Beratung bei Biologika |
Januskinase-(JAK)-Inhibitoren sowie Zytokin-blockierende Antikörper erzielen durch ihren passgenaueren Wirkmechanismus viel bessere Ergebnisse als herkömmliche Therapieoptionen. / Foto: Shutterstock/Image Point Fr
»Das bessere Verständnis der Immunpathologie der Neurodermitis ist die Basis dafür, dass wir heute effektivere Wirkstoffe für mittelschwer und schwer Betroffene zur Verfügung haben«, informierte Professor Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz, Goethe-Universität Frankfurt am Main, in seinem Referat über die Neuentwicklungen in der Therapie der atopischen Dermatitis (AD).
Eine atopische Dermatitis (AD) entsteht auf dem Boden einer genetischen Veranlagung und wird als Hautbarrierestörung mit einem veränderten Mikrobiom und fehlgeleiteten Immunreaktionen verstanden. »Weil wir heute die zentralen Player im Immun- und Entzündungsgeschehen der atopischen Dermatitis kennen, konnten passgenaue Arzneistoffe entwickelt werden, die den Krankheitsprozess aufhalten. Nach zwanzig Jahren Stillstand sehen wir ein Fenster weit offen mit vielen neuen Entwicklungen.« So wisse man zum Beispiel, dass Interleukin (Il)-31 der Hauptverantwortliche für den Juckreiz ist, aber keinen maßgeblichen Einfluss auf das Entzündungsgeschehen hat. Ganz im Gegensatz zu Il-13, das eine zentrale Rolle für die Entstehung und Aufrechterhaltung der Neurodermitis-Haut spielt. »Il-13 findet sich bei nahezu allen Betroffenen sowohl auf m-RNA-, also Bauplan-Ebene als auch auf Proteinbasis.«
In der Tat: Standen bis vor Kurzem für schwer Erkrankte nur unspezifisch breit wirkende Immunsuppressiva wie Glucocorticoide, Ciclosporin und Off-Label-Therapeutika wie Azathioprin oder Methotrexat zur Verfügung, erzielen die Januskinase-(JAK)-Inhibitoren Baricitinib (Olumiant®) und Upadacitinib (Rinvoq®) sowie die Zytokin-blockierenden Antikörper Dupilumab (Dupixent®) und Tralokinumab (Adtralza®) durch ihren passgenaueren Wirkmechanismus viel bessere Ergebnisse. Weil sie die Januskinasen und die oben genannten Interleukine gezielt ausschalten, können sie die Krankheitslast auch bei schweren Verläufen und in der Langzeittherapie nachhaltig senken. Das gelte sowohl für die Mono- als auch für die Kombitherapie etwa mit topischen Glucocorticoiden. »Das im Juni 2021 zugelassene Tralakinumab zeigte etwa, dass die Menge an Mometasonfuroat bei einer begleitenden topischen Steroidtherapie signifikant reduziert werden konnte«, informierte der Apotheker.
Das erste zur Behandlung der moderaten bis schweren AD zugelassene Biologikum Dupilumab hat bereits Eingang in verschiedene Leitlinien gefunden. 60 bis 70 Prozent Wirkeffektivität und gute Verträglichkeit sprechen für das neue Systemarzneimittel. Noch ohne Erwähnung in Leitlinien sind das Biologikum Tralokinumab sowie die JAK-Inhibitoren Baricitinib und Upadacitinib. Mit Abrocitinib könne bald ein weiterer oraler und mit Ruxolitinib gar ein topischer JAK-Inhibitor folgen. »Ob sich die JAK-Hemmer zukünftig durchsetzen werden, hängt primär von der Verträglichkeit ab«, sagte Schubert-Zsilavecz. Zur Unbedenklichkeit in Langzeiteinnahme fehlten bislang noch Daten.
Auch bei den Biologika Dupilumab und Tralokinumab, die alle zwei Wochen mittels Fertig-Pen oder Fertigspritze injiziert werden müssen, machte der Apotheker auf die Nebenwirkungen aufmerksam. Bei der Anwendung kann eine Konjunktivitis, also eine Bindehautentzündung am Auge, oder eine Blepharitis, eine Lidrandentzündung, auftreten. »Das Apothekenteam sollte auf diese passagere unerwünschte Wirkung hinweisen und auch aufzeigen, wie ihr entgegengetreten werden kann«, sagte Schubert-Zsilavecz.
Quelle: GD-Stellungnahme zur Therapie der atopischen Dermatitis mit Biologika
In diesem Zusammenhang verwies Dr. Andrea Krüger-Szabo von der Firma Leo Pharma in der anschließenden Diskussion auf die Bedeutung des Dreiecksverhältnis zwischen Patient, Arzt und Apothekenteam für die Wirksamkeit hin. »Um effektiv wirken zu können, braucht es eine gute Beratung in der Apotheke. Biologika sind erklärungsbedürftig. Die Therapie-Spritzen sind Hightech-Präparate. Viele Fragen ergeben sich nicht beim Arzt, sondern erst in der Apotheke.« Sie verwies auf die aktuelle Stellungnahme der Gesellschaft für Dermopharmazie zur Therapie der atopischen Dermatitis mit Biologika. Diese enthalte viele praxisnahe Hinweise und erleichtere so die Patientenberatung in der Apotheke. »Die Beratung gehört zu den neuen Arzneimitteln dazu.«