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Ernährungstherapie

Bei Niereninsuffizienz Lebensjahre gewinnen

Mit nachlassender Nierenfunktion sammeln sich vermehrt Stoffwechselgifte im Blut an. Durch eine nierenfreundliche Ernährung kann aber die Menge schädlicher Abbauprodukte verringert werden. Der Fokus beim Speiseplan liegt darauf, ein Voranschreiten der Krankheit und damit den Dialysebeginn zu verzögern.
AutorKontaktCornelia Höhn
Datum 03.01.2022  12:00 Uhr

Zum Hintergrund: Unsere Nieren haben vielfältige Aufgaben. Unter anderem obliegt ihnen die Ausscheidung harnpflichtiger Substanzen sowie die Regulation von Blutdruck, Wasser- und Elektrolythaushalt. In der Rinde einer jeden Niere befinden sich etwa eine Million Nephrone mit Blutgefäßknäuel, den Glomeruli. Dort werden pro Tag 180 Liter Primärharn aus dem Blut abfiltriert, um Stoffwechselendprodukte zu entfernen.

Beim Durchlauf durch den Tubulus wird daraus etwa 1,8 Liter ausscheidungsfähiger Urin täglich gebildet. Die als glomeruläre Filtrationsrate (GFR) bezeichnete Blutreinigung ist ein Maß dafür, wie gut die Niere arbeitet. Schon ab dem 20. Lebensjahr verliert die gesunde Niere jährlich etwa 1 Prozent ihrer Filterleistung.

Typische nephrologische Erkrankungen wie eine interstitielle Nephritis, Glomerulonephritis oder Zystenniere sind für etwa 50 Prozent der chronischen Nierenerkrankungen verantwortlich. Auch manche Medikamente greifen das Nierengewebe an. Die andere Hälfte ist die Folge vaskulärer Schädigungen, die Einbußen sind also auf Diabetes und Bluthochdruck zurückzuführen, Tendenz steigend. Insofern könnte man Diabetiker und Hypertoniker durchaus als potenzielle Risikogruppe oder Nierenpatienten von morgen bezeichnen.

Nierenpatienten von morgen

Klar: Eine konsequente Behandlung der zugrunde liegenden Erkrankung verhindert oder verzögert das Nachlassen der Nierenfunktion. Laut aktuellen Empfehlungen der nationalen Versorgungsleitlinie zu Nierenerkrankungen bei Diabetes sollte der HbA1c-Wert zwischen 6,5 und 7,5 % liegen.

Die Gruppe der Gliflozine und der GLP-1-Analoga punkteten in mehreren großangelegten Studien mit einem schützenden Effekt auf Niere und Herz-Kreislauf-System, stellen also bevorzugte Therapieoptionen dar. Beim Hypertoniker sind strikte Blutdruckkontrollen Pflicht (< 130/80 mmHg). Besonders geeignet sind ACE-Hemmer und Sartane, sie senken nicht nur den Blutdruck, sondern auch das Drucktrauma im Glomerulum.

Eine chronische Nierenerkrankung ist häufiger als man denkt und bleibt oft lange unerkannt. Deshalb sind die Bestimmung des Kreatinins und des GFR-Wertes sowie eine Urinkontrolle auf Albumin und Hämoglobin auch präventiv bei gesunden Älteren anzuraten. Bereits eine mittelgradige Niereninsuffizienz erhöht das Risiko für Herzinfarkt oder Schlaganfall signifikant, sodass viele Patienten schon vor Erreichen des Dialysestadiums versterben.

Eingeschränkte Auswahl

Nierenerkrankungen sind eine klassische Domäne der Ernährungsmedizin, Patienten sollten in einer nephrologischen Praxis unter Berücksichtigung ihrer Vorlieben geschult werden. Freude am Essen fördert die Adhärenz und damit einen guten Ernährungszustand.

In der frühen Phase bekommen sie den Auftrag, ihren Eiweiß- und Kochsalzverzehr einzuschränken, der Energie- und Vitaminbedarf bleibt vorerst unverändert. Für gesunde Erwachsene empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) eine tägliche Eiweißzufuhr von 0,8 g/kg Körpergewicht. Durch hohen Fleischkonsum bleibt es jedoch bei vielen Bundesbürgern nicht bei diesen 50 bis 70 g Eiweiß pro Tag.

Nierenerkrankte sollten die ihnen auferlegte Proteinbeschränkung von 0,6 bis 1,0 g/kg Körpergewicht aber beherzigen. Ein Zuviel an Eiweiß begünstigt die Alterung der Nierenkörperchen. Geschickte Eiweißkombinationen und eine hohe biologische Wertigkeit durch gemeinsamen Verzehr von pflanzlichem und tierischem Eiweiß im Rahmen einer ovolacto-vegetabilen Kost sind empfohlen (Beispiele siehe Kasten)

 

Um die Blutdruckeinstellung optimal zu unterstützen und der Proteinurie entgegenzuwirken, müssen Nierenkranke auch besonnen mit Salz umgehen und sollten nicht mehr als 5 bis 6 g täglich zu sich nehmen - eine Empfehlung, die übrigens gleichermaßen für Gesunde gilt. Zu bedenken: 80 Prozent der täglichen Salzaufnahme stammen aus verarbeiteten Lebensmitteln oder werden beim Außerhausverzehr aufgenommen. Wurst, Käse, Brot, Fertiggerichte sowie Knabberartikel sind also zu reduzieren und Speisen sollten möglichst selbst zubereitet werden nach der Devise: würzen statt salzen.

Mineralien-ABC

Bezüglich des Kaliumgehaltes haben Patienten im Anfangsstadium freie Lebensmittelauswahl, sofern keine erhöhten Kaliumwerte im Blut vorliegen. Kochsalzersatzmittel sind wegen des hohen Kaliumgehaltes jedoch keine Alternative im Salzstreuer.

Im Verlauf der Erkrankung lässt die Ausscheidungsfähigkeit des Calciumräubers Phosphat nach, Osteoporose und Gefäßverkalkung sind dann gefürchtete Komplikationen. Vorteilhaft also, dass Phosphat reichlich in eiweißhaltigen Lebensmitteln enthalten ist, die auch eingeschränkt werden müssen.

Folgende Lebensmittel haben besonders viel Phosphat im Gepäck: Innereien, Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, Nüsse, Schokolade, Hartkäse und Bier, wobei die Bioverfügbarkeit aus pflanzlichen Lebensmitteln deutlich niedriger ist. Mit einem mittleren Gehalt kommen Fleisch, Fisch, Eier und Milchprodukte daher. Sie können in den empfohlenen Mengen gegessen werden. Frischkäse beispielsweise hat nur ein Viertel der Phosphatmenge von Emmentaler.

Phosphatzusätze verbergen sich hinter den E-Nummern E322, E338-341, E343, E450a-c, E540, E543-544 - zu finden in Wurst, Schmelzkäse, Kondensmilch, Backpulver oder Cola-Getränken und von Nierenerkrankten gänzlich zu meiden.

Der Calciumbedarf liegt laut aktuellen Empfehlungen bei 1 g. Unter Beachtung der reduzierten Menge an Milchprodukten kommt grünen, oxalatarmen Gemüsen wie Grünkohl und Brokkoli eine tragende Rolle zu. Die Calciumresorption liegt hier bei über 50 Prozent, während aus oxalatreichen Sorten (Spinat, Mangold, Rhabarber, Rote Bete) nur maximal 20 Prozent aufgenommen werden können. Über eine zusätzliche Supplementierung sollte der behandelnde Arzt entscheiden, da die im Krankheitsverlauf nachlassende Ausscheidung eine Calcifizierung der Blutgefäße und Arteriosklerose weiter begünstigen kann.

Ein Mangel an Magnesium wird als Risikofaktor für eine weiter abnehmende Nierenfunktion sowie deren Begleiterkrankungen angesehen. Auch hier sollte der Arzt mit ins Boot geholt werden, da der Speiseplan viele magnesiumreiche Lebensmittel wie Sonnenblumenkerne, Mandeln, Walnüsse und Vollkorngetreide ausklammert.

Sofern keine eingeschränkte Urinausscheidung festgestellt wird, ist eine Trinkmenge von weiterhin 2 bis 3 Litern empfohlen. Sie fördert die Ausscheidung harnpflichtiger Stoffe. Geeignete Getränke sind Wasser, Tee und Saftschorlen. Auf Cola- und Instant-Getränke, Milch und Alkohol ist zu verzichten. Ein höherer Kaffeekonsum scheint nicht mit einer verringerten Lebenserwartung einherzugehen.

Das Energiedefizit - Resultat der eiweißreduzierten Kost - muss durch ein Mehr an Fetten und Kohlenhydraten ausgeglichen werden. Getreideprodukte, Obst und Gemüse sind hierbei in der Prädialysephase Hauptkohlenhydratquellen. Gute Fettlieferanten sind Oliven- und Rapsöl, hochwertige Pflanzenmargarinen und Avocados (Achtung: sehr kaliumreich).

Um ihre Kalorienversorgung sicherzustellen, dürfen die sonst in ihrer Lebensmittelauswahl stark eingeschränkten Betroffenen zu Schleckermäulern werden und zu Sahne, Crème fraîche, Zucker, Honig oder Gebäck ohne Nüsse greifen. Blutzucker- und Lipidwerte kontrollieren!

Dialyse ändert alles

Bei weit fortgeschrittener Niereninsuffizienz muss die Dialyse die Entgiftungsfunktionen der Niere übernehmen, kann aber bei Weitem nicht so viel leisten wie das gesunde Organ. Ess- und Trinkgewohnheiten müssen neu angepasst werden, auf kritische Nahrungsbestandteile ist fortan zu verzichten. Da täglich entgiftet wird, lässt die zu Hause durchgeführte Peritonealdialyse (Bauchfelldialyse) mehr Spielraum im Speiseplan zu als die in Spezialpraxen durchgeführte Hämodialyse.

Mit der Dialysatlösung gehen Aminosäuren verloren, weil Proteine vermehrt abgebaut werden. Dieser sogenannte Eiweißkatabolismus mindert das Hungergefühl. Die empfohlene Zufuhr von Proteinen erhöht sich daher auf 1,1 g/kg Körpergewicht bei Hämodialyse beziehungsweise 1,2 g/kg bei Bauchfelldialyse. Tierische und pflanzliche Proteine sollten sich die Waage halten. Letztere enthalten geringere Mengen schwefelhaltiger Aminosäuren – vorteilhaft bei der Übersäuerung des Blutes (Acidose), die im Rahmen der nachlassenden Nierenfunktion auftritt und Appetitmangel und Übelkeit zur Folge hat.

Der Kalorienbedarf muss ebenfalls nach oben korrigiert werden (30 bis 35 kcal/kg). Triftige Gründe also, warum jetzt besonders auf eine abwechslungsreiche Kost mit hoher Energie- und Nährstoffdichte geachtet werden muss. Empfehlenswert sind 5 bis 6 kleinere, kalorienreiche Mahlzeiten, die die Lieblingsgerichte der Betroffenen möglichst berücksichtigen. Sie müssen ermutigt werden, auch bei fehlendem Appetit zu essen. Schließlich sind 40 bis 70 Prozent der Dialysepatienten mangelernährt. Auch Spezialtrinknahrung oder -riegel können Kalorien und Protein für Muskelkraft und eiweißabhängige Körperfunktionen liefern.

Der Kalium-Stau

Gleichermaßen lebenswichtig wie lebensverändernd ist die nun zwingend erforderliche Einschränkung der Kaliumzufuhr. Durch längere Pausen zwischen den Hämodialysen, beispielsweise übers Wochenende, drohen lebensgefährliche Herzrhythmusstörungen durch überhöhte Blutkaliumspiegel. Patienten müssen deshalb unbedingt über den Kaliumgehalt verschiedener Lebensmittel und deren optimale Verarbeitung aufgeklärt werden. Die tägliche Zufuhr sollte 2 g nicht überschreiten.

Obst, Gemüse und Kartoffeln werden klein geschnitten und vor dem Garen mehrere Stunden gewässert, um Kalium zu entfernen. Zum anschließenden Kochen wird frisches Wasser verwendet. Bei Tiefkühlkost oder Konserven wird die Flüssigkeit weggegossen sowie Obst und Gemüse gut abgespült. Statt Milch wird ein Sahne-Wasser-Gemisch bevorzugt. Bei langem dialysefreien Intervall sind weißer Reis oder Nudeln als Beilage der Kartoffel vorzuziehen.

Besonders kaliumreiche Lebensmittel wie Bananen, Aprikosen, Avocado, Trockenobst, Schokolade und Nüsse werden vom Speiseplan genommen. Portionsgrößen müssen strikt beachtet werden. Dialysepatienten sind durch diese Einschränkungen mit Vital- und Ballaststoffen oft unterversorgt. Sie sollten mit ihrem Arzt klären, ob Nahrungsergänzungen sowie ein kaliumarmes Ballaststoffpräparat notwendig sind.

 

Kaliumreiches Lebensmittel Kaliumarme Alternative
Banane
Grünkohl
Pellkartoffeln
Milch
Vollkornbrot
Milchschokolade
Apfel
Chinakohl
Kartoffelstücke, geschält, gewässert
Sahne-Wasser-Gemisch (1/3 zu 2/3)
Weißbrot
weiße Schokolade
Tabelle

Im Dialysestadium wird aufgrund der nun erhöhten Eiweißzufuhr und gleichzeitig fehlender renaler Phosphatelimination vermehrt Phosphat aufgenommen, mit nun deutlich steigendem Risiko für Osteoporose und Gefäßverkalkung. Die Einnahme von Phosphatbindern zur Mahlzeit wird daher bei den meisten Dialysepatienten erforderlich. Patienten werden geschult, ihre tägliche Phosphatzufuhr abzuschätzen (maximal 1,2 g) und die Dosis des Phosphatbinders pro Mahlzeit anzupassen.

Die in früheren Krankheitsstadien begonnene Einschränkung der Natriumzufuhr ist nun noch wichtiger, denn Kochsalz begünstigt Durst. Da die Nieren Wasser aber nur noch in geringem Maße ausscheiden können, sammelt es sich zwischen den Dialysesitzungen im Körper an und kann zur Überwässerung des Körpers mit Lungenödem führen.

Betroffene müssen daher die ärztlich empfohlene Trinkmenge einhalten:

Enorm wichtig ist, den Flüssigkeitsgehalt der Speisen zu berücksichtigen, denn Suppen, Joghurt, Obst und Gemüse bestehen zu einem großen Teil aus Wasser. Gegen das Durstgefühl helfen das Lutschen von Zitronenstückchen, kleinen Eiswürfeln, Pfefferminzbonbons oder Kaugummi. Auch Mundspüllösungen können Linderung verschaffen.

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