Beratung unter anderen Umständen |
Caroline Wendt |
07.04.2025 08:30 Uhr |
Bei den meisten Arzneimitteln ist in den Packungsbeilagen nicht viel zum Thema Schwangerschaft zu finden. Eine gute Beratung kann hingegen in vielen Fällen aufklären. / © Getty Images/AntonioGuillem
Viele Frauen sind verunsichert und möchten lieber gar keine Arzneimittel einnehmen, aus Sorge, dem Ungeborenen zu schaden. Das ist auch richtig, doch gibt es Ausnahmen, da auch eine Erkrankung oder starke Schmerzen Folgen für Mutter und Kind haben können.
Ganz klar kann man sagen, dass chronische Erkrankungen wie Asthma, Depressionen, Bluthochdruck oder Diabetes eines Facharztes bedürfen – unabhängig davon, ob die Krankheit bereits vor der Schwangerschaft bestand oder erst durch die hormonellen Veränderungen begünstigt wurde. In den meisten Fällen ist eine Therapie angezeigt und kann mit Medikamenten, die auch in der Schwangerschaft erlaubt und erprobt sind, beziehungsweise, bei denen Nutzen und Risiko streng abgewogen wurden, durchgeführt werden. Bei leichten Beschwerden können PTA und Apotheker zunächst empfehlen, auf milde Hausmittel zurückzugreifen. So können beispielsweise Fenchel-, Anis-, Kümmel- oder Kamillentee bei Magenbeschwerden helfen. Die gute alte Wärmflasche ist allerdings nur mit Vorsicht zu benutzen. Sie sollte nicht wärmer als 40 Grad Celsius sein und maximal 10 Minuten auf dem Bauch liegen. Der Grund: Das Ungeborene kann seine Temperatur noch nicht selbst regulieren und könnte überhitzen.
Bei einem Schnupfen können neben Wasserdampfinhalation und Nasenduschen auch Koch- oder Meerwassernasensprays lindernd wirken. Reicht dies nicht aus, so sind laut des Informationsdienstes der Charité, www.embryotox.de, auch abschwellende Nasensprays während der gesamten Schwangerschaft sicher anzuwenden. Xylometazolin oder Oxymetazolin wirken vasokonstriktorisch an den Nasenschleimhäuten und werden bei normaler Dosierung nur in geringen Mengen resorbiert. Ein Einfluss auf die Uterusgefäße und eine Minderperfusion der Plazenta seien somit nicht zu erwarten. Die Anwendung sollte nicht länger als sieben Tage erfolgen, um einen Gewöhnungseffekt zu verhindern.
Dauern die Beschwerden länger an, sollten PTA im Hinterkopf haben, dass eine eingeschränkte Nasenatmung auch eine andere Ursache haben kann. Etwa jede fünfte Schwangere leidet nämlich unter einer Rhinopathia gravidarum. Hierbei lässt der erhöhte Estrogenspiegel die Nasenschleimhaut anschwellen. Im Gegensatz zu kochsalzhaltigen Nasensprays sollten abschwellende Arzneimittel hier nicht zum Einsatz kommen.
Bei Kopfschmerzen und Fieber können beispielsweise Wadenwickel die Körpertemperatur senken sowie Pfefferminzöl, auf die Schläfenregion massiert, den Brummschädel besänftigen. Bei den Medikamenten ist Paracetamol während der gesamten Schwangerschaft das Mittel der Wahl. Nicht steroidale Antiphlogistika/Antirheumatika (NSAID) dürfen nur im ersten und zweiten Trimenon angewendet werden, da sie ansonsten, zwar in sehr seltenen Fällen, aber dennoch nicht auszuschließen, den Ductus arteriosus Botalli beim Fetus vorzeitig verschließen und zu einer Schädigung der fetalen und neonatalen Nierenfunktion führen können. Aus der Gruppe der NSAID ist Ibuprofen der zu bevorzugende Wirkstoff.
Beim Thema Husten gestaltet sich die Beratung komplizierter. Zu schleimlösenden Präparaten mit Ambroxol oder Acetylcystein liegen nur wenige Daten vor. Gemäß Embryotox können sie jedoch eingesetzt werden, wenn Inhalationsbehandlung und ausreichend Flüssigkeitszufuhr nur unzureichend helfen. Anstelle von Bromhexin sollte besser dessen wirksamer Metabolit Ambroxol genutzt werden.
Bei den pflanzlichen Arzneimitteln ist die Datenlage noch schlechter, daher sollten zunächst die besser untersuchten Substanzen Acetylcystein, Ambroxol oder Bromhexin zum Einsatz kommen. Dennoch scheint die Anwendung von Thymian- oder Efeuextrakten akzeptabel zu sein. Bei der Auswahl der Präparate ist jedoch unbedingt darauf zu achten, dass die Zubereitung ohne Alkohol ist. Ein abortiver Effekt von Thymian ist gemäß den Experten der Charité bei den üblichen Dosierungen nicht zu erwarten.
Bei Reizhusten kann der Wirkstoff Dextromethorphan verwendet werden. Allerdings gibt es für die Anwendung im zweiten und dritten Trimenon deutlich weniger Erfahrungen als für die ersten Wochen der Schwangerschaft. Wegen des zwar geringen, aber dennoch vorhandenen Suchtpotenzials sollte die Anwendung auf wenige Tage beschränkt werden.
Ein weiteres häufiges Beratungsthema sind Allergien, da sich der Kontakt zu einem Allergen nicht immer vermeiden lässt. Bei den systemisch wirkenden H1-Antihistaminika sind Loratadin und Cetirizin die Mittel der Wahl. Beide können in allen Phasen der Schwangerschaft eingesetzt werden. Laut Embryotox ist Loratadin das am besten untersuchte Antihistaminikum. Azelastin und Levocabastin werden hingegen nur als akzeptabel eingestuft, was vor allem an der dünnen Datenlage liegt.
Aufgrund der geringen Resorption seien bei lokaler Anwendung als Augentropfen oder Nasenspray keine systemischen Wirkungen zu erwarten und eine Anwendung während der Schwangerschaft möglich, so die Experten der Charité. Eine weitere Option in der Therapie von Allergien während einer Schwangerschaft ist Cromoglicinsäure. Der Mastzellstabilisator gehört ebenfalls zu den Mitteln der Wahl.
Gerade zu Beginn einer Schwangerschaft leiden viele Frauen unter Übelkeit und Erbrechen (Emesis gravidarum). Diese treten zwar bevorzugt morgens auf, können aber zu jeder Tages- und Nachtzeit Probleme verursachen, weswegen die Bezeichnung »Morgenübelkeit« eigentlich nicht zutreffend ist. Die Beschwerden beginnen etwa in der vierten bis siebten Schwangerschaftswoche (SSW) und enden in 60 Prozent der Fälle mit dem Ende des ersten Trimenon (13. SSW). Nach der 20. SSW sind 90 Prozent der Frauen wieder beschwerdefrei.
Verursacht wird die Übelkeit wahrscheinlich von dem rasanten hCG- und Östrogenanstieg zu Beginn der Schwangerschaft. Die Schwere der Symptome ist dabei stark variabel. Bei leichter Übelkeit kann es helfen, eine Kleinigkeit zu essen, möglichst kohlenhydrat- und proteinreich. Bekannte Trigger wie fettes Essen oder unangenehme Gerüche meiden betroffene Frauen am besten. Auch die orale Einnahme von Eisenpräparaten kann Übelkeit verursachen.
Laut der Informationsseite der Charité scheinen Ingwer, Akupunktur oder -pressur und Vitamin B6 (Pyridoxin) die Übelkeit zu reduzieren, wirken sich jedoch nicht auf das Erbrechen aus. Das H1-Antihistaminikum Doxylamin hat seit 2019 auch in Deutschland eine Zulassung bei Schwangerschaftsübelkeit und ist daher in Kombination mit Pyridoxin Mittel der Wahl. Außerdem kommen Meclozin, welches zwar auch Mittel der Wahl ist, aber nur über die Auslandsapotheke bezogen werden kann, sowie Dimenhydrinat infrage. Bei schwereren Verläufen können Metoclopramid (für maximal fünf Tage) oder Ondansetron verordnet werden.
Bei etwa 1 Prozent der Schwangeren liegt eine schwerwiegende Form von Schwangerschaftserbrechen vor, die Hyperemesis gravidarum. Die betroffenen Patientinnen können kaum Nahrung oder Flüssigkeit zu sich nehmen, verlieren Gewicht und drohen zu dehydrieren. Hierfür existiert kein etabliertes Therapieschema. Gemäß Embryotox reicht eine alleinige Behandlung mit H1-Antihistaminika in der Regel nicht aus und eine Kombination der eben genannten Medikamente ist indiziert. Zudem ist häufig eine intravenöse Elektrolyt- und Vitamin-B-Substitution, insbesondere von Vitamin B1 (Thiamin), nötig.
In den letzten Wochen vor der Geburt leiden viele Schwangere unter Sodbrennen. Das Baby wird immer größer und die Gebärmutter drückt auf den Magen und andere Organe. Zudem bewirkt Progesteron, dass die Sehnen, Bänder und Muskeln der werdenden Mutter weicher werden. Das kann sich auch im oberen Ringmuskel des Magens bemerkbar machen, der dann nicht mehr perfekt schließt. Er verhindert normalerweise den Rückfluss des Mageninhalts in die Speiseröhre.
Bei leichten Beschwerden kann es helfen, fette oder saure Lebensmittel sowie kohlensäurehaltige Getränke und Kaffee vom Speisezettel zu streichen. Wer häufig nachts Probleme hat, sollte mit leicht erhöhtem Oberkörper schlafen, um den Rückfluss aus dem Magen zu verhindern. Zudem können Kräutertees oder Nahrungsmittel mit viel Stärke wie trockenes Brot, Zwieback oder ein Stück Kartoffel lindernd wirken.
Um die Symptome vorübergehend zu lindern, können Schwangere Aluminium/Magnesium-haltige Schichtgitterantazida, Präparate mit Calciumcarbonat-haltigen oder Alginat-haltige Antazida einnehmen. Unter den Protonenpumpenhemmern ist Omeprazol das am besten untersuchte Mittel, aber auch Pantoprazol kann in der Schwangerschaft verordnet werden.
Die durch Progesteron hervorgerufene Muskelrelaxation betrifft auch den Darm. Das kann die Darmpassagezeit verlängern. Zudem kann die verstärkte Wasserresorption eine Verstopfung (Obstipation) begünstigen. Auch hier sollten die nicht medikamentösen Maßnahmen im Vordergrund stehen. Eine ballaststoffreiche Ernährung, viel (Wasser) trinken und ausreichend Bewegung können dem Darm auf die Sprünge helfen. Zudem sollten die Patientinnen darauf hingewiesen werden, dass seltenere Darmentleerungen nicht automatisch mit einer Verstopfung gleichzusetzen sind.
Führen Ernährungsumstellung und mehr Bewegung nicht zum Erfolg, können Leinsamen, Flohsamenschalen oder Weizenkleie zum Einsatz kommen. Sie quellen im Darm auf und werden nicht resorbiert und können in der Schwangerschaft eingesetzt werden. Jedoch müssen die Patientinnen unbedingt darauf achten, ausreichend zu trinken. Helfen diese Quellmittel nicht, können Lactulose oder Macrogol eingenommen werden, auch sie gehören zu den Mitteln der Wahl während der Schwangerschaft.
Erst wenn diese Substanzen keine Besserung bringen, kann der kurzfristige Einsatz von Wirkstoffen wie Bisacodyl, Glycerol Natriumpicosulfat, Glaubersalz sowie rektal Mannitol oder Sorbitol in Betracht gezogen werden. Laxantien sollten nur möglichst kurz und bei schweren Verstopfungen angewendet werden, denn Wasser- und Elektrolytveränderungen können dem Fötus schaden.
Zusammenfassend gilt bei Medikamenten in der Schwangerschaft der Grundsatz: so viel wie nötig, aber so wenig wie möglich. Im Zweifelsfall ist es keine Schande, eine Patientin an den entsprechenden Facharzt oder die gynäkologische Praxis zu verweisen. Das Vertrauen in die Apotheke wird dadurch nicht geschwächt – im Gegenteil. Es beweist lediglich einen sensiblen und verantwortungsvollen Umgang mit der Arzneimitteltherapie von Schwangeren.