Bei Arthroseschmerzen liegen Topika vor Oralia |
Da der Wirkort in den Extremitäten am Knie, Sprunggelenk oder Ellenbogen nah am Applikationsort liegt, ist eine topische Therapie besonders wirksam. / Foto: Getty Images/vorDa
»Gern etwas zum Einreiben«: Das verlangen nicht selten Patienten mit Schmerz- und Entzündungszuständen am Muskel- und Skelettapparat etwa infolge einer Arthrose oder nach stumpfen Sportverletzungen. Und tatsächlich sind topisch applizierte nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) wie Diclofenac, Ibuprofen und Co. eine effektive und verträgliche Behandlungsoption, vor allem in der Selbstmedikation – umso mehr, desto früher sie angewendet werden.
So sprechen sich verschiedene nationale und internationale Leitlinien etwa zur Kniearthrose für die Lokaltherapie als frühe Option aus, wenn die Gelenkschmerzen geringfügig bis moderat sind. Die gerade aktualisierte S2k-Leitlinie zur Gonarthrose der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie formuliert es so: »Die topische Applikation von nicht steroidalen Antirheumatika bei Gonarthrose sollte vor deren oralen Anwendung zur Analgesie und Funktionsverbesserung erfolgen.«
Über Wirksamkeit und Sicherheit topisch applizierter NSAR bei Arthrose informiert auch die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft. Pharmakokinetische Daten belegten eine Anreicherung von NSAR in intraartikulären Strukturen, die zum Schmerz beitragen. Vor allem an den Extremitäten mit seinen oberflächennahen Gelenken wie an Hand oder Knie könne eine Salbentherapie Schmerzlinderung und Bewegungsverbesserung bringen.
Laut Leitlinienexperten liegt der große Pluspunkt von Topika darin, dass systemische Nebenwirkungen vermieden werden können. »Die Verwendung von Topika bietet eine einfache Möglichkeit, das Risiko vor allem von gastrointestinalen Nebenwirkungen wie Übelkeit, Sodbrennen oder Magenulzera kleinzuhalten.« In der Tat: NSAR in Form von Oralia bringen gastrointestinale und kardiovaskuläre Risiken mit sich. Zur Risikominderung setzen daher viele Leitlinien zunächst auf topische Formulierungen. Bei lokaler Anwendung sind die systemisch erreichbaren Konzentrationen niedrig und liegen im Bereich von bis zu 10 Prozent der Werte nach oraler Gabe.
Systemische Nebenwirkungen treten laut einem Review aus dem Jahr 2019 nach topischer NSAR-Anwendung nicht häufiger auf als unter Placebo. Lokale unerwünschte Wirkungen äußern sich vor allem als Hautirritationen wie Trockenheit, Kontaktdermatitis, Juckreiz und unter Ketoprofen selten auch als Photodermatitis. Letzteres war übrigens der Grund, die Substanz der Verschreibungspflicht zu unterstellen.
Forschende sind 2017 bei einem Überblick aller Cochrane-Reviews zu topischen Analgetika bei akuten und chronischen Schmerzen zu dem Schluss gekommen, dass es gute Evidenz für topische Diclofenac- und Ketoprofen-Arzneimittel bei akuten Schmerzen gebe, es allerdings auf die genaue Formulierung der einzelnen Präparate ankomme. Eine Metaanalyse mit 43 Studien aus dem »British Journal of Sports Medicine« aus dem Jahr 2018 besagt, dass durch ein Diclofenac-Pflaster der beste analgetische Effekt erzielt werden konnte, gefolgt von Gelen mit Ibuprofen, Piroxicam, Diclofenac und Ketoprofen. Die stärkste funktionsverbessernde Wirkung dabei hatte Piroxicam. Klinische Studien, die die einzelnen NSAR miteinander vergleichen, gibt es nicht.
Entscheidend für die Wirkung ist, dass der Arzneistoff bis an die verletzten Strukturen vordringen und dort ausreichend lange wirken kann. Passt die galenische Formulierung, können NSAR aus äußerlich zu applizierenden Zubereitungen gut durch die Haut diffundieren und sich dann auch tatsächlich in den schmerzenden Strukturen wie Muskulatur, Gelenkkapseln, Sehnen oder Kreuzbändern in ausreichender Konzentration anreichern, bestätigen zahlreiche Studien. »Interessanterweise lässt sich sogar eine stärkere Anreicherung in Meniskus, Knorpel und Synovialgewebe nachweisen als im Blutplasma und in der Gelenkflüssigkeit«, heißt es etwa im AMK-Statement der Ärzteschaft.
Sowohl bei Ibuprofen- als auch bei Diclofenac-haltigen Topika erzielen Emulsions- und Mikrogele die schnellste Schmerzlinderung. Sie sind bezüglich Wirkstoffresorption und -freigabe Cremes, aber auch klassischen Hydrogelen überlegen. Bei den Emulsionsgelen wie Voltaren® Schmerzgel ist der Arzneistoff in Öltropfen angereichert, die in einer Gelmatrix auf Polyacrylatbasis dispergiert sind. Das Öl verhindert ein Spannungsgefühl auf der Haut. Bei Mikrogelen wie in doc® Ibuprofen Schmerzgel ist der Wirkstoff in Mizellen eingeschlossen und kann durch die kolloide Struktur im Nanometer-Bereich das Stratum corneum rasch durchdringen.
So zeigen Untersuchungen zur Permeationsfähigkeit von Ibuprofen aus unterschiedlichen Formulierungen, dass eine fünfprozentige Mikrogel-Formulierung (Doc® Ibuprofen Schmerzgel, Dolgit® Mikrogel) einer O/W-Creme (Ibutop® Creme) gleicher Konzentration deutlich überlegen ist. Das Mikrogel zeigt eine um den Faktor 4 größere permeierte Wirkstoffmenge pro Fläche und Zeit. In vivo ist deshalb mit einer schnelleren und effizienteren Schmerzlinderung zu rechnen. Grund für die guten Wirkeigenschaften ist neben der Tatsache, dass der Arzneistoff in gelöster Form vorliegt, die Beschaffenheit des Mikrogels. Zusätze von Dimethylisosorbid, mittelkettigen Triglyceriden und Isopropanol reduzieren die Barriereeigenschaften der Hornhaut.
Auch zwischen Diclofenac-Präparaten gibt es Unterschiede. In einer von Ratiopharm unterstützten Studie verglichen Wissenschaftler die transdermale Permeation von drei unterschiedlichen topischen Diclofenac-Zubereitungen: eine einprozentige liposomale Gelformulierung mit Diclofenac-Natrium (etwa Diclo-ratiopharm® Schmerzgel) und zwei Emulsionen mit 1,16 Prozent beziehungsweise 2,32 Prozent Diclofenac-Diethylamin (etwa Voltaren® Schmerzgel/forte). Es zeigte sich, dass der Wirkstoff aus der liposomalen Gelformulierung besser durch die Haut aufgenommen wurde als aus dem einprozentigen Emulsionsgel. Erstere sorgte dafür, dass die eingedrungene Wirkstoffmenge nach neun Stunden dreimal so hoch wie beim einprozentigen Emulsionsgel war.
Nach 48 Stunden lag die permeierte Wirkstoffmenge bei der einprozentigen Liposomenformulierung mit fast 20 Prozent immer noch deutlich höher als beim einprozentigen Emulsionsgel mit 11 Prozent. Ein Vergleich mit dem zweiprozentigen Emulsionsgel ist nur bedingt möglich, da hier eine doppelt so große Menge aufgetragen wurde. Ist zwischen dem einprozentigen Emulsionsgel und dem Liposomengel zu wählen, ist Letzteres also der Punktsieger.
Worauf ist die gute Wirksamkeit des Liposomengels zurückzuführen? Es besteht aus kleinen, mit Flüssigkeit gefüllten Vesikeln, eben den Liposomen, deren Hülle ähnlich wie eine Zellmembran aus einer Phospholipid-Doppelschicht aufgebaut ist. Dank der ähnlichen Struktur können die Liposomen mit der Haut fusionieren und den Wirkstoff einschleusen.
Einige Patienten bevorzugen auch pflanzliche Alternativen. Gut, dass verschiedene Untersuchungen der vergangenen Jahre den Kenntnisstand über die Wirkweise von traditionellen Arzneipflanzen erheblich erweitern konnten. So können heute Topika mit Pflanzenextrakten aus Beinwell (wie Kytta® Schmerzsalbe, Traumaplant® Schmerzcreme) oder Arnika als ernst zu nehmende Alternative zu topischen NSAR sowohl bei Kniegelenksarthrose oder stumpfen Sportverletzungen gesehen werden.
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Diclofenac schadet der Umwelt, deshalb sollte möglichst wenig davon ins Abwasser gelangen. Klärwerke können es nur teilweise eliminieren. Schäden für Lebewesen in Gewässern und für die Vogelwelt sind nachgewiesen. Ein Aspekt, der in der Beratung zur Arzneimittelanwendung zur Sprache kommen sollte.
In der Regel sind Hände nach dem Auftragen einer wirkstoffhaltigen Salbe oder eines Gels zu waschen. Viele machen dies sicherlich auch intuitiv. Besser für die Umwelt ist es jedoch, sich die Hände zunächst mit einem Papiertuch gründlich abzuwischen. Anschließend das Tuch nicht in der Toilette entsorgen, sondern über den Restmüll (nicht die Biotonne). Erst danach können und sollen die Hände gewaschen werden. Dass diese Maßnahme effizient ist, zeigt eine aktuelle Studie, wonach der Eintrag von Diclofenac ins Abwasser um 66 Prozent reduziert wird. Die Grafik zeigt richtige Technik.