren. Für die ABDA steht fest: »Wir wollen mitmischen.« Die Berufsorganisation werde den Ressourceneinsatz für E-Health erhöhen und eine strategische Arbeitsgruppe einsetzen, die das Thema für die Apotheker bearbeiten soll. /