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Fichtennadelöl

Der Duft, der gesund macht

26.10.2015  09:46 Uhr

Von Gerhard Gensthaler / Die Volksmedizin empfahl früher, aus jungen, noch hellgrünen Trieben der Fichte Hustensirup zu kochen. Doch seit sich herausgestellt hat, dass die Pflanze an den abgebrochenen Zweigen nicht mehr weiterwächst und auch in den Folgejahren nicht mehr austreibt, ist die Sammlung von Fichtenspitzen verboten. Wesentlich einfacher und daher auch gebräuchlicher ist die Anwendung des industriell gewonnenen Fichtennadelöls, das sich bei Bronchitis und rheumatischen Beschwerden bewährt hat.

Heute ist sehr wenig bekannt, gegen welche Beschwerden Heilkundige die Fichte in früheren Zeiten genutzt ­haben. Schon sehr lange werden die Fichtennadeln bei Erkrankungen der Atmungsorgane und als Badezusatz geschätzt. Daher finden sie in einigen Kräuterbüchern des Mittelalters Erwähnung. Im 12. Jahrhundert bezeichnete die heilkundige Äbtissin Hildegard von Bingen den Baum als Sinnbild der Kraft und der Hoffnung und berichtete, dass die Fichte bei Viehseuchen eingesetzt werden kann. Außerdem empfahl sie, Fichtenholz zu räuchern, um Schnupfen zu behandeln.

Der Arzt und Botaniker Pier Andrea Matthiolus, (1501–1577) erwähnt in seinem »New Kreuterbuch« eine Abkochung von Fichtenzapfen als Warzenmittel. Der Botaniker und Arzt Hieronymus Bock (1498–1554) fügt als Anwendungsgebiete der Fichte folgende Krankheiten hinzu: »Husten, Schwindsucht sowie Blutspeien«. Auch der deutsche Botaniker Tabernaemontanus (etwa 1520–1590), der Leibarzt des Kurfürsten Johann ­Casimir in Heidelberg, schrieb über Fichtennadeln: «… sie erweichen, auch reinigen sie die Brust und fördern das Auswerffen.« Damit hatte der Botaniker schon recht genau eine der Hauptindikationen der Fichte genannt. Da­rüber hinaus empfehlen manche Autoren die Anwendung zur Behandlung von Hüftschmerzen und sogar zur Wundheilung sowie bei Skorbut und Tuberkulose.

Verschiedene Fichten und Tannen

Fichtennadelöl (Piceae aetheroleum) ist ein pflanzliches Arzneimittel und wird von verschiedenen Fichten und Tannen aus der Familie der Kiefern­gewächse (Pinaceae) gewonnen. Die Hauptlieferanten sind Picea abies (L.) Karsten, bekannt als Gemeine Fichte oder Rottanne, und Abies sibirica (Lederbour), die Sibirische Tanne, von der das Sibirische Fichtennadelöl stammt.

Ursprünglich wuchs die Gemeine Fichte in europäischen Hochebenen und im Gebirge, inzwischen ist sie durch Forstkultur in ganz Nord- und Mittel­europa verbreitet. Die Sibirische Tanne kommt hingegen fast ausschließlich im Nordosten Asiens vor. Fichte und Tanne (Abies alba) unterscheiden sich unter anderem durch die Rinde: Diese ist bei der Fichte rotbraun und glänzt bei der Tanne silbrig. Außerdem sind die ­Nadeln der Fichte schmal und stechend, bei der Tanne dagegen breiter, weicher, nicht stechend, silbrig weiß und glänzend.

Zur Gewinnung des ätherischen Öls werden die frischen und zerkleinerten jungen Triebe und Nadeln der Fichte im Frühjahr auf Siebböden aufgeschichtet und für fünf bis sechs Stunden einer Wasserdampfdestillation unterworfen. Je höher der Nadelteil, desto höher ist auch die Ausbeute an Öl. Üblicherweise liegt die Ausbeute zwischen 0,15 und 0,65 Prozent. Ältere Zweige verringern die Ausbeute und die Qualität des Öles. Engländer nennen das Öl Fir needle oil, Sibirian fir needle oil und Franzosen Huile essentielle d’aiguilles de sapin de sibérie.

Auch die Triebspitzen und Sprosse der Fichte (Piceae summitates) werden gesammelt und zu einem wässrigen Auszug (Piceae summitates extractum aquosum) oder einem Trockenauszug (Piceae summitates succus et extractum) verarbeitet.

Herkunft entscheidet über Ölqualität

Je nach Herkunft und Stammpflanze enthält Fichtennadelöl verschiedene Mono- und Diterpene, etwa 20 bis 55 Prozent Bornylacetat, 12 bis 40 Prozent α-Pinen und β-Pinen, 19 bis 32 Prozent Phellandren, 10 bis 30 Prozent Camphen, 1 bis 8 Prozent Borneol, 0,6 bis 9 Prozent Myrcen sowie 1 bis 3 Prozent Santen. ­Sibirisches Fichtennadelöl unterscheidet sich deutlich von dem aus Fichtenzweigen des Alpengebiets hergestellten Öl durch einen hohen Anteil an Camphen und einen sehr niedrigen Gehalt an ­Myrcen. Seinen typisch harzigen Geruch erhält das Öl in beiden Fällen durch hohe Mengen an Bornylacetat.

Traditionell hat sich Fichtennadelöl sowohl innerlich als auch äußerlich bei entzündlichen Erkrankungen der oberen und unteren Atemwege bewährt. Auch die Kommission E beim ehemaligen Bundesgesundheitsamt beurteilte in den Jahren 1985 und 1990 die inner­liche und äußerliche Verwendung des Öls bei Katarrhen des Respirationstraktes oder bei neuralgischen Schmerzzuständen positiv. Innerlich wirkt Fichtennadelöl sekretolytisch an der Bronchialschleimhaut und bei Inhalationen expektorierend sowie leicht antiseptisch. Die Wirkung beruht zum einen auf der Anregung der Durchblutung und zum anderen auf der Stimulation des Flimmer­epithels in den Atemwegen, sodass sich zähflüssiges Sekret in den Bronchien löst. Der genaue Wirkmechanismus wird allerdings noch diskutiert. Das Öl dient häufig auch als Zusatz in Hustensäften und Hustenbonbons, zum Teil in Kombination mit Eukalyptusöl.

Äußerlich angewendet lindert das ätherische Öl wegen seiner hyperämisierenden Eigenschaften die Beschwerden bei rheumatischen Erkrankungen, Verstauchungen und Prellungen. Dabei sind verschiedene Zubereitungen gebräuchlich: ölige Einreibungen, Tink­turen, Salben, Cremes, Gele und Emulsionen. Das ätherische Öl oder die Fertigpräparate werden in die Haut einmassiert, um Rheuma oder leichte Muskel- und Nervenschmerzen zu lindern. Häufig ist Fichtennadelöl auch Bestandteil von Badeessenzen und wird neben Seifen und Parfüms in Raumsprays zur Geruchsverbesserung eingesetzt. Zusätzlich dient es als leichtes Desinfektionsmittel.

Die einzelnen Komponenten des ätherischen Öles werden sowohl nach pulmonaler und oraler als auch nach ­kutaner Applikation resorbiert. Je nach Anwendung sind die Unterschiede in Geschwindigkeit und Ausmaß der Wirkung jedoch erheblich. Durch die Lungen wird in der Hauptsache der sauerstofffreie Terpenanteil ausgeatmet. Im Unterschied dazu werden die sauer­stoffhal­tigen Bestandteile überwiegend glucuronidiert und renal ausgeschieden.

Vorsichtig dosieren

Wer das ätherische Öl innerlich anwenden möchte, nimmt 4 Tropfen bis zu dreimal täglich entweder in Wasser oder auf ein Stück Zucker getropft ein. Zur Inhalation gibt man 5 bis maximal 10 Tropfen des Fichtennadelöles zu einem Liter heißen Wassers und atmet die entstehenden Dämpfe unter einem über den Kopf gestülpten Tuch ein. Auch in der Aromatherapie findet Fichtennadelöl Verwendung zur allgemeinen Aktivierung und zur Lösung von Blockaden.

Bei der äußerlichen Anwendung werden mehrmals täglich einige Tropfen in die betroffenen Hautpartien eingerieben. Hyperämisierende Badezusätze sollten mindestens 0,025 g Fichtennadelöl pro Liter Badewasser enthalten. Entscheidend ist dabei die Qualität des Lösungsvermittlers. Die Badedauer sollte 20 Minuten nicht überschreiten.Gelegentlich traten Hautreizungen und Ekzeme auf, manchmal werden Bronchospasmen verstärkt. Schwangere ­so­wie Patienten mit obstruktiven Bronchialerkrankungen, Keuchhusten oder Asthma bronchiale sollten kein Fichtennadelöl anwenden, das gilt ebenfalls für Menschen mit Allergien gegen die verschiedenen Bestandteile des ätherischen Öles. Die äußerliche Anwendung im Brustbereich ist während der Stillzeit kontraindiziert. Außerdem verbietet sich die Anwendung bei Kleinkindern. /

Karriere als Christbaum

Zwischen dem 17. und 18. Jahrhundert kam die Fichte als Christbaum in Mode. Der Brauch, zu Weihnachten einen immergrünen Nadelbaum mit Lichterketten, Kerzen, Lametta, Glaskugeln und kleinen Figuren zu schmücken, verbreitete sich im 19. Jahrhundert von Deutschland aus über die ganze Welt. Bis in die 1960er-Jahre schmückte hierzulande die Gemeine Fichte als typischer Weihnachtsbaum die Wohnzimmer. Doch da sie relativ rasch ihre Nadeln verliert, wurde sie weitgehend durch robustere Nadelbäume verdrängt, zunächst durch die Blaufichte, heute hauptsächlich durch die Nordmann-Tanne. Die Vorteile der Nordmann-Tanne: Ihre Nadeln sind relativ weich und im Vergleich zu ­ihren »Konkurrenten« nadelt sie erst spät. Allerdings ist die Nordmann-­Tanne im Gegensatz zu den Fichten und vielen anderen Tannenarten nahezu geruchlos.

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