Tinnitus und chronische Schmerzen haben gleichen Nenner |
12.10.2015 10:57 Uhr |
Von Elke Wolf / Tinnitus und chronische Schmerzen haben mehr gemeinsam als ihre Fähigkeit, Millionen Menschen mit Phantom-Wahrnehmungen zu plagen. Bei beiden Erkrankungen sind die gleichen Hirnareale, die gewissermaßen als Türsteher für Reize fungieren, sowohl strukturell als auch in ihrer Funktion verändert, haben Wissenschaftler der Technischen Universität München und des Georgetown University Medical Centers herausgefunden.
Die Forscher um Professor Dr. Josef Rauschecker haben diese defekten Filter im Gehirn lokalisiert. Mit Hilfe einer ganzen Batterie von bildgebenden und analytischen Verfahren fanden sie heraus, dass vor allem der ventromediale präfrontale Cortex und der Nucleus accumbens, Kernstrukturen im basalen Vorderhin, die gestörte Wahrnehmung verursachen. »Diese Areale fungieren als zentrale Türhüter für unsere Sinneswahrnehmungen«, erklärt Rauschecker in einer Pressemeldung. Sie regeln, welche Informationen von den Sinnesorganen in unser Bewusstsein dringen und weiter verarbeitet werden. »Außerdem sind diese Hirnbereiche wichtig, um emotionale Erfahrungen zu bewerten und zu modifizieren.«
Fällt dieses Regulator-System jedoch aus oder funktioniert es nur noch eingeschränkt, werden auch solche externen oder im Gehirn selbst erzeugten Sinnesreize weitergeleitet, die normalerweise unterdrückt würden. Als Folge hören Tinnitus-Betroffene Geräusche, die nicht da sind. In den identifizierten Hirnregionen haben die Forscher signifikant weniger an grauer Masse und eine beeinträchtigte Funktion der Schaltkreise beobachtet.
Aber nicht nur das: Zwischen Tinnitus und chronischem Schmerz existieren Parallelen. Bei beiden Erkrankungen sind die gleichen Hirnareale strukturell und funktionell verändert. Im Grunde ist das einleuchtend. Denn auch beim chronischen Schmerz empfindet der Patient die Pein, obwohl die Ursache des Schmerzes längst behoben ist. Das Schmerzgedächtnis sorgt für die Unterhaltung der Schmerzsignale. »Das Gehirn spürt weiterhin die ursprüngliche Verletzung, weil es die Schmerzsignale nicht mehr herunterregeln kann«, erklärt Rauschecker. /
Quelle: Technische Universität München