Besser statt mehr essen |
Barbara Döring |
02.04.2025 16:00 Uhr |
Die Ernährung in der Schwangerschaft prägt die Gesundheit des Kindes im späteren Leben. / © Getty Images/M_a_y_a
Was ein Ungeborenes über die Ernährung mitbekommt, kann sich auf sein gesamtes Leben auswirken. Ernährt sich die werdende Mutter ausgewogen und abwechslungsreich, hat das Baby nicht nur beste Voraussetzungen für einen optimalen Start ins Leben. Dagegen kann eine einseitige Ernährung nachteilige Folgen haben, die sich unmittelbar etwa in Fehlbildungen wie dem offenen Rücken zeigen oder womöglich erst Jahre später bemerkbar machen. Wissenschaftler bringen unter anderem Volkskrankheiten wie Adipositas, Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit ungünstigen Bedingungen im Mutterleib in Verbindung. Die Rede ist dabei von der »fetalen Programmierung«.
Die Forschung zeigt, dass metabolische Einflüsse, denen ein Fetus innerhalb der Gebärmutter ausgesetzt ist, seine Empfänglichkeit für spätere Krankheiten stärker prägen als bislang angenommen. Der Fetus passt sich mit Veränderungen der insulin-sensitiven Organe und der neuro-endokrinen Regelkreise dem Nahrungsangebot im Mutterleib an. Herrscht außerhalb des Mutterleibs jedoch ein anderes Nahrungsangebot, führt die Fehlprogrammierung zu einer erhöhten Krankheitsdisposition.
Dabei ist es gar nicht kompliziert, sich als Schwangere richtig zu ernähren. Mit wenigen Ausnahmen gelten dieselben Empfehlungen wie für Frauen, die nicht schwanger sind. Ganz allgemein ist in der Schwangerschaft eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung ideal, wie sie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt. Dabei braucht der Körper nicht wesentlich mehr Kalorien, sondern mehr Vitamine und Mineralstoffe. Erst in den letzten Monaten der Schwangerschaft ist ein geringfügiges Plus an Energie gefragt. Etwa 10 Prozent mehr Kalorien (kcal) dürfen es dann sein, also etwa 250 kcal pro Tag. Das entspricht einer Scheibe Vollkornbrot mit Schnittkäse und einer Tomate oder einem Becher Joghurt (150 g) mit einer Handvoll Obst und drei Esslöffeln Müsli.
Normalgewichtige Frauen sollten in der Schwangerschaft nicht mehr als maximal 16 kg zunehmen, Übergewichtige höchstens 10 kg. Liegt das Gewicht darüber, steigt nicht nur das Risiko für Schwangerschaftsdiabetes und Geburtskomplikationen, sondern auch für späteres Übergewicht beim Kind.
Gut zu wissen: Der Körper sorgt mit einem ausgeklügelten Trick dafür, dass möglichst viele Nährstoffe beim Ungeborenen ankommen. Ein Forscherteam der Universitäten Wien und Britisch Columbia, Kanada, sowie des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung in Braunschweig hat erst kürzlich entdeckt, dass sich die Darmzotten bei Mäusen in Schwangerschaft und Stillzeit neu organisieren und deutlich vergrößern, wodurch sich ihre Oberfläche verdoppelt. Laut der Forscher ist dies wahrscheinlich bei allen schwangeren Säugetieren, also auch dem Menschen, der Fall.
Eine gesunde Ernährung in der Schwangerschaft sollte reich an pflanzlichen Lebensmitteln sein, wobei die DGE täglich fünf Portionen Gemüse, Salat und Obst empfiehlt. Zum Gemüse zählen auch Hülsenfrüchte, die reichlich Eisen für die Blutbildung des Kindes liefern. Hin und wieder darf es ein Smoothie sein, der eine Portion Obst oder Gemüse ersetzt. Frisches Obst lässt sich zudem auch mal durch eine kleine Portion Trockenobst oder Nüsse ersetzen. Tierische Lebensmittel sind in Maßen zu genießen; bei Fleisch und Fleischwaren sind fettarme Sorten zu bevorzugen.
Meeresfisch sollte möglichst ein- bis zweimal wöchentlich auf dem Speiseplan stehen, und zwar vor allem fettreiche Sorten wie Lachs und Makrele. Pflanzenöle wie Raps- oder Olivenöl sind besser geeignet als tierische Fette. Zurückhaltung ist bei Fetten mit hohem Anteil an gesättigten Fettsäuren und Transfetten geboten, die sich etwa in Fertiggebäck verstecken sowie bei Zucker, Süßigkeiten, Knabbereien und Süßgetränken. Sie dürfen in kleinen Mengen genossen werden, sollten aber nicht die Regel sein.
Vollkorn ist auch in der Schwangerschaft eine gute Wahl. Idealerweise enthält jede Hauptmahlzeit eine Portion Vollkorngetreide, zum Beispiel in Form von Reis, Nudeln, Bulgur, Couscous, Flocken oder Brot. Vollkornbrot enthält doppelt so viel Eisen und Magnesium wie Weißbrot und darüber hinaus eine Menge Ballaststoffe. Für ausreichend Calcium sorgen mindestens drei Milchprodukte täglich, etwa eine Scheibe Käse, ein Glas Milch, ein Becher Joghurt oder Quark.
Als Start in den Tag ist ein selbst gemischtes Müsli mit Haferflocken, Milch, Nüssen oder Mandeln, Rosinen, Apfel, Zitronensaft, etwas Honig und eventuell Banane, ideal. Damit erhalten Mutter und Kind reichlich Ballaststoffe, Eiweiß und Vitamine für einen gesunden Start in den Tag. Fürs Abendessen empfiehlt sich eine leicht verdauliche Mahlzeit, die nicht zu scharf gewürzt ist, um Sodbrennen zu vermeiden. Zusätzlich zu den drei Hauptmahlzeiten am Tag dürfen es gerne zwischendurch kleine Snacks wie eine Handvoll Obst, ein Joghurt oder ein Stück Hartkäse sein. Damit ist das Ungeborene gleichmäßig über den Tag mit Nährstoffen versorgt. Von Hungerphasen und Reduktionsdiäten ist Schwangeren in jedem Fall abzuraten.
Beim Trinken dürfen es gerne etwas mehr als die üblicherweise empfohlenen 1,5 l sein. Mindestens 2 l Mineral- oder Leitungswasser oder auch mal ungesüßte Tees oder stark verdünnter Fruchtsaft sind ideal. Ab und an ist auch mal eine Limo oder ein alkoholfreies Bier erlaubt. Allerdings sollten kalorienhaltige Getränke die Ausnahme bleiben. Sogenannte »alkoholfreie« Getränke enthalten zudem bis zu 0,5 Prozent Alkohol. Bei einem halben Liter »alkoholfreiem« Bier entspräche das immerhin etwa 2,5 ml reinem Alkohol. Trinkt eine Schwangere ein alkoholfreies Getränk langsam, baut ihr Körper den zugeführten Alkohol schnell ab, informiert die Geburtsmedizin der Berliner Charité auf ihrer Website. Eine Gefährdung des Kindes sei deshalb nicht zu erwarten.
Anders sei das jedoch, wenn mehrere »alkoholfreie« Biere schnell hintereinander konsumiert würden. Frauen, die ruhigen Gewissens genießen möchten, sollten auf Getränke ausweichen, die tatsächlich als auf dem Etikett mit 0,0 Prozent ausgewiesen sind.
Auch koffeinhaltige Getränke sind erlaubt. Allerdings sollte die Menge Koffein täglich 200 mg, also etwa zwei Tassen Filterkaffee, nicht überschreiten. Größere Mengen Koffein könnte das Ungeborene nur schwer abbauen. Tabu sind alkoholische Getränke, da eine gänzlich unbedenkliche Alkoholmenge nicht festgelegt werden kann.
Ganz ohne Nahrungsergänzung geht es in der Schwangerschaft nicht. Eine ausreichende Versorgung mit Folsäure und Jod ist allein über die Nahrung nicht möglich. Schon wenn eine Schwangerschaft geplant ist und in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft ist für eine gesunde Zellteilung die Einnahme von Folsäure ratsam. 400 μg sollten es sein, wenn die Frau bereits vor der Schwangerschaft Folsäure eingenommen hat, 800 μg wenn sie erst in der Schwangerschaft damit beginnt. Für die geistige und psychomotorische Entwicklung braucht der Fetus zudem 100 bis 150 μg Jod täglich über die gesamte Zeit der Schwangerschaft als Supplementation.
Bei Schilddrüsenerkrankungen der Frau ist die Jodeinnahme immer ärztlich abzuklären. Meeresalgen enthalten oft sehr hohe Mengen des Spurenelements. Da sich der Gehalt nur schwer abschätzen lässt, sollten Frauen in der Schwangerschaft besser darauf verzichten. Die Verwendung von jodiertem Speisesalz ist dagegen zu empfehlen. Auch Milch, Milchprodukte und Meeresfisch tragen zur Jodversorgung bei. Frauen, die nicht regelmäßig Fisch essen, sollten die langkettige Omega-3-Fettsäure Docosahexaensäure (DHA) einnehmen, um auf die empfohlene Zufuhr von 200 mg DHA täglich zu kommen.
Der Bedarf an Eisen steigt in der Schwangerschaft fast auf das Doppelte. Bei einem Mangel leidet die Sauerstoffversorgung von Mutter und Kind und die gesunde Entwicklung des Ungeborenen kann gestört sein. Da Eisenmangel verbreitet ist und der erhöhte Bedarf oft über die Nahrung nicht gedeckt wird, sollten Frauen schon bei Kinderwunsch daran denken, ihre Eisenspeicher mit eisenreicher Ernährung und gegebenenfalls einem Supplement zu füllen.
Vegetarierinnen können in der Regel auch in der Schwangerschaft ohne Fleisch auskommen. Voraussetzung ist, dass sie sich ausgewogen und abwechslungsreich mit Gemüse, Obst, Hülsenfrüchten, Vollkorn, Milchprodukten und Eiern ernähren. Ebenso wie für Nichtvegetarierinnen gilt auch für sie die Empfehlung zur Supplementation von Folsäure, Jod und eventuell anderer Vitalstoffe wie Eisen. Für Veganerinnen ist es immer notwendig, neben Folsäure und Jod weitere Supplemente einzunehmen. Das »Netzwerk Gesund ins Leben« der Bundeszentrale für Ernährung rät, alle kritischen Nährstoffe wie Vitamin B12, Calcium, DHA, Eisen, Eiweiß, Jod und Zink ärztlich überprüfen zu lassen und eine qualifizierte Ernährungsberatung aufzusuchen.
Auch wenn es vielleicht die Leibspeise ist – auf manche Produkte sollten Frauen in der Schwangerschaft dem Ungeborenen zuliebe besser verzichten. Rohe Lebensmittel vom Tier wie Tartar, Salami oder roher Schinken, roher Fisch, wie er in Sushi oft enthalten ist, oder Rohmilch und Produkte daraus können Erreger enthalten, die Infektionen wie Listeriose oder Toxoplasmose auslösen. Sie sind zwar selten, für das Ungeborene jedoch gefährlich und bergen das Risiko von Früh- und Totgeburten. Auch Räucherfisch und Weichkäse sind mitunter mit Listerien kontaminiert. Salat, auch vorgewaschener aus der Tüte, sollte vor dem Verzehr gewaschen werden. Eier sind am besten durchgegart zu genießen, um eine Salmonellen-Infektion zu vermeiden.
Weniger Zucker essen, ist ein gut gemeinter Tipp. Doch wie sollen Frauen damit umgehen, wenn sie immer wieder der Heißhunger auf Schoko und Gummibärchen heimsucht? Von solchen Gelüsten in anderen Umständen können schätzungsweise mehr als die Hälfte der Frauen ein Lied singen. Gegen die Heißhungerattacken hilft es meist, regelmäßig kleine Mahlzeiten wie Obst oder Nüsse zu sich zu nehmen. Wenn die Gier auf Süßes dennoch kommt, sind ein Stück Obst oder eine Möhre die bessere Wahl als Kuchen und Kekse.
Manchmal kommt es vor, dass Schwangere eher mangelnder Appetit zu schaffen macht. Auch dann können regelmäßige kleine Mahlzeiten, statt drei große Portionen täglich, hilfreich sein. Die Speisen stärker zu würzen, kann helfen, den Appetit anzuregen. Bei morgendlicher Übelkeit empfiehlt sich schon vor dem Aufstehen ein kleiner Snack, etwa ein Zwieback oder ein Knäckebrot. Auch eine Tasse Ingwertee vertreibt so manches Unwohlsein. Ist die Unlust aufs Essen so groß, dass Frauen in der Schwangerschaft deutlich abnehmen, ist ärztlicher Rat gefragt.
Unsicherheit besteht oft, was Essen und Allergien angeht. Lässt sich durch den Verzicht bestimmter Lebensmittel eine Allergie beim Ungeborenen vermeiden? Schwangere, die selbst keine Allergie haben, sollten keine speziellen Speisen meiden, sondern sich im Gegenteil möglichst abwechslungsreich ernähren. Untersuchungen zeigen, dass eine allergenarme Kost in der Schwangerschaft das Allergierisiko beim Kind nicht reduziert. Es gibt Hinweise, dass der regelmäßige Verzehr von fettreichem Fisch zur Allergieprävention sinnvoll ist. In einer kontrollierten Studie konnte die Supplementation von mehr als 2 g Omega-3-Fettsäuren täglich während der Schwangerschaft das Asthmarisiko des Kindes um die Hälfte reduzieren.
Eine ausgewogene und vielfältige Ernährung garantiert nicht nur eine gute Nährstoffversorgung. Die Ernährung der Mutter beeinflusst auch den Geschmack des Fruchtwassers und prägt so spätere Vorlieben des Kindes. Ein abwechslungsreiches Angebot schult seinen Geschmackssinn und kommt so dem Genusserleben zugute.
Unter werdenden Müttern ist die Louwen-Diät zunehmend populär. Sie soll helfen, leicht und schmerzfrei zu gebären. Sie basiert auf Beobachtungen von Professor Frank Louwen, Leiter der Geburtshilfe und Pränatalmedizin der Universitätsmedizin Frankfurt am Main. Durch den Verzicht auf einfache Kohlenhydrate wie Zucker und Weißmehl in den letzten sechs bis acht Wochen vor der Geburt sollen hohe Spiegel an Insulin vermieden werden, die vermutlich mit der Wirkung von Prostaglandin in Konkurrenz stehen. Das Gewebshormon senkt die Schmerzempfindlichkeit und hilft, den Muttermund zu öffnen. Die Diät kann sinnvoll sein, sollte aber bei Stoffwechselerkrankungen ärztlich abgesprochen werden.