Beatmung sehr gezielt dosieren |
Sauerstoffzufuhr und Beatmung – hierfür existieren verschiedene Techniken und Geräte. / Foto: Getty Images/Motortion
Ein gesunder Erwachsener atmet pro Minute zwischen 12- und 18-mal ein und aus. Bei einem Patienten mit respiratorischer Insuffizienz sind es mehr als 35 Atemzüge pro Minute. Dennoch reicht die Atmung für einen gesunden Gasaustausch nicht aus. Der Sauerstoffgehalt im Blut ist zu niedrig (hypoxische respiratorische Insuffizienz), der Kohlendioxidgehalt mitunter zu hoch (hyperkapnische respiratorische Insuffizienz). Die Ursache liegt im Fall der hypoxischen respiratorischen Insuffizienz meist in der Lunge selbst. So können zum Beispiel eine schwere Lungenentzündung, Flüssigkeitsansammlungen in der Lunge oder vernarbtes Lungengewebe die Aufnahme des Sauerstoffs beeinträchtigen. Die hyperkapnische respiratorische Insuffizienz hingegen wird meist durch eine Störung in der Atempumpe (Atemzentrum, Thorax, Atemmuskulatur oder Nerven) verursacht. Auslöser können zum Beispiel eine Lungenverletzung, eine Erkrankung, die zu einer Schwächung der Atemmuskulatur führt oder eine Blockade beziehungsweise Verengung der Atemwege sein.
Patienten mit respiratorischer Insuffizienz zeigen neben der erhöhten Atemfrequenz weitere typische Symptome. Dazu gehören eine stark erhöhte Herzfrequenz und ein erhöhter Blutdruck. Der Körper versucht hiermit die Ateminsuffizienz zu kompensieren. Das Atemzugvolumen nimmt ab, zusätzlich muss der Patient zunehmend die um den Brustkorb liegende Atemhilfsmuskulatur einsetzen. Viele Patienten sind unruhig und schwitzen verstärkt. Im Verlauf nehmen die erschwerte Atmung und Atemnot zu, die Haut des Betroffenen verfärbt sich bläulich, Herzfrequenz und Blutdruck fallen ab. In der Spätphase der respiratorischen Insuffizienz steigt der Kohlendioxidgehalt im Blut zunehmend an, Atmung und Herzschlag verlangsamen sich, der Blutdruck fällt weiter ab. Die Patienten sind erschöpft, verwirrt und unruhig, es können Krampfanfälle und Bewusstseinsstörungen bis hin zum Koma auftreten.
Neben der Behandlung der Grunderkrankung erhalten Patienten mit respiratorischer Insuffizienz eine Beatmungstherapie. Mediziner unterscheiden dabei zwischen der nicht-invasiven Beatmung per Maske, Nasenbrille oder -sonde sowie der invasiven Beatmung über einen Schlauch in der Luftröhre.
Erstere kommt bei Patienten zum Einsatz, die über eine ausreichende eigenständige Spontanatmung verfügen. Die Sauerstoffgabe dient in diesem Fall der Atemunterstützung, die Atemarbeit des Betroffenen wird erleichtert und der Gasaustausch verbessert. Kann ein Patient gar nicht oder nicht mehr ausreichend allein atmen, benötigt er eine invasive Beatmung. Dafür wird zunächst eine Narkose eingeleitet, anschließend ein Schlauch in die Luftröhre gelegt und fixiert, so dass er nicht herausrutschen kann. Je nach Atemtätigkeit des Patienten haben Mediziner die Möglichkeit, die Beatmung als kontrollierte Beatmung, bei der das Beatmungsgerät die vollständige Atemarbeit für den Patienten übernimmt, oder als assistierte Beatmung, bei der die Atemarbeit des Patienten nur unterstützt wird, durchzuführen.
Für die Auswahl der Beatmungsform existieren keine starr definierten Grenzwerte. Mediziner fällen ihre Entscheidung anhand der Anamnese, dem klinischen Bild und Verlauf der Erkrankung, möglichen Vorerkrankungen sowie der Prognose des Patienten. So werden beispielsweise Patienten mit einem Schädel-Hirn-Trauma bereits zu einem Zeitpunkt intubiert, an dem bei COPD-Betroffenen mit vergleichbaren Werten eine Beatmung per Maske ausreicht.
Wie alle medizinischen Behandlungen ist auch die Beatmungstherapie nicht frei von Nebenwirkungen und Komplikationen. Einige der häufigsten ergeben sich aus der Funktionsweise der Beatmungsgeräte. Bei der normalen Atmung kontrahiert sich das Zwerchfell, und das Innenvolumen des Brustkorbs vergrößert sich. Durch Muskelaktionen dehnt sich der Thorax aus, dadurch entfaltet sich die Lunge und der Raum in ihr wird größer. Es entsteht ein Unterdruck, der dazu führt, dass Luft eingesaugt wird. Beatmungsgeräte können keinen Unterdruck in der Lunge erzeugen. Sie arbeiten mit Überdruck und pressen das Atemgas in die Lunge des Patienten. Hierbei kann sich ein Barotrauma, also eine direkte Schädigung der Lunge durch den Überdruck, oder eine Lungenüberdehnung (Volutrauma) entwickeln. Außerdem werden unter Umständen Entzündungsmediatoren freigesetzt (Biotrauma), besonders dann, wenn die Lunge bereits vorgeschädigt ist. Ab dem fünften Beatmungstag steigt zudem das Risiko für eine sogenannte Ventilator-assoziierte Pneumonie oder Beatmungspneumonie. Auslöser sind in mehr als 60 Prozent der Fälle aerobe, gramnegative Bakterien.
Durch die Beatmung steigt der intrathorakale Druck der Patienten, auch das kann sich negativ auswirken. Der venöse Rückstrom zum Herzen ist bei beatmeten Menschen vermindert, die Kontraktionsfähigkeit des Herzmuskels beeinträchtigt. Die Urinausscheidung nimmt oft ab sowie der intrakranielle Druck im Gehirn zu, wenn der hirnvenöse Abfluss nicht mehr richtig funktioniert.
Patienten mit nicht-invasiver Beatmung leiden häufiger unter Druckstellen durch die Masken. Zudem bereiten trockene Schleimhäute Probleme. Einige Patienten entwickeln eine Bindehautentzündung, wenn die Maske nicht dicht abschließt und die Augen einem permanenten Luftstrom ausgesetzt sind. Bei der invasiven Beatmung stellt wiederum der Endotrachealtubus einen Stressreiz dar, der zu gastroduodenalen Stressulzera führen kann. Zur Therapie gehört deshalb die prophylaktische Gabe von Protonenpumpenhemmern.
Oberstes Ziel der Intensivmedizin ist es, Komplikationen und Nebenwirkungen durch die Beatmung so gering wie möglich zu halten. Dies gelingt am besten, wenn die Zeitspanne der Beatmung möglichst kurz ausfällt. Denn je länger ein Patient von einem Beatmungsgerät versorgt wird, desto mehr Atemmuskulatur baut sich ab und umso schwerer wird es für ihn, wieder selbstständig zu atmen.
Auf den Intensivstationen wird täglich geprüft, ob Patienten vom Beatmungsgerät getrennt werden können. Dies gelingt in der Regel nicht von heute auf morgen. Im Durchschnitt nimmt die Phase des sogenannten Weanings, also der Entwöhnung vom Beatmungsgerät, die Hälfte der gesamten Beatmungszeit bei Intensivpatienten ein. In dieser Zeit wird die Beatmung immer wieder für einen genau definierten Zeitraum von kontrolliert auf assistiert umgestellt. Gelingt dem Patienten die Anpassung gut, weitet man das Zeitfenster immer weiter aus, bis er schließlich extubiert werden kann.
Rund 40 Prozent der kontrolliert invasiv beatmeten Intensivpatienten haben Schwierigkeiten, entwöhnt zu werden. Seit einigen Jahren gibt es deshalb spezialisierte Weaningzentren, die Patienten bei der Entwöhnung unterstützen und die Intensivstationen entlasten. Doch auch in Weaningzentren kommen nicht alle Patienten vollständig von der Beatmung los.
Um das Weaning zu erleichtern und Komplikationen zu vermindern, erhalten Patienten, deren Beatmungszeit 10 bis 14 Tage überschreiten wird, bereits frühzeitig eine Tracheotomie (Luftröhrenschnitt). Die Beatmung erfolgt anschließend über den operativ geschaffenen Zugang zur Luftröhre (Tracheotoma) und hat im Vergleich zum Zugang über den Mund wesentliche Vorteile. So werden Verletzungen von Mund und Kehlkopf erfolgreich vermieden und Mundpflege ist wieder möglich. Die Atemarbeit ist für die Patienten erleichtert, sie leiden seltener unter Husten- und Würgereizen und benötigen weniger Sedierung. Die Beatmung über ein Tracheotoma ist auch bei wachen Patienten möglich, wodurch Mobilisierung, Physiotherapie und Rehabilitation leichter gelingen. Wache Patienten können zudem über den Mund essen und mit Hilfe von Sprachkanülen kommunizieren.