PTA-Forum online
Therapie

Bei Gicht schnell handeln und dauerhaft vorbeugen

Eine Gichtattacke ist extrem schmerzhaft und erfordert schnelles medikamentöses Eingreifen. Damit ist es aber nicht getan: Nach dem ersten Anfall startet die Dauertherapie – hier mangelt es bei vielen Patienten allerdings erfahrungsgemäß an Adhärenz.
Verena Schmidt
24.05.2022  12:00 Uhr

Das erste Mal trifft es die Patienten meist nachts wie aus heiterem Himmel: ein akuter Gichtanfall, der mit extremen Schmerzen einhergeht. Das betroffene Gelenk, typischerweise im großen Zeh, oder auch in Fingern oder Ellenbogen, schwillt an, die Haut in der Region ist stark gerötet und heiß. Manchmal kommen auch noch Fieber und Übelkeit mit dazu.

Von der Stoffwechselerkrankung Gicht (Arthritis urica) sind bundesweit rund 1 Million Menschen betroffen, Männer deutlich häufiger als Frauen. Die Gicht gehört zu den Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises. Sie galt zu früheren Zeiten als »Wohlstandserkrankung« oder »Krankheit der Könige«, brachte man sie doch vor allem mit einer üppigen Ernährung mit viel Fleisch und Alkohol in Verbindung. Die Forschung allerdings zeigt mittlerweile, dass die Ernährung wohl eine kleinere Rolle spielt als angenommen. Vielmehr scheint die Stoffwechselstörung bei den meisten Patienten vor allem genetisch bedingt zu sein. Die Ernährung ist nicht Ursache, sondern vielmehr Auslöser einer Gichtattacke.

Kristalle lösen Entzündung aus

Ein Gichtanfall entsteht durch einen erhöhten Harnsäurespiegel im Blut. Übersteigt die Harnsäurekonzentration einen Wert von circa 6 mg/100 ml, bilden sich Harnsäurekristalle, die sich in der Gelenkhaut absetzen und die enorm schmerzhafte Entzündungsreaktion auslösen. Harnsäure entsteht in den Zellen beim Abbau von Purinen. Diese kann der Körper selbst herstellen, sie werden aber auch über bestimmte Lebensmittel aufgenommen. Die Harnsäure wird über die Nieren ausgeschieden – dieser Prozess ist bei den meisten Gichtpatienten genetisch bedingt reduziert beziehungsweise verlangsamt.

Kommen bei einem Patienten weitere Grunderkrankungen wie Diabetes, Nierenleiden oder eine arterielle Hypertonie hinzu, kann die Ausscheidungsleistung der Niere schnell an ihre Grenzen kommen. Auch Arzneimittel, die die Nierentätigkeit beeinflussen, haben Auswirkungen auf den Harnsäurespiegel. Hier sollte man vor allem an Thiazide (Hydrochlorothiazid, Chlortalidon, Xipamid, Indapamid), Schleifendiuretika (Furosemid, Torasemid), Acetylsalicylsäure, Levodopa, Ciclosporin A, Tacrolimus und Tuberkulostatika denken.

Im Akutfall heißt es: schnell handeln. Zunächst muss die Entzündungskaskade so schnell wie möglich gestoppt werden. Die Therapie sollte am besten innerhalb von 24 Stunden beginnen. Überwiegend kommen heute nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) – Mittel der Wahl ist Naproxen – sowie Corticosteroide zum Einsatz, jeweils in maximaler Dosis über zwei bis drei Tage.

Mittel der zweiten Wahl beim akuten Gichtanfall ist Colchicin: Das Alkaloid aus der Herbstzeitlosen ist ein Mitosegift, das in hohen Dosen die Zellteilung hemmt. In niedrigeren Dosierungen scheint es bei Gichtpatienten die Einwanderung von Leukozyten in den Gichtherd zu hemmen. Ein wichtiger Hinweis für Patienten: Colchicin hat eine geringe therapeutische Breite. Immer wieder treten vereinzelt versehentliche Überdosierungen auf – teils mit tödlichem Ausgang –, obwohl Beipackzettel und Fachinformationen mit Warnhinweisen versehen sind.

Colchicin in toxischer Dosis

Ist die Ausscheidung reduziert, etwa bei Patienten mit eingeschränkter Nieren- oder Leberfunktion, oder wenden die Patienten gleichzeitig andere Medikamente an, die CYP3A4- und/oder p-Glykoprotein hemmen, kann der Colchicin-Blutspiegel schnell in den toxischen Bereich steigen. Überdosierungserscheinungen sind unter anderem Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Blutdruckabfall und Verwirrtheit. Eine Gesamtdosis von 8 mg Colchicin innerhalb von 24 Stunden beziehungsweise von 12 mg pro Gichtanfall darf nicht überschritten werden.

Sind NSAR, Corticoide und Colchicin kontraindiziert oder zeigen keine Wirkung, kann der Interleukin-Antikörper Canakinumab eingesetzt werden. Er ist zugelassen bei Patienten mit häufigen Anfällen (mindestens drei innerhalb von zwölf Monaten).

Weitere Anfälle vermeiden

Gleich mit dem ersten Anfall beziehungsweise unmittelbar danach sollte eine harnsäuresenkende Dauertherapie starten, um weitere Anfälle und Folgeschäden an Knochen und Gelenken zu vermeiden. PTA sollten Apothekenkunden unbedingt darauf hinweisen, wie wichtig die regelmäßige Einnahme der Medikamente ist. Untersuchungen zeigen, dass es bei vielen Gichtpatienten an Adhärenz mangelt: Ist der schmerzhafte Anfall erst überstanden, gerät die Notwendigkeit, dauerhaft ein Gichtmittel einzunehmen, schnell in Vergessenheit.

Bei der Dauertherapie stehen die Urikostatika Allopurinol (erste Wahl) und Febuxostat im Fokus. Beide hemmen das Enzym Xanthinoxidase und damit die Harnsäurebildung. Allopurinol wird einschleichend dosiert, wobei der Harnsäurespiegel zunächst engmaschig kontrolliert wird. Die PTA sollte im Kundengespräch darauf hinweisen, dass die Einnahme nach dem Essen erfolgt und die Trinkmenge erhöht werden sollte. Als schwerwiegende Nebenwirkungen können unter anderem Hautreaktionen wie das Stevens-Johnson-Syndrom und die toxisch epidermale Nekrose auftreten, vor allem im ersten Behandlungsmonat.

Febuxostat ist ein Reservemedikament. Im Vergleich zu Allopurinol treten unter Febuxostat mehr Nebenwirkungen auf und es besteht ein erhöhtes Risiko für eine kardiovaskulär bedingte Mortalität, worauf ein Rote-Hand-Brief 2019 hingewiesen hatte.

Ebenfalls zur Dauertherapie und Anfallsprophylaxe werden die beiden Urikosurika Benzbromaron und Probenecid eingesetzt. Beide fördern die Ausscheidung von Harnsäure. Benzbromaron ist bei Niereninsuffizienz kontraindiziert, und die Leberenzyme sollten unter der Therapie regelmäßig kontrolliert werden. Da sich die Konzentration von Harnsäure in der Niere erhöht, steigt das Risiko, dass sich Nierensteine bilden. Der Patient sollte daher viel trinken, mindestens zwei Liter sollten es täglich sein. Begleitend wird in der Regel auch der Harn-pH-Wert mit Kaliumcitrat/Natriumhydrogencarbonat auf 6,2 bis 6,8 eingestellt, weil in diesem Bereich die Harnsäure besser löslich ist.

Die Ernährung umstellen

Unbestritten ist, dass der Konsum purinreicher Kost Gichtattacken auslösen kann – nicht selten kommt es etwa nach einem üppigen Essen mit viel Alkohol zu einem Anfall. Die meisten Patienten profitieren also von einer Ernährungsumstellung, auch Übergewicht sollte abgebaut werden. Meiden sollten Gichtpatienten Fleisch, vor allem Wurstwaren, Innereien, Meeresfrüchte, fetten Fisch wie Hering und Makrele sowie Lebensmittel mit Hefeextrakt. Besonders schädlich ist auch ein Übermaß an Fructose, welches über Softdrinks und Fertigprodukte (High Fructose Corn Syrup, HFCS) aufgenommen wird. Empfehlenswert sind hingegen Milch und Milchprodukte – die Milchproteine Casein und Lactalbumin steigern die Ausscheidung von Harnsäure. In milder Form scheint das auch auf Vitamin C zuzutreffen, hier sind 500 mg pro Tag empfehlenswert.

Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
SENDEN
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.
TEILEN
Datenschutz

Mehr von Avoxa