Bakterium dreht Pflanzen den Saft ab |
Ein trauriges Bild zeigt sich seit etwa zehn Jahren am südlichsten Zipfel Italiens: tote Olivenbäume en masse. / Foto: Getty Images/Luca Capelli
Xylella fastidiosa gilt als einer der gefährlichsten Schädlinge weltweit und verursacht an einer Vielzahl von Pflanzen Krankheiten mit enormen ökonomischen Auswirkungen. Das Bakterium zeigt eine große genotypische und phänotypische Vielfalt und besitzt mit an die 600 Pflanzenarten einen sehr großen Wirtspflanzenkreis. Darunter sind wichtige Kulturarten wie Weinrebe, Kirsche, Mandel, Pfirsich oder Olive, aber auch Zierpflanzen wie Oleander genauso wie die Waldbäume Ahorn, Platane und Eiche. Bisher wurden sechs Unterarten von Xylella fastidiosa beschrieben, die sich bezüglich ihrer Verbreitung stark voneinander unterscheiden und die zum Teil die gleichen Wirtspflanzen infizieren können.
In Europa trat das gramnegative Bakterium erstmals 2013 in Erscheinung. Im Süden Italiens, in der Region des Salento, welkten damals massenhaft Olivenhaine vor sich hin und starben letztendlich ab. Xylella-Herde in anderen Varianten und mit wesentlich geringeren Auswirkungen auf den Olivenbestand sind seither auch in anderen italienischen Regionen sowie in Frankreich, Spanien und Portugal vorgekommen. In Deutschland fand sich das Bakterium bisher einmalig isoliert im Jahr 2016 in Sachsen. Nach umfassenden Erhebungen und Bekämpfungsmaßnahmen wurde der Erreger hierzulande nicht erneut nachgewiesen und gilt daher als getilgt.
Die Schäden, die das Bakterium damals in Süditalien anrichtete, sind nach wie vor weithin sichtbar und nur in Ansätzen behoben. Der Infektionsherd rund um die Ortschaft Gallipoli wurde sukzessive größer, auch wenn in den vergangenen Jahren die Geschwindigkeit, mit der sich die Olivenbaum-Infektion Richtung Norden ausbreitet, langsamer geworden ist. Waren vor elf Jahren 8000 Hektar von dem Pflanzenschädling befallen, sind es mit 8000 Quadratkilometern derzeit hundertmal so viel. Schätzungsweise 10 bis 15 Millionen Bäume sind bislang tödlich erkrankt. Die wirtschaftlichen Schäden übersteigen mehrere Milliarden Euro – kein Olivenöl hat so viele Auszeichnungen wie das aus Apulien.
Wie geht Xylella fastidiosa vor? Der auch Feuerbakterium genannte Erreger nistet sich im Xylem, also dem Leitgewebe des Stamms, der Blattstiele und Blätter, seiner Wirtspflanze ein. Der sich entwickelnde Biofilm behindert den Fluss von Wasser und Nährstoffen durch die Leitungsbahnen. Ein infizierter Baum verdurstet, weil über die Wurzeln kein Wassertransport mehr möglich ist. Infizierte Olivenbäume lassen sich durch deutliches Welken der Krone erkennen. Dabei verfärben sich die Blätter gelegentlich gelb, manchmal braun, rollen sich ein und vertrocknen schließlich. Oft bleiben die Blätter an den Zweigen hängen. Der Baum vertrocknet.
Die Unterart Xylella fastidiosa pauca, die im Salento grassiert, war bis vor elf Jahren nur auf dem amerikanischen Kontinent bekannt. Vermutlich ist sie über eine Kaffeepflanze aus Costa Rica über den Rotterdamer Hafen nach Apulien eingeführt worden. Um sich verbreiten zu können, nutzt das Bakterium pflanzensaftsaugende Insekten als Überträger. In Apulien ist es die Wiesenschaumzikade Philaenus spumarius, die beim Saugen am Olivenbaum das Bakterium hinterlässt. Die italienische Bezeichnung »Sputacchina« – in Anlehnung an das Wort sputo für Spucke – kommt nicht von ungefähr: Die Eier der Zikade werden mit ordentlich Schaum eingelullt.
Die Wiesenschaumzikade ist offiziell das gefräßigste Insekt weltweit. Einer in der Fachzeitschrift »PLOS One« Ende letzten Jahres veröffentlichten Studie zufolge stehen 1311 Pflanzenspezies aus 117 verschiedenen Familien auf dem Speiseplan des xylemsaugenden Insekts, mehr als das Doppelte fast jeder anderen Insektenart. Die Wiesenschaumzikade passt sich an fast jedes Klima an und ist zwischen Hawaii und dem südlichen Polarkreis allerorts zu finden.
Seither kämpfen die Olivenbauern um das Überleben ihrer Heimat und ihres wichtigen Wirtschaftszweiges. Die einschneidendste Maßnahme war sicherlich das Fällen komplett zerstörter Bäume. Nicht alle waren von Anfang an von diesem drastischen Vorgehen überzeugt, so wie es eine von der EU vorgesehene Rodungsvorschrift vorsieht, um die Ausbreitung des Bakteriums einzudämmen. Mittlerweile hat man verschiedene Ideen und Strategien entwickelt, um dem Baumsterben Einhalt zu gebieten. Pestizide helfen jedenfalls nicht.
So wurden zum Schutz gesunder Bäume Eindämmungs- und Pufferzonen – wo die Krankheit zwar ausgebrochen ist, die Bäume aber zum Teil noch vital sind – errichtet. Landwirte setzen im Kampf gegen die Krankheit auch auf Spürhunde, die darauf trainiert sind, infizierte Pflanzen zu erschnüffeln, etwa beim Zoll oder in Gewächshäusern.
Ein konkreter Therapieansatz besteht in der Verabreichung einer »immunstärkenden« bioaktiven kommerziellen Infusionslösung bei Bäumen, die zwar infiziert, aber noch nicht vertrocknet sind. Die Lösung, bestehend aus Kupfer, Zink und unter anderem Zitronensäure, wird über eine 3-D-gedruckte Nadel aufwendig in die Hauptadern der Bäume gelegt. Dadurch werde das Xylem peu à peu freier, heißt es auf der Website des Herstellerunternehmens, eines amerikanischen Start-ups namens Invaio, das sich weltweit auf ökologische Schädlingsbekämpfung und nachhaltige Landwirtschaft spezialisiert hat. Rund 20.000 Bäume wurden damit bereits behandelt. Die Ergebnisse können als mehr als nur ein Hoffnungsschimmer gewertet werden: Auch wenn der Pflanzenschädling durch Infusionen nicht eliminiert wird, werden die »Krankheitssymptome« gelindert. Zweige wachsen wieder, tragen symptomfreie Blätter und bringen eine reiche Olivenernte.
Zudem versuchen die Bauern nun, mit einer angepassten Bodenbewirtschaftung dem Vektor beizukommen. Das heißt konkret: Wenn zwischen März und April die Larven aus den Zikadeneiern schlüpfen, wird der Boden gepflügt. Damit sterben die Larven ab.
Ein weiterer Ansatz ist die Neubepflanzung mit widerstandsfähigeren Olivenbaumsorten. Neuzüchtungen können sich zwar immer noch mit Xylella infizieren, aber nicht daran zugrunde gehen. Bislang ist die Kreuzung von drei gegen Xylella resistenten Olivenarten geglückt, die sich besonders gegen die Unterart pauca widerstandsfähig zeigen. Auch die Abkehr von Monokulturen und stattdessen im Sinne der Biodiversität wieder mehr alte heimische Fruchtsorten wie Quittenäpfel oder Mandeln anzubauen, wäre mehr als eine Überlegung wert.