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Faserreiche Ernährung

Ballaststoffe nicht unterschätzen

Lange führten sie ein Dasein im Schatten anderer Nahrungsbestandteile: die Ballaststoffe. Glücklicherweise rücken sie inzwischen mitsamt ihren gesundheitsfördernden Eigenschaften mehr und mehr ins Rampenlicht und sind Gegenstand zahlreicher Untersuchungen.
AutorKontaktCornelia Höhn
Datum 24.05.2022  08:30 Uhr

Ihre gleichermaßen unzutreffende wie unglückliche Namensgebung stammt noch aus einer Zeit, als man annahm, dass die im Dünndarm ansässigen Verdauungsenzyme Ballaststoffe nicht aufzuschließen vermögen und der menschliche Körper sie als unnötigen Ballast nach der Darmpassage ungenutzt wieder ausscheidet. So galt es in den 1960er-Jahren als fortschrittlich, Schalen und Keimlinge vom Getreidekorn zu entfernen, um helle Auszugsmehle zu gewinnen.

Schon bald darauf sorgte jedoch die sogenannte Ballaststoffhypothese des englischen Tropenmediziners Dennis P. Burkitt für Wirbel. Er postulierte, dass Zivilisationskrankheiten Folge einer unzureichenden Ballaststoffzufuhr seien. Er verglich dabei die Ernährungsgewohnheiten in Uganda, wo die Menschen viel Vollkorn, Gemüse und Obst aßen, mit denen der Industrienationen, wo viel Weißmehl und Zucker verzehrt wurden.

Über die Jahrzehnte wurde die Wirkungsweise der Ballaststoffe eingehender untersucht und dabei auch die tragende Rolle der Darmbakterien erkannt. Inzwischen löst die Bezeichnung »Nahrungsfasern« in Anlehnung an den angelsächsischen Begriff dietary fiber den negativ belegten Ausdruck »Ballaststoffe« auch im deutschen Sprachgebrauch zunehmend ab.

Mahlzeit Lebensmittel Ballaststoffgehalt (g) Lebensmittel-Alternative Ballaststoffgehalt (g)
Frühstück 50 g Cornflakes
150 g Apfel
1,5
3,0
50 g Haferflocken
75 g Heidelbeeren
10 g Leinsamen
5,0
3,8
3,5
Snack 100 g Kohlrabi
70 g Laugenstange
1,5
1,3
100 g Avocado
25 g Walnüsse
6,3
1,5
Mittagessen 200 g Zucchini
80 g Nudeln (ungekocht)
2,2
2,7
150 g Paprika
80 g Vollkornnudeln (ungekocht)
5,4
7,2
Snack
75 g Croissant

0,9
30 g Vollkornkekse
3,0
Abendessen 150 g Weizenmischbrot
100 g Salatgurke
6,9
0,5
150 g
Roggenmischbrot
100 g Feldsalat
9,3
1,5
TV-Snack 40 Kartoffelchips 1,7 25 g Mandeln 3,4
Summe 22,2 49,9
Ein Vorschlag zur Steigerung der Ballaststoffzufuhr

Privileg der Pflanzen

Tierisches bringt null Ballaststoffe in unsere Kost ein. Die faserliefernden Pflanzenbestandteile gehören chemisch allesamt zu den Kohlenhydraten, einzige Ausnahme bildet Lignin. Grundsätzlich werden lösliche und unlösliche Ballaststoffe unterschieden. In Obst, Gemüse und Getreide finden sich dabei stets Gemische: Roggenkorn besteht zu 90 Prozent aus Hemicellulose und Cellulose, während Äpfel und Orangen neben anderen Fasern einen hohen Pektingehalt aufweisen. Insgesamt gelten Obst und Gemüse aber als eher ballaststoffarm, mit Ausnahme von Hülsenfrüchten und Schwarzwurzeln. Pilze liefern mehr, Nüsse und Vollkorn reichlich Fasern, Spitzenreiter sind Lein- oder Flohsamen. Abgepackte Lebensmittel dürfen übrigens ab 6 g/100 g mit einem hohen Ballaststoffgehalt werben.

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt eine tägliche Ballaststoffzufuhr von 30 g. Das schafft ein Großteil der Bevölkerung jedoch nicht (Frauen 23 g / Männer 25 g). Ernährungsempfehlungen für die Behandlung und Prävention von Diabetes sehen sogar mehr als 40 g/Tag vor. Vielleicht spornt es manchen an, dass ballaststoffreiche Kost mit hoher Nährstoff- aber geringer Energiedichte daherkommt und wenig unerwünschte Inhaltsstoffe wie gesättigte Fettsäuren, Cholesterol, Zucker und Salz mit sich bringt.

Lösliche Ballaststoffe
(in polaren Lösungsmitteln löslich)
Unlösliche Ballaststoffe
Eigenschaften quellen im Magen oder Dünndarm, werden im Dickdarm mikrobiell zersetzt, ihre Gelstruktur dadurch aufgelöst, Wasser rückresorbiert quellen im Dickdarm durch hohes Wasserbindungsvermögen der Randschichten
Beispiele und Vorkommen Pektin (Früchte),
β-Glucane (Hafer, Gerste),
lösliche Hemicellulose (Hülsenfrüchte),
Gelstoffe (Alginate, Agar-Agar),
Pflanzengummis (Akazienfaser), Schleimstoffe (Flohsamen), resistente Stärke (Bananen, abgekühlte gekochte Kartoffeln)
Cellulose (Kleie, Pflanzenzellwände),
Lignin (Kartoffeln, Getreide, holzige Pflanzenteile),
unlösliche Hemicellulosen (Weizen, Roggen)
Aufgabe der Darmbakterien im Dickdarm weitgehende Fermentation zu kurzkettigen Fettsäuren (Butter-, Propion- Essigsäure) und Gasen (CO2, H2, CH4) teilweiser fermentativer Abbau
Auswirkung auf die Verdauung Stuhlgewicht steigt durch unverdaute Ballaststoffe und Vermehrung der Darmbakterien verkürzte Transitzeit, höheres Stuhlvolumen. Defäkationsreiz durch Dehnung der Darmwand
Lösliche und unlösliche Ballaststoffe im Vergleich

Unverzichtbare Mitreisende

Dass die Ballaststoffe hilfreich zur Vorbeugung und Behandlung von Verstopfung sind, ist vielen bekannt. Begleitet man die Unverdaulichen aber auf ihrem Weg durch den menschlichen Gastrointestinaltrakt, stellt man fest, dass sie aufgrund ihres Quellvermögens und des fermentativen Abbaus wesentlich mehr draufhaben, als den Stuhlgang zu regulieren.

Ihre Wirkung beginnt bereits im Mund, wo verstärktes Kauen die Kohlenhydratverdauung initiiert und der Zahngesundheit dienlich ist. Der Magen wird durch das voluminöse Material schnell und länger gefüllt, Heißhungerattacken werden durch vermehrte Ausschüttung von Sättigungshormonen ausgebremst. Es resultiert eine verzögerte Glucoseaufnahme aus dem Dünndarm mit langsamem und gleichmäßigem Blutzuckeranstieg und verminderter Insulinsekretion. Unlösliche Ballaststoffe aus Vollkorn sollen auch mit verbesserter Insulinsensitivität punkten. Die gelbildenden Nahrungsfasern schwächen die Fettresorption im Dünndarm ab und haben weniger Kalorien im Gepäck - so kann Übergewicht vorgebeugt werden.

Auf der Weiterreise binden die unverdaulichen Begleiter Gallensäuren, die mit dem Stuhl ausgeschieden und dadurch dem enterohepatischen Kreislauf entzogen werden. Ein kluger Schachzug, da nun Cholesterol verstärkt zur Gallensäurebildung in der Leber herangezogen werden muss. Auch Cholesterol selbst wird durch die Nahrungsfasern gebunden. Beides führt dazu, dass im Serum Gesamtcholesterol und LDL sinken.

Auf Haferkleie- und Gerstenprodukten mit definierter ß-Glucankonzentration ist seit einigen Jahren laut europäischer Health-Claims- Verordnung folgende gesundheitsbezogene Angabe zulässig: »ß-Glucan reduziert nachweislich den Cholesteringehalt im Blut«. Verschiedene Untersuchungen untermauern, dass eine ballaststoffreiche Ernährung mit einem niedrigeren Risiko für Hypertonie, Arteriosklerose und koronare Herzkrankheiten korreliert. Je 7 g Ballaststoffe mehr pro Tag sollen kardiovaskuläre Risiken um 12 Prozent senken.

Vermutlich wird auch das Darmkrebsrisiko durch Bindung von Gallensäuren herabgesetzt, die entbehren Darmbakterien dann bei der Bildung kanzerogener Desoxycholsäure. Im letzten Abschnitt des Dünndarms, dem Ileum, wird stärker gequollener Nahrungsbrei, wie er aus faserreicher Kost resultiert, schneller weiterbewegt. Gut, denn das verkürzt die Kontaktzeit der Darmwand mit kanzerogenen oder toxischen Stoffen.

Ballaststoffgehalt g/100 g
Apfel 2
Heidelbeere 4,9
Möhren 3,5
Schwarzwurzel 17
Walnüsse 6
Mandeln 13,5
Vollkornbrot 10
Leinsamen 35
Flohsamen 70
Ballaststoffgehalt verschiedener Lebensmittel

Vielseitiges Mikrobiom

Nach dem Motto »Das Beste zum Schluss« haben die Unverdaulichen ihren größten Auftritt im Dickdarm, wo sie die Darmbakterien ernähren. Im Gegensatz zum menschlichen Organismus vermögen die nämlich, die Fasern aufzuschließen. Lösliche Ballaststoffe und Präbiotika wie Inulin oder Oligofructose aus Chicorée, Schwarzwurzel, Zwiebel und Artischocke haben jetzt ihren Einsatz. Darauf stürzen sich vor allem die nützlichen Bakterienstämme wie Bifidobakterien oder Faecalibacterium prausnitzii regelrecht. Da der Darm unser größtes Immunorgan ist, profitiert unsere Abwehr von der dadurch verbesserten Bakterienflora.

Zu wenig Ballaststoffe sind also sogar eine Belastung für unseren Darm, denn unsere Untermieter holen sich dann aus der Dickdarmschleimhaut, was sie zum Leben brauchen; die wird dadurch dünner und anfälliger für Erreger. Im ganzen Körper können Entzündungen und Infekte resultieren. Die eifrigen Mitbewohner fermentieren ihr Futter zu kurzkettigen Fettsäuren wie Butter- oder Propionsäure, die unserem Gesamtorganismus viel Gutes zu bieten haben: Vor Ort wird der pH-Wert gesenkt, was das Wachstum unerwünschter Bakterien im Dickdarm unterdrückt.

Buttersäure ernährt die Zellen der Darmschleimhaut und unterstützt die Barrierefunktion zwischen Darm und Blut, wirkt also dem durchlässigen Darm entgegen. Auch eine Schutzwirkung vor Dickdarmkarzinomen gilt als wahrscheinlich. Propionsäure erhöht die Insulinsensitivität, senkt den LDL-Cholesterolspiegel und schützt vor Bluthochdruck. Unlöslich, aber keinesfalls unwichtig, bindet diese Ballaststofffraktion im Dickdarm den bei der Verdauung von Fleisch und anderen eiweißhaltigen Lebensmitteln entstehenden Ammoniak. Somit entlasten sie Nieren und Leber, die Entgiftungszentralen des Körpers. Schließlich sorgt die faserreiche Füllung für ein höheres Stuhlvolumen und eine beschleunigte Transitzeit des Stuhls. So wird Obstipation verhindert, Hämorrhoiden und Divertikulose vorgebeugt.

Spielregeln für die optimale Nutzung

Um nach deren Einchecken in den menschlichen Verdauungstrakt bestmöglich von unseren faserreichen Reisebegleitern zu profitieren, sollten wir Folgendes beachten beziehungsweise im Kundengespräch empfehlen:

  • Verzehr langsam steigern – zu viel kann zu Blähungen, Völlegefühl und Bauchschmerzen führen.
  • Verträglichkeit testen – erst mal Vorsicht mit groben Vollkornbroten, Hülsenfrüchten, Zwiebel, Kohl.
  • Ballaststoffe halten den Darm auf Trab – nicht zu spät am Abend essen.
  • Die tägliche Mischung macht’s: eine Hälfte unlösliche Ballaststoffe aus Vollkorn, eine Hälfte lösliche Ballaststoffe aus Gemüse, Obst, Hülsenfrüchten.
  • »Fünf am Tag« essen - dabei ballaststoffreiche Sorten bevorzugen.
  • Nüsse füllen das Ballaststoffkonto.
  • Mindestens 1,5 – 2 l/Tag trinken – sonst droht Verstopfung.
  • Achtsam essen, jeden Bissen 30-mal kauen.
  • Regelmäßige Bewegung bringt den Darm in Schwung.
  • Kartoffeln und Vollkornnudeln am Vortag kochen – durch langes Abkühlen wird enthaltene Stärke teilweise unverdaulich (resistente Stärke) und ernährt so die Dickdarmbakterien – für ein gesundes Mikrobiom.
  • Schwarzes Schaf unter den Ballaststoffen: Carrageen, ein aus Rotalgen gewonnenes Verdi-ckungsmittel (E407), steht im Verdacht, die Darmschleimhaut zu schädigen und führt im Tierversuch zu Darmkrebs – also die Zutatenliste studieren und besser darauf verzichten.
  • Nahrungsfasern und Phytate aus den Randschichten des Vollkorns binden Metallkationen – erwünscht bei toxischem Blei oder Cadmium; wahrscheinlich unproblematisch für Calcium, Magnesium oder Zink, da ballaststoffreiche Lebensmittel viele Mineralien enthalten; isolierte Ballaststoffpräparate sollten aber nur eingenommen werden, wenn eine ausreichende Zufuhr aus der Nahrung wegen multipler Unverträglichkeiten nicht gewährleistet ist.
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