Barriere für das Coronavirus? |
Verena Schmidt |
07.12.2022 12:00 Uhr |
Nasenspray als Viren-Schutzschild: Filmbildende Wirkstoffe sollen die Nasenschleimhaut vor dem Eindringen von Coronaviren und Co. schützen. / Foto: Adobe Stock/Anton
Um sich vor einer Ansteckung vor allem mit dem Coronavirus zu schützen, greifen immer mehr Menschen zu prophylaktisch wirksamen Nasensprays. Diese bilden eine Schutzschicht auf der Nasenschleimhaut, um so das Eindringen der Viren in die Zellen zu verhindern. Eine Anwendung kann vor allem in Situationen sinnvoll sein, in denen das Infektionsrisiko erhöht ist, etwa auf Reisen im Zug oder Flugzeug.
Das jüngste Präparat am Markt ist das Nasenspray Virx® Enovid von Viromed Medical, seit Mitte Oktober in Deutschland erhältlich. Das Spray setzt auf mehrere Inhaltsstoffe und Wirkmechanismen: Der enthaltene Gelbildner Hydroxypropylmethylcellulose (HPMC) bildet eine mechanische Barriere, die die Viren einschließt. Zitronensäure tötet die Viren zudem direkt in der Nase ab. Nicht zuletzt sorgen NO-erzeugende Bestandteile für eine chemische Barriere, die das Spike-Protein von SARS-CoV-2 nitrosyliert und dadurch inaktiviert. Dann sind die Viren nicht mehr in der Lage, in die Wirtszellen einzudringen.
Der Hersteller hat Studiendaten zum Präparat vorgelegt, die sich auf die Anwendung bei bereits mit SARS-CoV-2 Infizierten beziehen. Laut der Phase-III-Studie aus Indien mit 306 Probanden sank die Corona-Viruslast 24 Stunden nach Anwendung in der Nase um 94 Prozent, innerhalb von 48 Stunden nach der Behandlung um 99 Prozent. Die Zeit, bis der PCR-Test wieder negativ war, betrug in der Interventionsgruppe im Median vier Tage und in der Placebogruppe acht Tage. Bei den Proben, die die Wissenschaftler nahmen, handelte es sich allerdings immer um Nasenabstriche. Wie hoch die Viruslast dann etwa in der Rachenschleimhaut war, ist unklar. Auch wurden keine Auswirkungen auf die Schwere der Symptome untersucht. Wie gut das Spray also in der Praxis bei Coronainfektionen wirkt, bleibt unklar.
Nach Herstellerangaben soll das Nasenspray auch prophylaktisch wirken. Ergebnisse einer retrospektiven klinischen Studie aus Bangkok legen nahe, dass sich das Infektionsrisiko durch die Anwendung um 75 Prozent senken lässt. Da es sich bei dem Spray um ein Medizinprodukt handelt, ist es lediglich beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) registriert. Eine Zulassung mit wissenschaftlichen Studien, die eine Wirkung nachweisen, gibt es nicht.
Schon etwas länger erhältlich sind Nasensprays mit Filmbildnern wie Carragelose® aus Rotalgen (Algovir®) oder HPMC (Wick Erste Abwehr Mikro-Gel Spray). Mit ViruProtect® Erkältungsspray gibt es außerdem ein Spray zur Anwendung im Rachen. Dieses enthält zusätzlich zum Gelbildner Glycerin das Enzym Trypsin, das Virusproteine spalten und so deaktivieren soll.
Die Sprays bilden einen Film, der sich schützend auf die Schleimhäute legt und verhindert, dass sich die Viren dort anhaften und ins Innere der Zellen eindringen. Für die drei genannten Präparate zeigen In-vitro-Untersuchungen, dass sie SARS-CoV-2 neutralisieren beziehungsweise deren Vermehrung in Zellkulturen bis unter die Nachweisgrenze hemmen können. Ob die Effekte allerdings auch für die Praxis relevant sind, ist bislang nicht durch klinische Studien untermauert. Da auch diese drei Produkte als Medizinprodukte registriert sind, gibt es keine klinischen Zulassungsstudien.
Mit am besten untersucht ist die Wirkung der Carragelose. In einer placebokontrollierten, doppelblinden Studie aus Argentinien mit knapp 400 Probanden, allesamt medizinisches Personal in Krankenhäusern, reduzierte ein Carragelose-Nasenspray das Infektionsrisiko um 79,8 Prozent. Alle Probanden hatten direkten Kontakt zu Covid-19-Patienten. Über drei Wochen wendeten sie viermal täglich entweder ein Carragelose-haltiges oder ein wirkstofffreies Nasenspray an. Das Unternehmen Hermes-Arzneimittel, das Algovir in Deutschland vertreibt, berichtet, dass im Studienverlauf in der Verumgruppe zwei (1 Prozent) und in der Kontrollgruppe zehn Probanden (5 Prozent) an Covid-19 erkrankten.
Aktuell laufen weitere klinische Untersuchungen, die die Wirksamkeit von Carragelose in Nase und Rachen prüfen. Von der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene werden Carragelose-Nasensprays indes schon zur Prävention von Covid-19 empfohlen.
Wissenschaftler erforschen derzeit außerdem weitere Ansätze für Anti-Corona-Nasensprays. In ersten klinischen Untersuchungen testete eine chinesische Arbeitsgruppe bereits ein Nasenspray mit dem neutralisierenden monoklonalen Antikörper 35B5, der rund 24 Stunden vor einer Ansteckung schützen soll. Erste Daten zu einem Anti-Corona-Nasenspray auf Basis natürlicher Inhaltsstoffe veröffentlichte im Oktober ein Team vom St. Bartholomew's Hospital in London. Neben Ingwer- und Eukalyptusöl enthalte das Präparat auch Substanzen, die die optimale Säureumgebung verändern, die das Virus für den Zelleintritt benötigt, heißt es. Einer Publikation im Fachjournal »Journal of Clinical Virology« zufolge senkte das Nasenspray das Risiko für eine Infektion um etwa 60 Prozent. Diese ersten Ergebnisse müssen in größeren Studien noch bestätigt werden.
Nasensprays mit Peptiden, die die Fusion der Wirtszellmembran mit der Virushülle verhindern sollen, haben in ersten Untersuchungen gute Ergebnisse erzielt. Auch die Blockade des Wirtszellrezeptors TMPRSS2 über ein Nasenspray könnte eine Möglichkeit sein, eine Infektion mit SARS-CoV-2 zu verhindern. Diese beiden Wirkansätze wurden bislang aber nur in Tiermodellen getestet.
Klar ist: Prophylaktische Anti-Corona-Nasensprays können womöglich einen gewissen Schutz vor einer Ansteckung bieten, wie In-vitro-Tests und kleinere klinische Studien zeigen. Sie sollten aber nicht dazu verleiten, andere Schutzmaßnahmen zu ignorieren. Die Impfung, das Tragen einer (FFP2-)Maske und Abstand bleiben nach wie vor die besten Mittel, einer Covid-19-Infektion vorzubeugen.
Coronaviren lösten bereits 2002 eine Pandemie aus: SARS. Ende 2019 ist in der ostchinesischen Millionenstadt Wuhan eine weitere Variante aufgetreten: SARS-CoV-2, der Auslöser der neuen Lungenerkrankung Covid-19. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronaviren.