Beratung zum Profilieren |
Beim Wandern umgeknickt, vom Fahrrad gestürzt, an der Herdplatte verbrannt: Kleine Wunden können mit den richtigen Hilfsmitteln in der Offizin gut versorgt werden. / Foto: Adobe Stock/dmitrimaruta
Die Tatsache, dass Garmisch-Partenkirchen sommers wie winters eine beliebte Ferienregion ist und sich hervorragend zum Sporteln eignet, beschert der Dreitorspitz-Apotheke so manchen Verletzten. Kiesewetter berichtet von Menschen mit Verletzungen aller Art, etwa Wandersleuten in kurzen Hosen, die gestürzt oder umgeknickt sind, oder Kindern, die sich das Knie aufgeschlagen haben. Auch Brandwunden seien keine Seltenheit. »Abhängig von der Art der Verletzung biete ich Erste Hilfe an und versorge die Wunde. Bei der Erstversorgung etwa von Blasen arbeiten wir gerne mit Hydrokolloidpflastern, um das Prinzip der feuchten Wundheilung zu gewährleisten.«
Kiesewetter, seit 2017 in der öffentlichen Apotheke tätig, sieht die Wundversorgung als gute Indikation, »in der wir uns richtig gut profilieren können. Nach meiner Erfahrung herrschen in diesem Bereich noch zu viele Vorurteile, etwa »Die Wunde braucht Luft« oder »Blasen aufstechen und dann einen Faden durchziehen«. Das Wissen um die feuchte Wundheilung ist noch nicht in der breiten Masse angekommen. Das zeigt sich jeden Tag aufs Neue, da haben wir noch viel zu tun.«
Die Apothekenmitarbeiter sollten laut Kiesewetter auch dafür sensibilisieren, die Zusammensetzung der Hausapotheke auf aktuellem»„Verbands«-Stand zu halten. »Und dazu gehören nun mal sterile Kompressen, Wunddesinfektionsmittel, Hydrokolloidpflaster, Stützverbände oder ein Wund- und Heilgel oder eine Brandsalbe.«
Die Versorgung von Wunden in der Apotheke hat natürlich seine Grenzen. »Auch das Entfernen von Zecken ist so ein Fall. Das dürfen wir nicht, obwohl uns Kunden das ein oder andere Mal darum bitten«, berichtet die PTA. »Bei den Auflagen für schwerere Wunden ist die Apotheke eher eine durchlaufende Station und es wird das abgegeben, was der Arzt oder die Wundzentren verordnen.« Hier sieht Kiesewetter die Herstellerfirmen in der Pflicht, genauestens über ihre Produkte zu informieren. »Man braucht die Schulung, weil man das Thema eben nicht jeden Tag in der Offizin hat.« Kiesewetter lobt die Videos, die Webinare und Schulungen, mit denen die Firmen Aufklärung betreiben und ihre Produkte genau vorstellen. Nur so könne man den Unterschied der verschiedenen Auflagen auch verstehen. »Insgesamt muss die Schulung noch gezielter werden, damit auch das Wundmanagement besser funktioniert.«
Gezieltes Produktwissen ist auch jetzt in Zeiten der Corona-Pandemie hilfreich, etwa beim Thema Desinfektion. Im Alltag helfen mittlerweile zahlreiche Desinfektionspräparate, die Keimlast zu reduzieren. »Alle bieten nun Desinfektionsmittel für die Kundschaft an, in Geschäften, Flugzeugen und Restaurants. Doch über deren Qualität lässt sich streiten: Das riecht teilweise nach bloßem Wasser und nicht nach Desinfektion!«, zeigt sich Kiesewetter entsetzt. In der Tat ist nicht jedes Desinfektionsmittel gleich effektiv. Die log10-Stufen sind eine Maßeinheit zur Beschreibung der Desinfektionspotenz beziehungsweise der Keimfreiheit. Hier empfiehlt es sich, gut wirksame Präparate zu empfehlen. Reinen Isopropanol als Desinfektionsmittel zu verkaufen wie von einigen Supermärkten vermarktet, hält Kiesewetter für keine gute Lösung. »Das macht die Hände so was von trocken und greift die Haut an!«
Kiesewetter hofft, dass die Erlaubnis zur Herstellung von Desinfektionsmitteln durch Apothekenmitarbeiter über den Herbst hinaus bestehen bleibt. »Wir brauchen die Erlaubnis auch weiterhin, um unserer Versorgungspflicht nachzukommen. Bei uns gibt es aus allen Bereichen Anfragen zu Desinfektionsmitteln. Der Privatmann braucht für seine Ferienwohnungen 10 Liter Flächendesinfektionsmittel, große Geschäfte oder hier um die Ecke die Zugspitzbahn ordern bei uns. Gerade im öffentlichen Bereich muss desinfiziert werden, weil es die gesetzlichen Vorgaben gibt« Als positiven Nebeneffekt der Corona-Pandemie sieht Kiesewetter die Tatsache, dass dem »Thema Hygiene endlich mal mehr Achtsamkeit geschenkt und gelebt wird«.
In der Beratung zählt nicht nur solides Fachwissen, ist Kiesewetter überzeugt. »Ohne Fachwissen kann man den Patienten nichts erklären. Das ist klar, viel wichtiger ist aber die Gabe, das Fachlatein herunterbrechen zu können. Es nutzt nichts, der Oma von der Thrombozytenaggregationshemmung zu erzählen. Das verschreckt sie nur. Als PTA muss man sein Wissen so vermitteln, dass es der Laie versteht und er keine Ängste dagegen entwickelt und die Therapie ablehnt.«
Als Beispiel nennt Kiesewetter die Nitrosamin-Verunreinigungen in Valsartan-haltigen Arzneimitteln. »Die Patienten waren total verschreckt und nicht wenige dachten bei dieser Meldung, dass sie in zehn Jahren an Krebs sterben. Hier haben wir versucht, Aufklärung zu betreiben und erklärt, dass das vor allem eine Frage der Dosis ist. In diesen Fällen ist es wichtig, den Patienten bei seinen Ängsten abzuholen. Es darf nicht sein, dass er seine Tabletten aus Angst gar nicht mehr einnimmt. Beratung muss es schaffen, klarzumachen, warum das Arzneimittel eingenommen werden muss. Wenn dann der Patient einen Nutzen spürt, stimmt alles. Und es ist eine tolle Bestätigung, wenn vom Patienten die Rückmeldung kommt, dass es ihm besser geht.«