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Angstpatienten

Besser Zahnarzt statt Schmerz

Von Zahnschmerz bis Mundgeruch: Täglich suchen Patienten rund um die Mundgesundheit Rat in der Apotheke. Um fit für die Beratung zu sein, streift die Zahnserie einmal querbeet durch die Zahnmedizin. In diesem Teil geht es um Patienten, die lieber jahrelang Schmerzmittel schlucken, statt beim Zahnarzt den Mund zu öffnen – und wie man dieser Angst vorbeugen kann.
Anna Carolin Antropov
03.05.2023  08:00 Uhr

Einige Patienten fühlen sich auf dem Zahnarztstuhl extrem unwohl: Die Muskeln verspannen, der Puls rast, nervös drehen sie den Ring am Finger. Betroffene müssen sich dafür nicht schämen, sondern sollten offen mit ihrem Zahnarzt sprechen. Dann kann er in der Beratung und Aufklärung gezielt auf Sorgen eingehen und diese berücksichtigen. Einige Zahnärzte arbeiten auf Wunsch mit Hypnose oder Akupunktur. Dass Zahnärzte auf eine ausreichende Lokalanästhesie achten, ist heutzutage ohnehin Standard. Längere unangenehme Prozeduren, wie etwa die Entfernung von vier Weisheitszähnen auf einmal, können Patienten nach individueller Abwägung in einer Vollnarkose verschlafen.

Auch Musik kann Angst reduzieren. Also einfach Kopfhörer aufsetzen und lieber der Lieblingsmusik statt Bohrgeräuschen lauschen. Manche Praxen verfügen auch über einen Bildschirm über dem Behandlungsstuhl, um mit einem Film den Stress zu reduzieren. Erlaubt ist alles, was die Entspannung fördert.

Solange die Angst einer Behandlung nicht im Weg steht, hat sie keinen Krankheitswert. Kritisch wird es dann, wenn Patienten vor lauter Angst überhaupt keinen Zahnarzt aufsuchen können – und das ist gar nicht so selten. Schätzungsweise 5 bis 10 Prozent der Bevölkerung sind betroffen. Die aktuelle S3-Leitlinie »Zahnbehandlungsangst beim Erwachsenen« definiert die Zahnarztphobie mit Krankheitswert als eine interventionsbedürftige Störung: »Sie äußert sich nicht nur durch Gefühle von Angst, Bedrohung und Unbehagen, sondern führt auch zu kognitiven Verzerrungen bei der Situationswahrnehmung, zu typischen physiologischen Veränderungen und zu Flucht-, Ausweich- und Vermeidungsreaktionen.« Dabei hat also die Angst selbst einen eigenständigen Krankheitswert. Außerdem kann sie als Symptom psychischer Störungen auftreten, etwa im Rahmen anderer Angststörungen.

Analgetika über lange Zeit

Typischerweise kaufen Betroffene in der Apotheke Analgetika gegen Zahnschmerzen, winken den Verweis auf Zahnarzt oder zahnärztlichen Notdienst hingegen ab. Ihre Zähne erscheinen oft schon auf den ersten Blick als größere Baustelle. »Diese Patienten schlucken lieber Schmerzmittel, als zum Zahnarzt zu gehen – und das kann sich über Jahre hinziehen«, weiß Zahnarzt Professor Dr. Ulrich Schiffner. »Wenn der Nerv abgestorben ist, ist der Zahnschmerz auch erst einmal wieder vorbei. Zumindest so lange, bis der nächste Zahn Probleme bereitet oder Komplikationen wie ein Abszess auftreten.«

Die Kunst ist es, Patienten überhaupt über die Schwelle der Zahnarztpraxis zu bringen. Dabei haben nicht nur Hausärzte, sondern auch PTA und Apotheker eine Lotsen-Funktion. Denn es gibt Hilfe. »Leider funktioniert bei einer richtigen Zahnarztphobie die rationale Schiene nicht«, so Schiffner gegenüber PTA-Forum. Einen Versuch wert sei es allemal. Erwachsene mit Parodontitis haben beispielsweise ein höheres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schwangere erleiden häufiger Frühgeburten.

Zahnmedizinisch sind diese Patienten in einer Praxis am besten aufgehoben, die auf Angstpatienten spezialisiert ist. Denn dort ermöglicht das ganze Praxisteam einen angstreduzierenden, verständnisvollen Umgang. Die Behandlungsabläufe werden so angepasst, dass der Patient aus dem Kreislauf schlechter Erfahrungen herauskommt. Denn fast jeder Angstpatient berichtet von einer oder mehreren traumatischen Behandlungen in der Vergangenheit.

Verschiedene Verfahren machen über eine Anxiolyse, Sedierung oder Bewusstseinsausschaltung eine Zahnbehandlung überhaupt erst realisierbar. Die Bandbreite reicht von einer einfachen präoperativen Midazolam-Tablette bis hin zu Dämmerschlaf oder gar Vollnarkose. Hierfür arbeiten Zahnärzte mit einem Anästhesisten zusammen. Viele niedergelassene Kollegen schwören beispielsweise auf Lachgas, da es einerseits Angst löst und andererseits die Schmerzschwelle heraufsetzt. Für Hypnose oder Akupunktur fehlt zwar die Evidenz, bei entsprechender Ausbildung des Arztes stellen dies aber nahezu nebenwirkungsfreie Methoden dar. Kurzfristig können auch Betablocker wie Propranolol die körperlichen Angstsymptome wie Herzrasen reduzieren, falls andere Methoden kontraindiziert sind oder nicht ausreichend wirken. Sie werden von der Leitlinie aber nur eingeschränkt und ausschließlich bei akutem zahnärztlichen Behandlungsbedarf empfohlen.

Ursächlich ist die kognitive Verhaltenstherapie die erste Wahl zur Therapie einer Zahnarztphobie, insbesondere wenn es um den Langzeitverlauf geht. In der Regel reicht eine Kurzzeitbehandlung mit bis zu 24 Einzelsitzungen aus. Ist die Therapie abgeschlossen und die Angst erst einmal überwunden, bestellen Zahnärzte ihre Patienten möglichst rasch wieder ein. Denn je mehr Zeit zwischen Therapieende und erneutem Zahnarztbesuch verstreicht, desto höher steigt die Rückfallwahrscheinlichkeit. Im Idealfall finden beispielsweise mehrere kleinere zahnärztliche Behandlungen im Anschluss an eine Psychotherapie statt. Angesichts der vorherrschenden Wartezeiten von mehreren Monaten für einen Therapieplatz liegt allerdings auf der Hand, dass dies kein Tipp ist, der Betroffenen mit akuten Schmerzen hilft. Vielleicht gelingt es Patienten jedoch, sich in einem beschwerdefreien Intervall einen Ruck zu geben und das Thema anzugehen.

Zahnarzt nicht als Strafe

Für einige bietet vielleicht die Vorbildfunktion für das Kind die nötige Motivation. »Das Wichtigste ist mir der Appell an die Eltern, die eigene Angst nicht vor dem Kind erkennbar werden zu lassen. Wir wissen, dass ängstliche Kinder aus Familien mit ängstlichen Eltern kommen«, so Schiffner. Sein Spezialgebiet ist die Kinderzahnheilkunde sowie Prävention. »Genau aus diesem Kreislauf aus schlechten Erwartungen und schlechten Erfahrungen wollen wir rauskommen.« Sowohl beim Abbau als auch bei der Verhinderung von Angst zählen viele unterschwellige Maßnahmen. Sprachführung, Wortwahl und positive Anreize machen in der Praxis den entscheidenden Unterschied. Kinder reagieren auf diese Nuancen ganz automatisch. »Außerdem sollten Eltern auf gar keinen Fall mit dem Zahnarzt drohen«, mahnt der Experte. »Der Zahnarzt darf nie eine Strafe sein!« Wollen die Schützlinge nicht die Zähne putzen, ist Furcht vor einem Loch und dem Bohrer genau der falsche Weg.

Sein Credo: Besser rechtzeitig zum Arzt, bevor etwas passiert. Er empfiehlt daher allen Eltern, mit ihrem Kind ab dem ersten Zahn zum Zahnarzt zu gehen. Zum einen ist das für die Zahngesundheit am besten und Kinder werden spielerisch an die richtige Putztechnik herangeführt, erhalten zur Kariesprophylaxe etwa Fluoridlack und Co. Zum anderen findet der Termin ohne einen Anlass wie Zahnschmerzen oder gar ein Sturz-Trauma statt. Kurzum: Es entsteht keine negative Verknüpfung zum Zahnarzt und damit keine Angst. Nicht selten gibt es nach dem Besuch sogar ein kleines Geschenk für das Kind. Wird dann doch einmal eine Behandlung nötig, liegt schon ein Vertrauensverhältnis vor.

Insbesondere Kinderzahnärzte wissen, wie sie mit ihren kleinen Patienten umgehen müssen. Natürlich hat es in der Behandlung oberste Priorität, Schmerzerlebnisse bestmöglich zu vermeiden. Dies gelingt in erster Linie durch Lokalanästhetika. »Was banal klingt, ist dennoch insofern schwierig, dass kleine Kinder oft nicht zwischen Druck und Schmerz differenzieren können«, erklärt Schiffner. Zusätzlich gebe es wie bei den erwachsenen Patienten medikamentöse Möglichkeiten bis hin zur Behandlung in Vollnarkose. Grundsätzlich könne auch ein einfühlsamer Familienzahnarzt Kinder behandeln. Insbesondere bei Angst in der Familie oder etwa nach einem Sturz oder Karies empfehle er dennoch einen spezialisierten Kinderzahnarzt. Wie Eltern nach einem Sturz des Kindes richtig reagieren und worauf es in der Kinderzahnheilkunde sonst noch ankommt, das erfahren Sie im nächsten Teil der Serie.

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