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Neu im Oktober

Immuntherapeutika boomen weiter

13.10.2017  14:47 Uhr

Von Sven Siebenand / Die Tumorkontrolle mithilfe des Immunsystems ist auf Krebskongressen derzeit das Thema überhaupt. Im Oktober kamen zwei weitere sogenannte Checkpoint-Inhibitoren auf den Markt. Ihr Wirkmechanismus ist gleich, die Einsatzgebiete unterscheiden sich jedoch.

Physiologisch unterbindet der sogenannte PD-1-Signalweg eine dauerhafte T-Zell-Aktivierung, um den Körper vor überschießenden Immunreaktionen zu schützen. Eigentlich ist das gut, wenn Krebszellen diese Bremse des Immunsystems aber ausnutzen, ist das schlecht. Sie exprimieren auf ihrer Oberfläche dann Liganden für die PD-1-Rezeptoren, diese binden an die Rezeptoren und schützen sich dadurch vor Angriffen durch das Immunsystem. An dieser Stelle greifen die sogenannten Checkpoint-Inhibitoren ein. Die bereits bekannten Wirkstoffe Nivolumab (Opdivo®, Bristol-Myers Squibb) und Pembrolizumab (Keytruda®, MSD) blockieren den PD-1-Rezeptor auf den Immunzellen. Die Liganden auf der Oberfläche der Krebszelle können dann nicht mehr daran binden. Das Immunsystem bleibt aktiv und kann gegen den Krebs ankämpfen.

Die beiden Neulinge Atezolizumab (Tecentriq®, Roche Pharma) und Avelumab (Bavencio®, Merck Serono), wirken ähnlich. Sie binden jedoch, anders als Nivolumab und Pembrolizumab, nicht an den PD-1-Rezeptor, sondern an den PD-1-Liganden (PD-L1) und hemmen so die Interaktion zwischen Rezeptor und Ligand. Darüber hinaus blockieren sie noch einen weiteren Signalweg. Denn PD-L1 bindet normalerweise auch an den Rezeptor B7-1. Durch die neuen Antikörper wird auch dies unterbunden. Ein weiterer Unterschied zu Nivolumab und Pembrolizumab: Unter PD-L1-Blockade bleibt die Interaktion zwischen dem PD-1-Rezeptor und dem PD-2-Liganden erhalten. Dieser Ligand spielt hinsichtlich des Tumors keine Rolle, wohl aber bei der Immunhomöostase. Wird nur PD-L1 und nicht PD-L2 gehemmt, kann dies einer überschießenden Immun­antwort entgegenwirken und möglicherweise eine verbesserte Verträglichkeit bedeuten. Das wäre in einem direkten Vergleich der alten und neuen Antikörper aber noch zu beweisen.

Bei Merkelzellkarzinom

Avelumab ist das erste speziell für die Behandlung von Erwachsenen mit metastasiertem Merkelzellkarzinom zugelassene Medikament. Das Merkelzellkarzinom ist ein seltenes Karzinom. Es handelt sich dabei um einen meist rötlich-violetten, kugel- oder seltener auch plaqueförmigen Tumor auf der Hautoberfläche. Die Mehrzahl der Tumoren tritt vornehmlich im Bereich lichtexponierter Areale der Gesichtshaut oder der Extremitäten auf. Ihre Größe kann wegen des schnellen Tumorwachstums variieren (1 bis 4 cm).

Avelumab wird patientenindividuell abhängig vom Körpergewicht (10 mg/kg) dosiert und solange zweiwöchentlich intravenös als einstündige Infusion verabreicht, bis die Erkrankung fortschreitet oder die Toxizität unzumutbar ist. Vor den ersten vier Infusionen sollten die Patienten Paracetamol und ein Antihistaminikum erhalten, um das Risiko infusionsbedingter Reaktionen zu reduzieren. Ist die vierte Behandlung mit dem Antikörper ohne infusionsbedingte Reaktionen abgelaufen, erfolgt die weitere Gabe der Prämedikation nach Ermessen des Arztes. Neben infusionsbedingten Reaktionen gibt es in der Fachinformation von Bavencio auch einen besonderen Warnhinweis zu immunvermittelten Nebenwirkungen, wie Pneumonitis, Kolitis oder Hepatitis. Wird eine Bremse des Immunsystems gelöst durch Checkpoint-Inhibitoren, steigt nämlich das Risiko für Autoimmunprozesse im Körper.

Die häufigsten unter Therapie mit Avelumab beobachteten Nebenwirkungen waren Fatigue (32 Prozent), Übelkeit (25 Prozent), Diarrhö (19 Prozent), verminderter Appetit (18 Prozent), Obstipation (18 Prozent), infusionsbedingte Reaktionen (17 Prozent), Gewichtsabnahme (17 Prozent) und Erbrechen (16 Prozent). Frauen im gebärfähigen Alter sollte geraten werden, während der Behandlung mit Avelumab eine Schwangerschaft zu vermeiden und während der Behandlung mit dem Antikörper sowie bis mindestens einen Monat danach zuverlässig zu verhüten. Die Anwendung bei Schwangeren wird nicht empfohlen, es sei denn, dass dies aufgrund des klinischen Zustandes der Frau erforderlich ist. Stillenden Frauen sollte geraten werden, aufgrund der Möglichkeit schwerwiegender Nebenwirkungen bei Säuglingen während der Behandlung und bis mindestens einen Monat nach der letzten Anwendung nicht zu stillen.

Bei Harnblasenkarzinom

Der zweite neue Antikörper, Atezolizumab, ist bislang in zwei Indikationen zugelassen: zum einen zur Therapie von Patienten mit lokal fortgeschrit­tenem oder metastasiertem Harn­blasenkarzinom (Urothelkarzinom), zum anderen zur Behandlung des lokal fort­geschrittenen oder metastasierten nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms (NSCLC).

Atezolizumab darf beim Harnblasenkarzinom als Erstlinientherapie zum Einsatz kommen, wenn die Patienten für eine Cisplatin-haltige Chemotherapie ungeeignet sind. Zudem kann der Wirkstoff bei dieser Krebsart verwendet werden, wenn die Patienten mit einer Platin-haltigen Therapie vorbehandelt sind. Bei Lungenkrebspatienten ist das neue Präparat nach vorheriger Chemotherapie zugelassen, also nicht in der Erstlinientherapie. Bei bestimmten Lungenkrebspatienten ist auch eine zielgerichtete orale Therapie mit einem Tyrosinkinasehemmer durchzuführen, bevor der neue Antikörper zum Einsatz kommt.

Die empfohlene Dosierung von Atezolizumab beträgt bei beiden Krebsarten 1200 mg, alle drei Wochen intravenös verabreicht. Die Initialdosis wird über einen Zeitraum von 60 Minuten gegeben. Wird diese gut vertragen, können nachfolgende Infusionen über einen Zeitraum von 30 Minuten erfolgen. Wie im Fall von Avelumab wird auch bei Atezolizumab in der Fachinformation vor infusionsbedingten Reaktionen und immunvermittelten Nebenwirkungen besonders gewarnt.

Die häufigsten beobachteten Nebenwirkungen des Antikörpers waren Fatigue (35 Prozent), verminderter Appetit (26 Prozent), Übelkeit (23 Prozent), Dyspnoe (22 Prozent), Diarrhö (19 Prozent), Hautausschlag (19 Prozent), Fieber (18 Prozent), Erbrechen (15 Prozent), Gelenkschmerzen (14 Prozent), Asthenie (14 Prozent) und Juckreiz (11 Prozent). Frauen im gebärfähigen Alter müssen während und für fünf Monate nach der Behandlung eine wirksame Verhütungsmethode anwenden. In der Schwangerschaft darf Atezolizumab nicht zum Einsatz kommen, es sei denn, der klinische Zustand der Frau macht dies erforderlich. Bei Stillenden ist zu entscheiden, ob Tecentriq abgesetzt oder abgestillt wird. /

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