Bei Arthrose in Bewegung bleiben |
Lassen sich Schmerzen und Gelenksteife mit einer konservativen Therapie nicht in den Griff bekommen, kann ein künstliches Kniegelenk eine Option sein – auch bei jüngeren Patienten. / Foto: Getty Images/ljubaphoto
Die Arthrose ist eine degenerative Gelenkerkrankung und im Gegensatz zur Arthritis mit einer geringeren entzündlichen Aktivität verbunden. Intensive entzündliche Phasen sind aber auch bei Arthrose möglich. Typische Anzeichen sind schmerzhafte, geschwollene und steife Gelenke. Kennzeichnend für die Erkrankung ist eine voranschreitende Veränderung der Knorpel- und Knochenstruktur: Die Knorpelschicht wird dünner und rauer. Bei stark fortgeschrittener Arthrose ist der Knorpel an den belasteten Stellen des Gelenks völlig verschwunden, der Knochen liegt dann frei. Die Arthrose bewirkt also eine Gelenkdeformierung, eine pathologische Veränderung des Gelenks mit nachfolgendem Funktionsverlust, also einer zunächst schmerzhaften Bewegungseinschränkung, die bis zur Steifheit führen kann.
Häufige Arthrosen betreffen neben Finger- und Wirbelgelenken die Knie- und Hüftgelenke. Ab dem 50. Lebensjahr nimmt ihr Verschleiß stark zu. So hat in Deutschland etwa jeder fünfte über 60-jährige Mann eine Arthrose von Hüft- oder Kniegelenk, bei Frauen ist fast jede vierte davon betroffen. Die Erkrankung verschlechtert sich mit der Zeit meist kontinuierlich. Die Betroffenen sind zunehmend unbeweglicher, haben dauerhaft oder wiederkehrend Schmerzen und büßen erheblich an Lebensqualität ein.
Rauchen und Bewegungsmangel bewirken eine verminderte Versorgung des Gelenks mit Sauerstoff und Nährstoffen. Übergewicht belastet tragende Gelenke wie Knie oder Hüfte. Überschüssiges Körperfett setzt zudem Botenstoffe frei, die Entzündungen im Gelenk fördern können. Auch eine familiäre Veranlagung, Fehlstellungen der Gelenke (etwa X- oder O-Beine) oder unfallbedingte Schädigungen des Gelenks und der Bänder begünstigen Arthrose. Nicht das arthritische Gelenk löse den typischen Schmerz aus, sondern die durch die Arthrose bedingt verspannte Muskulatur, erläuterte Privatdozent Dr. Stephan Kirschner aus Karlsruhe, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Endoprothetik (AE: Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik), bei einer Online-Pressekonferenz der Gesellschaft.
Der erste Behandlungsschritt sei, den Patienten umfassend über die Ursachen seiner Erkrankung zu informieren und dabei auch mögliche gelenkschädigende Aktivitäten und Lebensweisen herauszufinden – etwa gelenkbelastende Sportarten oder Bewegungsmangel, hohe Gewichtsbelastung im Beruf und eine übermäßig hohe Kalorienaufnahme. Der Arzt sollte mit ihm besprechen, wie sich diese in ein gelenkschonenderes Verhalten wandeln lassen, so Kirschner.
Die Therapie ist zunächst konservativ und besteht laut Leitlinie aus Physiotherapie, Hilfsmitteln wie Bandagen oder Gehhilfen zur Entlastung der Gelenke sowie aus Medikamenten, vor allem Schmerzmitteln. Ziel ist es, den Einsatz eines Kunstgelenks hinauszuzögern oder überflüssig zu machen. Denn: »Der Verlauf der Arthrose ist von unterschiedlichen Faktoren abhängig und kann in der Regel günstig beeinflusst, also im Verlauf verlangsamt werden«, sagte Kirschner bei der Pressekonferenz.
Er empfiehlt Betroffenen, proaktiv mehr Physiotherapie für eine bessere Gelenkbeweglichkeit und den Aufbau einer kräftigen Gelenkmuskulatur einzufordern. Gezielte Übungen sollen auch die meist durch Bewegungsmangel verursachten Muskelverkürzungen wieder dehnen. Hiermit kann die Stoßbelastung im Gelenk verringert und das Fortschreiten der Arthrose verlangsamt werden. Die erlernten Übungen sollten die Betroffenen dann konsequent daheim ausführen.
»Gelenke werden nur durch Bewegung ernährt, die persönliche körperliche Aktivität ist daher die Grundlage gesunder Gelenke und auch bei Arthrose die erste wichtige Maßnahme«, so Kirschner. Bereits eine Viertelstunde täglich spazieren zu gehen helfe. Sportarten wie Aquajogging reduzierten gleichermaßen die Belastung am Gelenk und ermöglichten wieder Bewegung. Ist der Patient übergewichtig, ist auch Abnehmen eine wichtige Säule der Behandlung.
Führt die konservative Therapie zu keiner oder nicht der gewünschten Besserung der Symptome binnen sechs Monaten, ist eine Gelenkersatz-Operation abzuwägen. Dabei stellt sich auch die Frage: Wann ist man zu alt oder zu jung für ein neues Hüft- oder Kniegelenk? »Aus unserer Sicht gibt es heute kein generelles zu jung und kein zu alt mehr für ein neues Hüft- und Kniegelenk«, sagte Professor Dr. Carsten Perka, Berlin, Generalsekretär der AE, bei der Pressekonferenz. Die aktuellen Studiendaten des Endoprothesenregisters Deutschland (EPRD) zeigten, dass auch Betroffene jenseits des 90. Lebensjahres endoprothetisch sicher versorgt werden können. Zwar seien Komplikationen nach einem solchen Eingriff häufiger als bei Jüngeren. Die Sterblichkeit nach überstandener Operation sei jedoch sogar etwas niedriger als in der Normalbevölkerung.
Perka gibt zu bedenken: Konservative Maßnahmen könnten die Schmerzen zwar meist deutlich reduzieren. Sei aber das Behandlungsziel nahezu vollständige Schmerzfreiheit, sollten Arzt und Patient über die Option eines künstlichen Gelenkes sprechen und gemeinsam eine Entscheidung treffen. Laut Perka gilt die Aussage »Patienten unter 60 Jahren sollten wegen der begrenzten Haltbarkeit der Endoprothese kein künstliches Gelenk erhalten« heute nicht mehr. Zum einen gehe es um eine verbesserte Lebensqualität der Patienten durch die gewonnene Beweglichkeit, zum anderen hielten die weiterentwickelten künstlichen Gelenke immer länger. »Die früher immer wieder diskutierten und als Argument gebrachten Versagensmechanismen von künstlichen Gelenken wie der Bruch des Implantates oder die Lockerung spielen heute kaum noch eine Rolle.«
Wie Professor Dr. Robert Hube, Vizepräsident der AE, ergänzte, verschlechtern sich die Ergebnisse nach Gelenkersatz, wenn die Funktion zum Zeitpunkt der Operation schon deutlich eingeschränkt ist. Betroffene sollten laut Hube auch wissen: Zwar halten 80 Prozent der Implantate auch bei jungen Patienten 20 Jahre lang. Daten des nationalen Prothesenregisters (EPRD) zeigen allerdings, dass sie meist kürzer halten als bei älteren Patienten. Der Grund: Jüngere Patienten belasten die (Ersatz-)Gelenke durch ein aktiveres Leben stärker. Dem jüngeren Patienten sollte also bewusst sein, »dass es eine Wechseloperation in der Zukunft geben kann, die höchstwahrscheinlich nicht das gleiche funktionelle Ergebnis bietet wie die Erstoperation«. Da die Arthrose bei jungen Patienten oft zusätzlich mit Fehlstellungen und Besonderheiten des Knochens vergesellschaftet ist, sollten sie in orthopädischen Zentren behandelt werden, riet Hube.
Eine wichtige Frage ist, wie die Prothese im Knochen verankert wird. Bei der Press-Fit-Verankerung verklemmen die Ärzte das Implantat im Knochen. Das Knochenlager wird dazu vorher passend zu den Abmessungen der Prothese in etwas kleinerer Größe vorbereitet. Dies erzeugt einen sofortigen Halt. Durch das darauffolgende Anwachsen des Knochens an die Implantatoberfläche wird die Prothese dauerhaft verankert. Bei der Zementierung erfolgt die Befestigung im Knochenlager durch eine selbstaushärtende Kunststoffverbindung, Polymethylmethacrylat (PMMA). Dazu wird das zunächst zähflüssige Kunststoffgemisch in den vorbereiteten Knochen eingebracht und die Prothese sofort darin verankert. Nach wenigen Minuten ist der PMMA ausgehärtet und das Ersatzgelenk fest fixiert. Dies bedeutet auch, dass die frisch Operierten ihr Kunstgelenk sofort belasten dürfen. Der Nachteil des Verfahrens: Müssen die Ärzte die Prothese wechseln, gilt es, zunächst den alten Zement aus dem Knochenlager zu entfernen. Ist er tief in die umgebende Knochenstruktur eingedrungen, kann dies sehr aufwendig und schwierig sein. Zudem geht dabei mitunter weitere Knochensubstanz verloren.
»Welche Verankerungsart wir für den Gelenkersatz wählen, ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig wie Alter, Geschlecht, Qualität des Knochens von Hüfte und Oberschenkel, Osteoporose sowie dem Körpergewicht«, sagte Privatdozentin Dr. Anne Postler, Oberärztin der Sektion Knie am UniversitätsCentrum für Orthopädie, Unfall- und Plastische Chirurgie, Dresden. Ist die Knochenqualität gut und der Patient jünger als 70 Jahre, falle die Wahl nahezu immer auf die zementfreie Verankerung bei der Erstimplantation einer Hüftprothese. Beim Kniegelenkersatz werden laut EPRD überwiegend bei allen Patienten vollzementierte Verankerungen vorgenommen. Für die zementierte Verankerung der Oberflächenprothesen sprächen die guten Langzeitergebnisse der Prothesen, so Postler.
Egal welcher Gelenkersatz: »Eine gute Vorbereitung auf die Operation hilft, die Risiken in den Griff zu bekommen und das Ergebnis zu verbessern. Ist der Gelenkersatz implantiert, sollte der Patient darauf bedacht sein, aktiv die Muskulatur um das Gelenk zu erhalten und dauerhaft den Knochen zu stabilisieren, der die Prothese hält. Daher ist körperliche Aktivität sehr wichtig und eine gesunde Ernährung günstig, auch um die Gelenke belastendes Übergewicht zu vermeiden«, ergänzte Perka.