Beratung von Heuschnupfen-Patienten |
Pollen-Plage: Der Frühling beschert Allergikern tränende Augen und verstopfte Nasen. / Foto: Getty Images/ScottNodine
Verlangen Betroffene in der Offizin ein Antiallergikum, weil sie von den typischen Symptomen an Augen, Haut und Nase geplagt werden, sollten sich PTA und Apotheker in jedem Fall erkundigen, wie lange die Beschwerden bereits bestehen und ob bereits eine ärztliche Diagnose erfolgt ist. Petro rät im Gespräch mit PTA-Forum, dass man bei der Abgabe in der Apotheke am besten zweigleisig fährt. »Natürlich sollte das pharmazeutische Personal ein Medikament abgeben und damit die Therapie starten, die die Symptomatik bessert. Der Patient kommt ja in die Apotheke, weil es ihm akut schlecht geht. Also muss der Apotheker auch adhoc eine Lösung bieten, weil die Augen tränen, der Rachen juckt, die Nase läuft oder der Kopf dick ist. Aber: Gleichzeitig sollte der Patient an einen Arzt mit der Zusatzbezeichnung Allergologie verwiesen werden.«
In der Information sieht Petro deshalb eine wichtige Aufgabe der Apotheke. »Es ist wichtig, dem Patienten mittzuteilen, dass eine symptomatische Therapie nicht heilt, sondern nur die Symptome minimiert. Man unterdrückt nur die Sofortreaktion, aber die entscheidende chronifizierende, entzündliche Reaktion bleibt unbeeinflusst.« PTA und Apotheker sollten auch auf die Gefahr eines Etagenwechsels und die längerfristige Möglichkeit einer Hyposensibilisierung hinweisen, um die Allergie ursächlich zu behandeln. »In der Tat bekommen 30 bis 40 Prozent der Patienten mit Heuschnupfen ein allergisches Asthma und somit einen Etagenwechsel, wenn die Symptome an Augen und Nase nicht ernst genommen wurden.« Je länger die allergische Belastung bereits anhält, desto wahrscheinlicher werden sich asthmatische Beschwerden ausbilden. Das Risiko eines Asthmas lässt sich durch eine Immunisierung in etwa halbieren, und zwar umso besser, je früher man damit beginnt.
Bei leichteren Beschwerden, die den Alltag nur wenig beeinträchtigen, empfiehlt Allergologe Petro, ein Antihistaminikum in der Offizin abzugeben. »Die Darreichungsform sollte sich an den vorherrschenden Symptomen orientieren, also eher lokal als oral.« Sind die Beschwerden stärker ausgeprägt, sodass sie den Alltag beeinträchtigen und regelmäßig auftreten, sieht Petro die nasalen Glucocorticoide vorne. Auch nach den Behandlungsempfehlungen der internationalen Initiative ARIA (Allergic Rhinitis and its Impact on Asthma) sowie internationale Leitlinien sind die topischen Steroide erste Wahl.
Bei leichteren bis mäßigeren Beschwerden, die immer mal wieder auftreten, gelten die lokale und die systemische Applikation von Antihistaminika als vergleichbar wirksam. »Die systemische Gabe ist sinnvoll, wenn sich die Beschwerden an mehreren Organen bemerkbar machen oder wenn zusätzlich eine allgemeine Erschöpfung und Schlafstörungen hinzukommen«, erklärt der Fachmann. Im Gegensatz zu den nasalen Steroiden können Antihistaminika nach Bedarf eingenommen werden, und das auch über mehrere Tage und Wochen hinweg, um das allergische Geschehen abklingen zu lassen.
Wegen des milden Winters fliegen viele Pollen in diesem Jahr besonders früh. / Foto: Getty Images/Alkimson
Unter den oralen Antihistaminika haben solche der zweiten Generation die größte Bedeutung. Cetirizin (wie Reactine®, Zyrtec® und Generika), Loratadin (wie Lorano® und Generika) und das seit vergangenem Frühjahr ohne Rezept erhältliche Levocetirizin (wie Levocetirizin Ratiopharm®/Stada®) teilen derzeit den Selbstmedikationsmarkt unter sich auf. Desloratadin, das wirksame Enantiomer von Loratadin, steht unmittelbar vor dem OTC-Switch. Im Vergleich zu ihren Vorgängern der ersten Generation wirken die vier Arzneistoffe der zweiten Generation selektiver mit deutlich reduzierten anticholinergen (Mundtrockenheit) und zentralen (Müdigkeit) Nebenwirkungen. Abhängig von der Darreichungsform sind Cetirizin und Loratadin zum Teil bereits für Kleinkinder ab einem Jahr zugelassen.
Stehen Beschwerden an Nase und Augen im Vordergrund, sollten PTA und Apotheker zu lokalen Arzneiformen der Antihistaminika raten. Sie bieten den Vorteil, dass der Wirkstoff durch die lokale Applikation fast gar nicht in den Blutkreislauf gelangt und deshalb kaum Nebenwirkungen hat. Azelastin (wie Allergodil®, Pollival® ohne Konservierungsmittel, Vividrin® akut) und Levocabastin (Livocab® direkt) werden dann als Nasenspray oder Augentropfen zweimal am Tag angewendet und wirken innerhalb von 15 Minuten. Ketotifen (wie Allergo-Vision®, Zaditen® ophtha) gibt es nur als Augentropfen. Die Wirkung soll sehr schnell innerhalb von drei Minuten einsetzen und bis zu zwölf Stunden anhalten. Es ist für Kinder ab drei Jahren verfügbar.
Zubereitungen mit Levocabastin sind für Kinder ab einem Jahr zugelassen, der Einsatz dieser Substanz ist nicht begrenzt. Azelastin ist für Kinder ab sechs Jahren geeignet, seine Anwendung ist auf sechs Wochen begrenzt. Im Beratungsgespräch sollte das pharmazeutische Personal darauf hinweisen, dass bei der Anwendung von Azelastin-Nasenspray mitunter ein bitterer Nachgeschmack auftreten kann. Als Suspension müssen Levocabastin-haltige Zubereitungen vor Gebrauch aufgeschüttelt werden.
Allergologe Petro prangert die gängige Praxis an, dass Patienten über Jahre hinweg trotz beeinträchtigender Symptome von ihrem Hausarzt Cetirizin empfohlen bekommen. »Hier muss ich auch ein bisschen meine Kollegen kritisieren, dass wir nicht konsequent vorgehen. Es macht doch keinen Sinn, eine Symptomatik, die sich in der Nase abspielt, mit einem systemischen Medikament behandeln zu wollen, das auch in der Großzehe wirkt. Man muss am Ort des Geschehens behandeln. Aber der Schritt vom oralen Antihistaminikum hin zur antientzündlichen Therapie mit einem nasalen Steroid wird oft nicht gemacht«.
Dabei gelte es, bereits zu Anfang möglichst kausal zu therapieren. Petro startet gerne mit einem nasalen Steroid. »Diese bieten den Vorteil, dass sie neben der symptomatischen Hilfe auch das entzündliche Geschehen eindämmen. Mittelfristig gesehen, bekommt man dadurch die Symptomatik besser in den Griff.«
Die nasalen Glucocorticoide Beclometasonpropionat (wie Ratioallerg® Heuschnupfenspray, Rhinivict® nasal), Fluticasonpropionat (wie Otri Allergie® Nasenspray Fluticason) und Mometasonfuroat (wie Momeallerg®, Mometahexal®) sind rezeptfrei erhältlich. Sie wirken nicht sofort, ihre Wirkung baut sich erst nach drei bis fünf Tagen regelmäßiger Anwendung auf. Ein Gebrauch nach Bedarf bringt keinen Effekt. Petro empfiehlt, die ersten Tage mit einem nasalen Antihistaminikum oder einem α-Sympathomimetikum zu überbrücken und parallel zu sprühen, damit der Patient einen Effekt spürt.
Was ist von der vorbeugenden Gabe zu halten? »Der Patient ist gut beraten, wenn es ihm gelingt, präsaisonal den Therapiebeginn zu legen. Wenn man genau weiß, dass man gegen Birkenpollen allergisch reagiert, sollte man einige Wochen zuvor beginnen, in die Nase zu sprühen. Die Symptome bleiben dann minimiert. Wenn es dem Patienten mehrere Jahre hintereinander gelingt, mit der Therapie präsaisonal zu beginnen, wird er feststellen, dass die Symptomatik immer weniger wird – weil er gar nicht mehr in die Phase der Inflammation hereinkommt«, erklärt der Fachmann. Und Petro ist der Meinung, dass durch eine adäquate Behandlung der Nase auch die Symptomatik an den Augen abnimmt.
Während die längerfristige Einnahme oder Applikation eines Antihistaminikums laut Petro nicht kritisch zu sehen ist, ist es sie »beim nasalen Steroid insofern, als dass es häufig die Nase austrocknet und Nasenbluten hervorruft«. Petro empfiehlt deshalb, den Sprühstoß Richtung Augenwinkel und nicht Richtung Nasenscheidewand zu applizieren und eine befeuchtende Nasensalbe aufzutragen. »Auch ein guter Tipp, der wenig weitergegeben wird, ist die simple Nasenspülung mit Salzlösungen. Man muss sich zwar erst daran gewöhnen, aber mein Credo ist: zweimal täglich Zähne putzen und Nase spülen zur Gewohnheit werden lassen. Das spült die Pollen weg und befeuchtet die Schleimhaut.«
Fenster besser zu: Der Pollenflug ist auf dem Land in den frühen Morgenstunden am intensivsten, in der Stadt allerdings abends. / Foto: Getty Images/Jun
Pollen sind ubiquitäre Allergene, das heißt, sie kommen überall vor. Umso wichtiger ist es, mit den richtigen Verhaltensmaßnahmen die Pollenbelastung vor allem in der eigenen Wohnung niedrig zu halten.