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Powerwurzel aus der Taiga

28.10.2016  11:35 Uhr

Eleutherococcus

Powerwurzel aus der Taiga

Von Monika Schulte-Löbbert / Eleutherococcus kommt aus der sibirischen Kälte und hilft, den Winter gut zu überstehen. Die Chinesen kannten die Taigawurzel schon vor über 2000 Jahren als Heilmittel. Heute wird sie vor allem in der russischen Volksmedizin geschätzt. Die Inhaltsstoffe der Wurzel vertreiben Müdigkeit und Schwäche, verbessern die Konzentrationsfähigkeit und sollen das Immun­system stärken.

Wie der Name der Pflanze vermuten lässt, stammt die Taigawurzel aus Nordostasien, vor allem aus der ostsibirischen Taiga. Ihr Verbreitungsgebiet erstreckt sich bis Japan und zur ­Insel Sachalin, bis nach Südkorea und in die Nordprovinzen Chinas.

Die Borstige Taigawurzel (Eleutherococcuc senticosus) gehört wie der ­Echte Ginseng zur Familie der Efeugewächse (Araliaceae). Der schmale, sommer­grüne Strauch erreicht Wuchshöhen von maximal sieben Metern. Die lateinische Artbezeichnung »senticosus« = dornenreich verweist auf die nadelförmigen, verholzten Stachelborsten an den Zweigen. Auch der Stiel der Laubblätter ist fein bestachelt. Die ovalen Blättchen sind handförmig geteilt und am Rand gezähnt. Die kleinen gelb­lichen (weiblichen) oder blau­violetten (männlichen) Blüten der zweihäusigen Pflanze stehen in ein­fachen Dolden. Im Herbst reifen sie zu schwarzen Beerenfrüchten heran. Wegen ihres Aussehens heißt die Pflanze im Volksmund auch »Borstige Fingeraralie« oder »Teufelsbusch«. Die ebenfalls üblichen Namen »Sibirischer Ginseng« oder »Stachel­panax« verweisen auf ihr Wirkprofil, das dem des Echten Ginsengs (Panax Ginseng) sehr ähnlich ist.

Einsatz bei Astronauten

Während die Taigawurzel bereits seit Jahrtausenden fester Bestandteil der asiatischen Volksheilkunde ist, hat die westliche Medizin sie erst vor wenigen Jahrzehnten entdeckt. Einer Legende zufolge sollen schon die Lappen beobachtet haben, dass Rentiere, die von der Taigawurzel fraßen, den nordischen Winter kräftiger überstanden als Tiere, die die Wurzel mieden. Die intensive wissenschaftliche Erforschung der Taigawurzel begann erst zu Beginn der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts: Vor allem Wissenschaftler der ehemaligen Sowjet­union prüften Eleutherococcus auf seine Tauglichkeit als Ersatzdroge für den teuren und in Russland knappen Ginseng.

Russische Cola

Die weltweit vermutlich einzige ­Limonade mit Taigawurzelextrakt ist seit einiger Zeit auch in Deutschland unter dem Namen »Wostok-Tannenwald« im Handel. Wostok-Tannenwald ist die modernisierte Version des Sowjetischen Erfrischungs­getränkes »Baikal«, das im Jahr 1973 von einem wissenschaftlichen Institut in Moskau entwickelt wurde, quasi als russische Antwort auf die amerikanische Cola. »Wostok« bedeutet auf Russisch »der Osten« und war der Name des Sowjetischen Raumfahrtprogrammes, mit dem Juri Gagarin als erster Mensch in den Weltraum geschickt wurde. Wostok-Tannenwald enthält außer der Taigawurzel noch Fichtennadelöl – eine nicht unbedingt für Limonade typische Kombination.

So bestätigten sie beispielsweise eine positive Wirkung bei Fabrikarbeitern, die Taigawurzeln zu sich nahmen: Deren Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit waren signifikant erhöht und die Fehlleistungen derjenigen, die besonders schwierige Aufgaben bewältigen mussten, gingen deutlich zurück. Die Russen verordneten sogar ihren Astronauten die Taigawurzel, damit diese ihre schwierige Mission besser bewältigen konnten. Russische Sportler, die an der Olympiade im Jahr 1984 teilnahmen, sollten von der leistungssteigernden Wirkung der Wurzel profitieren. Nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl wurde sie an tausende Ukrainer und Russen verteilt, um Strahlenschäden vorzubeugen.

Seit etwa 1975 wird die Droge unter der Bezeichnung »Sibirischer Ginseng« oder »Taigawurzel« als Stärkungs- und Kräftigungsmittel auch in den west­lichen Ländern gehandelt.

Ausfuhr früher verboten

Zu Heilzwecken wird nur das Rhizom mit den anhängenden Wurzeln verwendet. Der Durchmesser des Wurzelstocks liegt zwischen 1,5 bis 4 Zentimetern. Die zahlreichen abgehenden Wurzeln sind bis zu 15 Zentimeter lang. Die sechste Ausgabe des Europäischen Arzneibuchs (Ph.Eur.6.0) führt die Monographie »Eleutherococci radix – Taigawurzel«. Danach besteht die Droge aus den getrockneten Wurzeln und/oder Wurzelstock von Eleutherococcus senticosus RUPRECHT et MAXIMOVICH. Sie stammt aus überaus reichlichen Wildvorkommen in China, Korea und Russland. Zur Zeit der Sowjetunion war es verboten, die Droge auszuführen, erlaubt war nur die Ausfuhr alkoholischer Extrakte.

Die Hauptinhaltsstoffe der Wurzel werden unter der Bezeichnung »Eleutheroside« zusammengefasst. Diese Substanzgruppe ist weder für die Wurzel­droge besonders charakteristisch, noch ist sie einheitlich zusammengesetzt, denn die Verbindungen gehören ganz unterschiedlichen Stoffklassen an. Dazu zählen unter anderem Lignane, Cumarine, Phenylpropane, Saponine, Sterole und Zucker. Aufgrund dieser Tatsache fordern Wissenschaftler, den Begriff »Eleutheroside« nicht mehr zu verwenden, da dieser den Eindruck einer einheitlichen Stoffgruppe erwecke. Ob die bislang bekannten Inhaltsstoffe – einzeln oder in Kombination – für die Wirkungen der Droge verantwortlich sind, ist bisher nicht eindeutig geklärt.

Da die meisten Drogenchargen aus ­Mischungen verschiedener Species bestehen, bereitet es Schwierigkeiten, alle in einer Monographie analytisch zu erfassen. Laut Ergebnisprotokoll der 54. Beratung des Ausschusses für Pharmazeutische Biologie der Deutschen Arzneibuch-Kommission vom 12. Feb­ruar 2016 bleibt daher die Monographie über die Taigawurzel weiter in Bearbeitung.

Gut verträglich

Ähnlich wie Ginseng soll die Taigawurzel die unspezifische Immunabwehr stärken und die kognitiven Leistungen verbessern, also die Fähigkeit des Gehirns wie lernen, erinnern und wahrnehmen. Außerdem soll sie die Widerstandskraft gegenüber hohen Leistungsanforderungen oder körperlichen Belastungen wie Kälte, Hitze oder toxischen Einflüssen, zum Beispiel durch eine Strahlentherapie, erhöhen. Diese Effekte werden auch als adaptogene Wirkung bezeichnet (siehe Kasten).

Aufgrund zahlreicher klinischer, vorwiegend russischer Studien bewertet auch die Kommission E des ehe­maligen Bundesgesundheitsamtes Eleutherococci radix positiv. Sie empfiehlt die Droge »als Tonikum zur Stärkung und Kräftigung bei Müdigkeits- und Schwächegefühl, nachlassender Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit sowie in der Rekonvaleszenz«. Genau über diese Beschwerden klagen heute viele Senioren. Deshalb sind die gut verträglichen Eleuthercoccus-Präparate gerade für ältere Patienten eine sinnvolle Em­pfehlung, die sie zusätzlich zu den verordneten Medikamenten einnehmen können.

Bei gesunden Probanden stellten Forscher nach Gabe eines Fluidextraktes eine Erhöhung der T-Lymphozyten-Zahl fest. Daraus lässt sich eine Stimulation des Immunsystems ableiten. Möglicherweise hilft die Taigawurzel auch, Infektionen mit Viren zu verhindern. Traditionell wird sie bei Erkältungen, Bronchitis und Grippe eingenommen. Noch fehlen aussagekräftige Studien, um die Wirksamkeit bei diesen Erkrankungen zu belegen.

Die Anwendung der Droge als Tee ist wenig gebräuchlich. Die im Handel angebotenen Fertigpräparate enthalten standardisierte Extrakte wie in Eleutherococcus-Kapseln N oder Eleu Curarina® Tropfen.

Taigawurzel ist gut verträglich, Nebenwirkungen sind nicht bekannt. Da für Schwangere, Stillende und Kinder unter zwölf Jahren keine Untersuchungen zur Unbedenklichkeit vorliegen, sollten diese auf die Anwendung verzichten. Auch für Patienten mit Bluthochdruck sind sie nicht geeignet. ­Derzeit fehlen Studien zur Langzeit­anwendung, daher sollte niemand Taigawurzel-Präparate länger als drei Monate einnehmen. Bei Bedarf ist die erneute Anwendung nach einer Pause von einem Monat möglich. /

Definition der Adaptogene

Der russische Forscher, Toxikologe und Pharmakologe Nicolai Vasilevich Lazarev hat den Begriff im Jahr 1958 geprägt. Adaptogen ist eine alternativmedizinische Bezeichnung für pflanzliche Zubereitungen und Drogen, die dem Organismus helfen sollen, sich an Stresssituationen anzupassen, und einen positiven Effekt bei Stress-induzierten Krankheiten ausüben. Der Körper beziehungsweise das Immunsystem soll an den Stress angepasst, also adaptiert werden.

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