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Gicht

Auch ein tierisches Problem

Datum 14.11.2017  10:51 Uhr

Von Carina Steyer / Reptilien, Amphibien und Vögel können – wie der Mensch – von schmerzhaften Gichtanfällen betroffen sein. Da sie ihr Leid jedoch kaum äußern können, ist die besondere Aufmerksamkeit des Halters gefragt.

Ein Gichtanfall entsteht bei Tieren wie bei den Menschen. Steigt die Konzen­tration der Harnsäure im Blut stark an, können sich Harnsäurekristalle in Organen, Geweben und Gelenken ab­lagern und dort eine Entzündungsreaktion auslösen.

Schon die Dinosaurier sollen unter der schmerzhaften Stoffwechsel­erkrankung gelitten haben. Das zeigen typische Knochenveränderungen an gefundenen Fossilien. Heute erkranken neben dem Menschen und einigen höhe­ren Affenarten vor allem Repti­lien, Vögel und Amphibien an Gicht. Die meisten Säugetiere besitzen einen natürlichen Schutzfaktor, das Enzym Uricase. Es bewirkt, dass Harnsäure zum leicht wasserlöslichen Allantoin abgebaut wird, welches problemlos ausgeschieden werden kann. Fische bauen sogar Allantoin noch weiter ab. Gichtempfindliche Tierarten haben die Funktion des Uricase-Gens genau wie der Mensch im Laufe der Evolu­tion verloren.

Falsche Haltung

Meist wird die Erkrankung bei Haustieren von Nierenerkrankungen oder Haltungs- und/oder Fütterungsfehlern ver­ursacht. Damit wäre die Gicht in vielen Fällen vermeidbar. Die aus der Humanmedizin bekannte genetisch bedingte Gicht (primäre Gicht) wurde bei Tieren bisher nicht beobachtet.

Reptilien und Amphibien reagieren äußerst empfindlich auf Wassermangel. Dieser gilt als eine der Hauptursachen der Gicht etwa bei Schildkröten und Schlangen. Oft sind unerfahrene Halter und falsche Lebensbedingungen schuld daran, wie das Beispiel der beliebten Terrarientiere Grüner Baum­python und Chamäleon zeigt. Beide Tiere sind in freier Wildbahn Baumbewohner, die bei extrem hoher Luftfeuchtigkeit leben. Ihrem natürlichen Verhalten folgend, trinken die Tiere auch im Terrarium gerne Wasser, das von Blättern abperlt. Technisch ist es jedoch kaum möglich, die Luftfeuchtigkeit dort so hoch zu halten, dass die abperlende Wassermenge ausreicht, um den Flüssigkeitshaushalt der Tiere zu decken. Plant der Halter in der Terrarien­gestaltung keine alternative Wasserquelle ein, kann ein Wassermangel und als Folge eine Gichterkrankung entstehen.

Ein Wassermangel entsteht aber nicht nur durch unzureichenden Zugang zu frischem Trinkwasser. Er kann auch durch eine zu trockene oder zu kalte Haltung entstehen. Ist zum Beispiel die Temperatur während der Winterruhe zu niedrig, reduzieren die Tiere ihren Stoffwechsel so stark, dass sie voll­ständig inaktiv werden. Über Wochen bis Monate nehmen sie dann keine Flüssigkeit auf. Problematisch ist auch, wenn Reptilien in Winterruhe auf trockenem Substrat und ohne Zugang zu frischem Trinkwasser gehalten werden.

Richtig füttern

Neben Haltungsfehlern spielt auch falsches Füttern bei der Entstehung der Gicht eine wichtige Rolle. Bis heute kursiert etwa der Tipp, Landschildkröten, die sich eigentlich überwiegend vegetarisch ernähren, mit Hunde- oder Katzenfutter zu füttern. Tierärzte warnen: Selbst wenn das Tier nur einmal wöchentlich damit gefüttert wird, steigt der Harnsäurespiegel deutlich an. Das ungeeignete Futter überlastet die Ausscheidungsfähigkeit der Tiere und macht die Entwicklung einer Gicht wahrscheinlich. Anders bei fleisch­fressenden Reptilien: Bei ihnen ist die Rolle der Ernährung in der Gicht­entwicklung bisher nicht ganz klar. Experimente mit Alligatoren haben zwar gezeigt, dass sich die Harnsäureausscheidung nach purinreicher Fütterung mit Kaninchenfleisch nicht von der nach purinfreier Fütterung mit Gela­tine unterscheidet. Viele Veterinärmediziner nehmen aber dennoch an, dass die Ernährung einen Einfluss auf die Stoffwechselstörung hat.

Auch Erkrankungen, die die Ausscheidungsfähigkeit der Nieren herabsetzen, können eine Gicht auslösen. Bei Reptilien etwa treten häufig Ent­zündungen auf, ausgelöst von Bakterien der Gattung Aeromonas oder von Dickdarmparasiten. Stark nierenschädigend sind außerdem Medikamente wie das Antibiotikum Gentamicin, einige Penicilline sowie Diuretika und Frostschutzmittel.

Vögel reagieren besonders em­pfindlich auf einen Vitamin-A-Mangel. Dieser bewirkt eine Ausscheidungs­störung der Niere und gilt als Haupt­ursache der Gicht bei Vögeln. Gefördert wird die Erkrankung zusätzlich durch Wassermangel, zu eiweiß- und fetthaltiges Futter, giftige Substanzen und Medikamente.

Zwei Formen

Die von Gicht betroffenen Haustiere haben in der Regel keinen engen Kontakt zu Menschen und können Schmerzen nicht mitteilen. Der Halter sollte daher das Verhalten seines Tieres langfristig beobachten, um Veränderungen frühzeitig wahrzunehmen.

Tierärzte unterscheiden bei Rep­tilien, Amphibien und Vögeln zwei Formen der Gicht: die Eingeweidegicht (Viszeralgicht) und die Gelenkgicht. Bei Schlangen und Echsen lagern sich die Harnsäurekristalle meist in Organen und se­rösen Häuten ab, bei Schildkröten kristallisieren die Urate häufiger in Gelenken und Sehnenscheiden aus. Vögel können von beiden Formen betroffen sein.

Eindeutige Symptome zeigen die betroffenen Tiere meist nicht. An­zeichen, die auf eine Gicht hinweisen können und eine tierärztliche Ab­klärung erforderlich machen, sind träge oder reduzierte Bewegung, Lauf­beschwerden, Verdickung der Gelenke, Fressunlust, Abmagerung sowie Apathie. Bei Schlangen zeigen sich manchmal weiße punktförmige Flecken auf der Mundschleimhaut. Vögel mit Gelenk­gicht haben oft warme und geschwollene Füße. Um sie zu entlasten, legen sich die Tiere auf den Bauch oder stehen, falls nur ein Fuß betroffen ist, permanent auf dem gesunden Fuß. Die Eingeweidegicht verursacht bei Vögeln meist keine offensichtlichen Beschwerden. Sie kann allerdings zum plötz­lichen Tod des Tieres führen.

Zur Diagnose wird der Tierarzt das Blut des Tieres auf Harnsäure unter­suchen. Die Gelenkgicht lässt sich aber vor allem bei Vögeln auch durch visuelle Inspektion und Abtasten gut er­kennen. Um eine Eingeweidegicht eindeutig nachzuweisen, ist in der Regel eine endoskopische Untersuchung notwen­dig. Ob dies sinnvoll ist, entscheidet der Tierarzt je nach Zustand des Tieres. Erst später, wenn die Gicht fortgeschritten ist, sind Harnsäure­ablagerungen auch im Ultraschall oder auf dem Röntgenbild sichtbar.

Eine vollständige Heilung der Gicht ist in den meisten Fällen nicht möglich. Wird die Erkrankung jedoch rechtzeitig erkannt, kann ihr Fortschreiten gestoppt werden. Eine Ausnahme ist die Eingeweidegicht bei Vögeln. Aufgrund der fehlenden Symptomatik wird sie meist erst diagnostiziert, wenn das Tier bereits verstorben ist. An Gelenkgicht erkrankte Vögel erhalten Colchicin oder Allopurinol sowie Vitamin-A- und Vitamin-B12-Präparate. Auch der Einsatz einer­ speziellen Elektrolyt-Lösung (Tyrode-Lösung) hat sich bei Vögeln bewährt. Zusätzlich wird die Nahrung auf ein Diätfutter mit einem reduzierten Proteingehalt umgestellt.

Kontrolle der Proteinzufuhr

Über die Therapierbarkeit der Gicht bei Amphibien ist nur wenig bekannt. In erster Linie wird versucht, die Haltungsbedingungen der Tiere zu ver­bessern. Dies ist auch die Voraus­setzung für das therapeutische Ein­greifen. Bei Reptilien muss die Proteinzufuhr über das Futter kontrolliert und gegebenenfalls reduziert werden. Über das Trinkwasser erhalten die Tiere Tyrode-Lösung, die alternativ auch direkt in den Mund gegeben werden kann. Die medikamentöse Behandlung erfolgt mit Allopurinol, gegen Schmerzen werden Analgetika verabreicht.

Doch nicht immer ist die Erkrankung behandelbar: Bei hohen Harnsäure­werten und einer klinisch manifesten Gicht ist in der Regel kein Therapierfolg mehr zu erwarten. Veterinärmediziner empfehlen deshalb, stark beeinträchtigte Tiere, die kein artgerechtes Leben mehr führen können, einzuschläfern. /

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