Austausch bei Engpass – was geht, was geht nicht? |
Juliane Brüggen |
01.08.2023 14:00 Uhr |
Im Wust der vertraglichen und gesetzlichen Regelungen zur Rezeptbelieferung ist es manchmal nicht einfach, den Überblick zu behalten. / Foto: Getty Images/Sergio Mendoza Hochmann
Die wohl relevantesten Änderungen bestehen darin, dass der Bezug zu vorrätigen Arzneimitteln wegfällt, ebenso wie die Möglichkeit zum Aut-simile-Austausch nach Rücksprache mit einem Arzt. Festgelegt sind die ab August 2023 geltenden Regeln in § 129 Abs. 2a Sozialgesetzbuch V (SGB V) und in § 17 Abs. 5b Apothekenbetriebsordnung, damit sie auch Privatversicherte einschließen.
Während Apotheken bislang ein vorrätiges wirkstoffgleiches Arzneimittel abgeben durften, wenn das abzugebende Arzneimittel nicht vorrätig oder nicht lieferbar war, ist nun allein die Lieferbarkeit ausschlaggebend. Im Detail heißt es, dass Apotheken abweichend von den gesetzlich und vertraglich vereinbarten Abgaberegeln (SGB V, Rahmenvertrag) ein verfügbares wirkstoffgleiches Arzneimittel abgeben dürfen, wenn das nach Maßgabe des Rahmenvertrages abzugebende Arzneimittel nicht lieferbar ist. Erhalten bleibt die Regelung, dass Apothekenmitarbeitende ohne Rücksprache mit dem Arzt in folgenden Punkten von der Verordnung abweichen dürfen, sofern die verordnete Gesamtmenge des Wirkstoffs nicht überschritten wird:
Neu ist, dass Apotheken 50 Cent zuzüglich Mehrwertsteuer erhalten, wenn sie von den Regeln des neuen § 129 Abs. 2a SGB V Gebrauch machen. Die Details dazu werden aktuell vereinbart.
Eine Nichtverfügbarkeit liegt laut § 129 Abs. 2a SGB V vor, wenn das Arzneimittel nicht in angemessener Zeit beschafft werden kann. Zum Nachweis braucht es zwei negative Verfügbarkeitsanfragen bei zwei Großhandlungen. Wird die Apotheke nur von einem Großhandel beliefert, reicht eine Anfrage aus.
Ein Aut-simile-Austausch ist nach den neuen Regeln nicht mehr vorgesehen. Bisher war es mit entsprechender Dokumentation auf dem Rezept möglich, nach Rücksprache mit dem Arzt ein pharmakologisch-therapeutisch vergleichbares Arzneimittel abzugeben, wenn weder das abzugebende Arzneimittel noch eine wirkstoffgleiche Alternative lieferbar waren – auch bei gesetztem Aut-idem-Kreuz. Nun braucht es in diesem Fall ein neues Rezept oder eine Rezeptänderung durch den Arzt. Gleiches gilt bei Arzneimitteln der Substitutionsausschlussliste.
Mit dem Gesetz wurde außerdem beschlossen, dass Patienten, wenn sie aufgrund von Nichtverfügbarkeit mehrere kleine Packungen oder Teilmengen aus einer Packung erhalten, nur die Zuzahlung der verordneten Packung übernehmen müssen. Da die Softwarehäuser dies zunächst technisch umsetzen müssen, tritt die Regelung erst im Februar 2024 in Kraft. Bislang tragen Patienten die Zuzahlung pro tatsächlich abgegebener Packung.
Situation | Bis 31. Juli 2023 | Ab 1. August 2023 |
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Das auf Grundlage der Verordnung abzugebende Arzneimittel ist in der Apotheke nicht vorrätig. | Die Abgabe eines in der Apotheke vorrätigen wirkstoffgleichen Arzneimittels ist erlaubt. Ohne Arztrücksprache dürfen Apotheken in Packungsgröße, -anzahl und Wirkstärke von der Verordnung abweichen, sofern die verordnete Wirkstoffmenge nicht überschritten wird. Die Abgabe von Teilmengen ist möglich, wenn die verordnete Packungsgröße nicht lieferbar ist. | Fällt weg → Lieferbarkeit ist relevant |
Das auf Grundlage der Verordnung beziehungsweise nach Maßgabe des Rahmenvertrags abzugebende Arzneimittel ist nicht lieferbar.* | Abweichend von den bestehenden Abgaberegeln (§ 129 Abs. 1 Satz 1–5, 8 SGB V und Rahmenvertrag) ist die Abgabe eines verfügbaren wirkstoffgleichen Arzneimittels zulässig. Ohne Arztrücksprache dürfen Apotheken in Packungsgröße, -anzahl und Wirkstärke von der Verordnung abweichen, sofern die verordnete Wirkstoffmenge nicht überschritten wird. Die Abgabe von Teilmengen ist möglich, wenn die verordnete Packungsgröße nicht lieferbar ist. | Abweichend von den bestehenden Abgaberegeln (§ 129 Abs. 1 Satz 1–5, 8 SGB V und Rahmenvertrag) ist die Abgabe eines verfügbaren wirkstoffgleichen Arzneimittels zulässig. Ohne Arztrücksprache dürfen Apotheken in Packungsgröße, -anzahl und Wirkstärke von der Verordnung abweichen, sofern die verordnete Wirkstoffmenge nicht überschritten wird. Die Abgabe von Teilmengen ist möglich, wenn die verordnete Packungsgröße nicht lieferbar ist. |
Weder das auf Grundlage der Verordnung abzugebende noch ein wirkstoffgleiches Arzneimittel ist vorrätig oder lieferbar. | Der Aut-simile-Austausch ist in Rücksprache mit dem Arzt möglich, auch bei gesetztem Aut-idem-Kreuz, Dokumentation auf Rezept | Fällt weg → Rezeptänderung durch den Arzt oder Neuausstellung |
Bei den Ersatzkassen bleiben die bundesweit geltenden Sonderregeln bei Versorgungsengpässen bis zum 30. September 2023 bestehen. Das beinhaltet unter anderem die Übernahme von Mehrkosten, Abgabe von Einzelimporten nach § 73 Arzneimittelgesetz ohne Vorabgenehmigung und die Herstellung von Rezepturen als Alternative.