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Langer Weg zur Diagnose

Autoimmune Hepatitis bleibt oft unbemerkt

Wenn das eigene Immunsystem die Leber angreift, kann das lange unbemerkt bleiben. Unbehandelt verläuft die Erkrankung oft tödlich. Bei früher Diagnose ist die Prognose indes gut.
Nicole Schuster
27.07.2022  12:00 Uhr

Bei einer chronischen Hepatitis sind Alkoholmissbrauch und Virusinfektionen die üblichen Verdächtigen. Bei etwa 10 bis 20 Prozent der Patienten ist jedoch das eigene Immunsystem für die Leberschädigung verantwortlich. Die Autoimmune Hepatitis (AIH) betrifft etwa 10 bis 30 von 100.000 Menschen in Europa, wobei der Frauenanteil unter den Betroffenen bei circa 80 Prozent liegt. Die genaue Prävalenz ist unklar, da die AIH oft symptomlos verläuft und lange unbemerkt bleiben kann. Viele Patienten sind multimorbid und leiden auch an anderen Autoimmunerkrankungen wie der Hashimoto-Thyreoiditis, der rheumatoiden Arthritis oder dem Sjögren-Syndrom.

Bei der AIH erkennt das Immunsystem die körpereigenen Leberzellen als fremd und greift sie mit sogenannten Autoantikörpern an. Akute oder chronische Hepatitiden sind die Folge. Die Erkrankung schreitet unbehandelt bis zur Leberzirrhose fort. Die Leberzirrhose ist ein irreversibles Stadium und ist bei etwa der Hälfte der Betroffenen bereits innerhalb von 15 Jahren nach Krankheitsbeginn erreicht. Auf dem Weg zur Zirrhose büßt das Organ durch die zunehmende Vernarbung fortlaufend an funktionsfähigem Gewebe ein, bis es schließlich versagt. Im Endstadium der AIH kann nur noch eine Lebertransplantation das Leben der Patienten retten. Durch die Erkrankung steigt auch das Risiko für Leberkrebs. Warum das Immunsystem die Leber bei einigen Menschen attackiert, ist unklar. Möglicherweise liegt eine genetische Prädisposition vor. Trigger wie virale und bakterielle Infektionen, Medikamente oder Toxine könnten zusammen mit einer gestörten Immuntoleranz die AIH ausbrechen lassen.

Unspezifische Symptome erschweren Diagnose

Bei einem Teil der Patienten verursacht die Krankheit zunächst keine oder kaum Beschwerden. Es können unspezifische Symptome wie Abgeschlagenheit, Müdigkeit, Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen oder ein Druckgefühl im rechten Oberbauch auftreten. Die AIH kann sich aber auch als akute Hepatitis mit ikterischem Verlauf äußern. Typische Zeichen sind eine Gelbfärbung der Haut und Augen (Gelbsucht), heller Stuhl, dunkler Urin und Juckreiz. Kommt die Leber ihren Aufgaben nicht mehr ausreichend nach, macht sich das auch mit Störungen des Stoffwechsels, der Blutgerinnung und des Hormonhaushaltes bemerkbar. Bei Frauen kann infolge von hormonellen Veränderungen die Regelblutung ausbleiben (Amenorrhoe).

Eine symptomlose AIH ist oftmals ein Zufallsbefund. Bei Routineuntersuchungen können erhöhte Werte der Aminotransferasen (AST, ALT) auffallen und den Arzt zu weiteren Untersuchungen veranlassen. Andere Patienten suchen ärztlichen Rat, weil sie sich plötzlich und ohne offensichtlichen Grund schlechter fühlen. Die Diagnose der AIH ist komplex und erfolgt am besten durch einen erfahrenen Facharzt. Zunächst müssen virale Ursachen ausgeschlossen werden. Entzündungswerte, die Höhe von Antikörpern vom Typ Immunglobulin-G (IgG) im Blut sowie Autoantikörper, die gegen Leberzellen gerichtet sind, geben Hinweise auf die Erkrankung. Anhand des Antikörperspektrums unterscheiden Ärzte zwei Typen: AIH Typ 1 (früher als lupoide Hepatitis bezeichnet) liegt in der überwiegenden Anzahl der Fälle vor und tritt gehäuft im Alter von 20 bis 40 Jahren auf. Die Patienten sprechen meist gut auf eine medikamentöse Therapie an. In rund 10 Prozent der Fälle diagnostizieren Ärzte AIH Typ 2. Dieser Typ manifestiert sich in der Regel bereits in der Kindheit oder Jugend und seine Symptome ähneln einer akuten Hepatitis. Die Prognose ist schlechter. Vier Fünftel der Patienten entwickeln im Lauf ihres Lebens eine Zirrhose. Manche Experten unterscheiden noch einen Typ 3, der Typ 1 ähnelt.

Biopsie nötig

Zu beachten ist, dass der Nachweis von Autoantikörpern allein noch keine AIH beweist, da die Antikörper auch bei anderen Erkrankungen erhöht sein können. Für eine endgültige Diagnose kommen Patienten meistens nicht um eine Biopsie herum. An der Gewebeprobe kann der Arzt auch erkennen, ob und wie viel Lebergewebe bereits fibrosiert und wie stark die entzündliche Aktivität ist. Bei unklaren Befunden kann eine testweise Gabe von Glucocorticoiden Hinweise geben. Spricht der Patient auf die Immunsuppressiva an, liegt wahrscheinlich eine AIH vor. Gemäß der Leitlinie »Autoimmune Lebererkrankungen« ist bei neu diagnostizierter AIH auch die Bestimmung des Thyreoidea-stimulierenden Hormons (TSH) indiziert, um eine Autoimmun-Thyreoiditis zu erkennen.

Der AIH-Score, den die »International Autoimmune Hepatitis Group« 1999 für Forschungszwecke entwickelt hat, kann in schwierigen Fällen bei der Diagnose und bei der Wahl der Therapie unterstützen. Für die tägliche Praxis steht ein vereinfachter Score zur Verfügung, der nur die folgenden vier Punkte beinhaltet: den Nachweis spezifischer Autoantikörper, erhöhte Gammaglobuline im Serum, eine spezifische Histologie und die Abwesenheit einer viralen Hepatitis.

Langer Atem bei der Therapie

Die AIH ist nicht heilbar. Medikamentös lässt sich allerdings verhindern, dass immer mehr Lebergewebe zerstört wird. Bei einer Remission normalisieren sich IgG und die Aminotransferasen. Mittel der Wahl sind Immunsuppressiva. Sie fahren das körpereigene Immunsystem herunter, sodass es die Leberzellen nicht mehr attackieren kann. Als Standardbehandlung gilt die Kombination aus Predniso(lo)n und Azathioprin. Die Kombinationstherapie hat den Vorteil, dass die Dosis an Glucocorticoiden niedriger ausfallen kann. Geringere Nebenwirkungen durch das Glucocorticoid verbessern auch die Compliance der Patienten. Zunächst initiiert der Arzt die Therapie mit Predniso(lo)n (40 bis 60 mg Prednisolon pro Tag). Nach zwei Wochen erfolgt eine schrittweise Dosisreduktion um 10 mg pro Woche. Die Azathioprin-Therapie beginnt in der Regel mit einer Dosis von 1 bis 2 mg/kg/Tag. Als Erhaltungstherapie nehmen Patienten Azathioprin 1 mg/kg/Tag und 2,5 bis 10 mg Prednisolon peroral täglich. Nach einjähriger Kombinationstherapie kann Azathioprin allein ausreichen, um die Remission zu erhalten. Bei Patienten, die nicht auf Predniso(lo)n ansprechen, ist Budesonid eine Alternative. Es hat den Vorteil, dass es wegen eines hohen hepatischen First-Pass-Effekts niedrigere systemische Glucocorticoidspiegel und somit auch weniger Nebenwirkungen mit sich bringt. Der Einsatz kann auch zur Erhaltungstherapie erwogen werden, wenn ein besonderes Risiko für steroidbedingte Nebenwirkungen besteht. Voraussetzung für die Gabe ist allerdings, dass der Patient noch keine Zirrhose hat.

Ersatzoptionen

Menschen mit AIH müssen sich auf eine langfristige, meist dauerhafte Pharmakotherapie einstellen. Ganz absetzen können nur wenige Patienten die Medikamente, bei den meisten flammt dann die Entzündung wieder auf. Bei langfristiger Steroidtherapie empfehlen die Autoren der Leitlinie eine begleitende Prophylaxe gegen Osteoporose. Azathioprin kann das Blutbild verändern, auch ist eine potenzielle Hepatotoxizität zu bedenken. Bei den regelmäßigen Kontrollen schaut sich der Arzt den Krankheitsverlauf an, um bei Verschlechterungen  frühzeitig eingreifen zu können. Bei einer rechtzeitigen Diagnose und konsequenten Behandlung ist die Langzeitprognose der Patienten gut und sie können mit einer nahezu normalen Lebenserwartung rechnen.

Einige Betroffene sprechen auf die Standardtherapie allerdings nicht an. In diesen Fällen kann der Arzt weitere, weniger gut erprobte und nicht für diese Indikation zugelassene Medikamente aus der Transplantationsmedizin testen wie Ciclosporin, Tacrolimus oder Mycofenolat-Mofetil. Bei völligem Therapieversagen droht Leberversagen und eine Organtransplantation ist die letzte Therapieoption. 

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