Hautprobleme bei Diabetes können durch die Erkrankung selbst oder die Therapie bedingt sein. / Foto: Adobe Stock/RFBSIP
An Hautprobleme denken die meisten Menschen beim Thema Diabetes vermutlich erst einmal nicht. Zu hohe Blutzuckerspiegel können jedoch zu Funktionsstörungen im größten Organ unseres Körpers führen. Bis zu 70 Prozent der Menschen mit Diabetes entwickeln pathologische Hautveränderungen. Das Risiko ist bei Typ-2-Diabetes höher als bei Typ-1-Diabetes. Dermatologische Auffälligkeiten können gar ein Frühwarnzeichen für einen Typ-2-Diabetes sein, da sie bereits bei prädiabetischen Patienten mit gestörter Glukosetoleranz oder erhöhten Nüchtern-Blutzuckerwerten auftreten können.
Ein mögliches dermatologisches Erstsymptom sind Candida-Infektionen, bei denen die Haut juckt, nässt und brennt. Die Mykosen befinden sich häufig im Genitalbereich oder in Hautfalten, etwa unter der Brust oder in der Leiste (Candidosis intertriginosa). Eine Infektion von Eichel und Vorhaut ist bei stoffwechselgesunden Männern selten. Für eine Vulvovaginitis sind bei Patientinnen mit Diabetes häufig Spezies wie C. glabrata verantwortlich und nicht der sonst vorherrschende Erreger C. albicans. Bei in dieser Weise auffälligen Mykosen sollte der Arzt Betroffene auf Diabetes untersuchen.
Welche Mechanismen die Haut bei Diabetes anfälliger für pathologische Veränderungen machen, ist noch nicht vollständig geklärt. Wahrscheinlich wirken verschiedene Faktoren zusammen. So entstehen zum Beispiel bei Diabetikern mehr »advanced glycation end products« (AGE), die Zellen und Gewebe schädigen. AGE sind unphysiologische Proteinderivate, die sich bilden, wenn Proteine nicht enzymatisch durch die Reaktion mit Glukose, Fruktose und Galaktose glykiert werden.
Bei hohen Zuckerwerten verliert der Organismus zudem mehr Wasser über den Urin. Des Weiteren können Nervenschäden die Arbeit von Schweiß- und Talgdrüsen beeinträchtigen. In Summe resultiert daraus eine trockene Haut mit der Neigung zu Einrissen. Bei etwa einem Drittel aller Menschen mit Diabetes begünstigt das einen chronischen Juckreiz (Pruritus). Das Kratzen fördert bakterielle Infektionen und solche mit Pilzen. Entstehende Wunden heilen schlechter als bei gesunden Menschen. Die Folgen einer durch eine gestörte Durchblutung und Nervenschäden veränderten Funktion der Haut und anderer Strukturen zeigen sich besonders drastisch beim diabetischen Fußsyndrom, das im schlimmsten Fall in einer Amputation münden kann.
Einige Hautveränderungen und -erkrankungen gehen nicht auf den Diabetes an sich zurück, sondern stellen sich als Folge der antidiabetischen Therapie ein. Bei der Beratung ist Fingerspitzengefühl gefragt, um Patienten nicht zu verunsichern und ihre Adhärenz nicht zu gefährden. Nicht nur antidiabetische Mittel, sondern grundsätzlich alle Arzneimittel können allergische Reaktionen auslösen. Als Hautsymptome sind Juckreiz, Rötung, Quaddeln oder Ekzeme möglich. Bei Sulfonylharnstoffen wird häufiger als bei anderen Antidiabetika von allergischen Hautreaktionen berichtet.
Wenn Patienten Veränderungen feststellen, die auf eine Überempfindlichkeit schließen lassen, ist eine Rücksprache mit dem Arzt empfehlenswert. In Einzelfällen können lokale allergische Reaktionen generalisieren und gefährlich werden. Sulfonylharnstoffe machen mitunter die Haut lichtempfindlicher. Wegen der photosensibilisierenden Wirkung sollten Patienten besonders darauf achten, sich ausreichend vor UV-Strahlung zu schützen.
Bei Insulinen sind Hautveränderungen selten geworden. Das liegt an den heute in Deutschland ausschließlich verfügbaren hochgereinigten Humaninsulinen und Insulinanaloga sowie den verbesserten Applikationssystemen. Denkbar sind jedoch Unverträglichkeiten gegen Zusätze wie Protamin in NPH-Insulin. Wenn Patienten zu oft in denselben Bereich spritzen, kann sich das Unterhautfettgewebe sowohl reduzieren (Lipoatrophie) als auch vermehren (Lipohypertrophie). »Insulintumore« als gutartige Veränderungen von Gewebe entstehen vermutlich durch die lipogene und anabole Wirkung von Insulin. Sie stören nicht nur optisch, sondern können auch zu schwankenden Blutzuckerspiegeln führen, wenn dadurch Insulin ungleichmäßig resorbiert wird.
Diabetiker wechseln daher am besten die Einstichstelle bei jeder Injektion systematisch, auch wenn es weniger schmerzhaft ist, in Hautstellen mit Lipohypertrophie zu injizieren. Bei Pumpenträgern kann der Insulin-Zufuhrkatheter die Haut reizen und sogar zu Abszessen führen. Patienten beugen vor, indem sie den Katheter regelmäßig reinigen und ihn nur unter sterilen Bedingungen wechseln.
Das Apothekenteam kann Tipps geben, wie sich Patienten ihr Insulin möglichst schonend verabreichen, um die Haut zu schonen:
Eine weitere Herausforderung für die Haut bei Menschen mit Diabetes ist die Blutzuckermessung. Bei der kontinuierlichen Gewebezuckermessung (CGM) können Hautirritationen entstehen, wenn ein Pflaster mehr als eine Woche getragen wird. Einige Patienten entwickeln erst nach Monaten eine Kontaktallergie gegen Bestandteile der Messsysteme. Juckende und manchmal auch schuppende Ekzeme unter dem Pflaster weisen darauf hin. Meist bleibt dann nur der Wechsel auf ein anderes System.
Hautinfektionen stehen bei Menschen mit Diabetes oft in direktem Zusammenhang mit dauerhaft hohen Blutzuckerwerten. Ihre trockene Haut reißt zudem leicht ein. Kleine Wunden dienen als Eintrittspforte für pathogene Mikroorganismen. β-hämolysierende Streptokokken können zum Beispiel ein Erysipel hervorrufen. Eine solche Wundrose erscheint als scharf abgegrenzte, rote Stelle, die schnell größer wird. Es können begleitend die Lymphknoten anschwellen und Symptome wie Fieber, Schüttelfrost und Abgeschlagenheit entstehen. Patienten sollten dann unbedingt einen Arzt aufsuchen.
Menschen mit Diabetes erkranken nicht nur häufiger als Stoffwechselgesunde an Candidosen, sondern auch an Fuß- und Nagelpilz. Offene Stellen mit weißlichen Rändern sind typisch für Tinea pedis. Bei der Onychomykose verfärbt der Pilz die Nägel und zerstört sie allmählich. Der Auslöser sind meist Fadenpilze. Das Apothekenteam rät Diabetikern besser von einer Selbstmedikation ab. Denn durch die Hautläsionen können Bakterien leichter eindringen. Leiden Patienten an diabetischen Folgeerkrankungen wie Neuropathien oder Makroangiopathien, entstehen zudem leicht Komplikationen wie ein diabetisches Fußsyndrom. Nicht nur, um Infektionen frühzeitig zu erkennen, ist es wichtig, dass Patienten ihre Haut regelmäßig untersuchen. Zu den Auffälligkeiten, auf die Betroffene achten sollten, zählen ständiger Juckreiz, Wunden, die schlecht heilen, Schwellung oder Reizung an der Injektionsstelle oder Hautverletzungen.
Bei pathologischen Hautveränderungen ist für Menschen mit Diabetes eine Selbstmedikation oft nicht ratsam. Wenn sie frühzeitig ihren Diabetologen oder Hautarzt um Rat fragen, können Schäden meist eingedämmt und gut behandelt werden. Die korrekte Diagnose ist wichtig, um keine Zeit mit Fehltherapien zu vergeuden. Antimykotika wie Fluconazol, Itraconazol oder Terbinafin werden meist lokal eingesetzt, wenn Patienten eine Pilzinfektion der Haut haben. Bei stärkerem Befall kann eine systemische Behandlung erforderlich sein. Topische Glucocorticoide sind vorübergehend bei sehr starkem Juckreiz angezeigt. Mittel der Wahl ist dabei oft eine Capsaicin-Creme, die PTA gemäß NRF individuell herstellen können. Die Konzentration kann während der Therapie von 0,025 % auf 0,1 % erhöht werden. In der Regel wird die Creme zwei- bis viermal pro Tag über einen Zeitraum von mindestens sechs Wochen angewendet.
Der Patient bemerkt zunächst einen hyperämisierenden Effekt, was auf die durchblutungsfördernden, reizenden und gefäßerweiternden Eigenschaften des Wirkstoffs zurückgeht. Der Juckreiz kann in der ersten Phase zunehmen und klingt dann bei längerer Anwendung ab. Eine antipruriginöse Behandlung verhindert im Idealfall, dass sich Patienten blutig kratzen und sich die Stellen infizieren. Bei aufgekratzten Hautbereichen und anderen Hautverletzungen ist für Menschen mit Diabetes eine gute Wundversorgung besonders wichtig. Löst ein Medikament eine allergische Hautreaktion oder Unverträglichkeit aus, kann der Arzt oft ein alternatives Arzneimittel verordnen.
Bei Diabetes ist die Pflegeroutine besonders wichtig, um die Haut gesund zu erhalten. Langes Duschen und Bäder mit heißem Wasser mögen in der kalten Jahreszeit zwar wohltuend sein, ihrer Haut tun Menschen mit Diabetes damit jedoch keinen Gefallen. Je länger Wasser einwirkt und je wärmer es ist, desto mehr Fett entzieht es der Haut. Wer gerne badet, braucht nicht völlig auf den Genuss zu verzichten, greift aber am besten zu einem Ölbad oder fügt dem Wasser pH-neutrale, feuchtigkeitsspendende und rückfettende Badezusätze zu. Zum Duschen bieten sich Duschöle an.
Zum Eincremen danach kann das Apothekenteam rückfettende Bodylotionen mit einem hohen Anteil an Feuchtigkeitsbindern wie Urea empfehlen. Bei der Hautpflege ist besonders auf Stellen wie Beine, Füße oder Ellbogen zu achten, die zur Trockenheit neigen. Gesicht und Hände brauchen im Winter Extrapflege. Wasser-in-Öl-Emulsionen bilden eine Isolations- und Schutzschicht auf der Haut. Im Winter halten sie Kälte ab und verhindern, dass die Haut zu sehr austrocknet. Das Apothekenteam kann Produkte mit Inhaltsstoffen wie Urea oder Panthenol empfehlen.
Achtung! Immer bevor man aus der Dusche oder der Wanne steigt, muss man die Füße mit klarem Wasser abspülen. Die Reste des Dusch- oder Badewassers an den Füßen können Infektionen begünstigen.
Lippen werden durch Pflegestifte oder spezielle Lippencremes weich und geschmeidig gehalten. Hydrogele, alkoholhaltige Pflegeprodukte wie Gesichtswasser oder aggressive Peelings sind bei Diabetes zu meiden. Häufiges Händewaschen mit Seife verringert zwar die Keimbelastung und kann vor Krankheiten schützen, trocknet die Haut aber aus. Weniger belastend für die Haut ist es, die Hände zu desinfizieren. Solange kein sichtbarer Schmutz vorhanden ist, ist Desinfektionsmittel daher die bessere Wahl als das Waschen mit Seife.
Menschen mit Diabetes, die an kranker Haut leiden, kann das Apothekenteam beruhigen. Hautveränderungen bessern sich oft oder bilden sich gar zurück, wenn der Blutzuckerspiegel gut eingestellt ist. Das gilt allerdings nicht für Wunden an den Füßen. Hier braucht ein Diabetiker dringend Fachleute, um schlimmeres zu verhindern, am besten in einer diabetologischen Fußambulanz.