Bienenharz als Heilmittel? |
Propolis verändert je nach Temperatur seine Konsistenz: Über 30 Grad Celsius ist das Material geschmeidig und klebrig, unter 15 Grad Celsius hingegen fest und spröde. / © Adobe Stock/Oleksii Sergieiev
Honigbienen gewinnen Propolis aus Knospen und Baumwunden und reichern es mit Wachs, Pollen und Speichelsekreten an. Die Insekten nutzen das Vielstoffgemisch, um ihre Bienenstöcke abzudichten, zu schützen und das Eindringen von Mikroorganismen zu verhindern. Um Propolis zu gewinnen, bringen Imker Kunststoffgitter im Bienenstock an, die von den Bienen mit dem Harz verkittet werden. Nach der Ernte werden die Gitter tiefgefroren und danach kann das Harz abgeklopft und zum Beispiel zu Pulver vermahlen werden. Propolis hat einen markanten Duft, einen bitter-scharfen Geschmack und verändert je nach Temperatur seine Konsistenz: Über 30 Grad Celsius ist das Material geschmeidig und klebrig, unter 15 Grad Celsius hingegen fest und spröde. Wegen seiner fettlöslichen, harzigen Eigenschaften kann Propolis Umweltgifte wie die Schwermetalle Blei und Cadmium sowie Rückstände von Tierarzneimitteln aus der Imkerei aufnehmen.
Seit Jahrtausenden nutzen Menschen das Vielstoffgemisch für medizinische Zwecke. In der Antike diente das antiseptische und entzündungshemmende Mittel unter anderem der Wundversorgung und im alten Ägypten auch der Einbalsamierung von Mumien.
Heute wird das Bienenharz als ein natürliches Mittel zur Stärkung des Immunsystems, zur Prävention und Behandlung von Infektionskrankheiten und zur Linderung von Haut- und Schleimhautentzündungen beworben. Eindeutige Nachweise der Wirksamkeit fehlen jedoch und sind dadurch erschwert, dass Propolis kein einheitliches Produkt ist. Es besteht grundsätzlich aus Harzen und Balsamen (50 bis 55 Prozent), Wachsen (20 bis 35 Prozent), ätherischen Ölen (10 Prozent), Pollen (5 Prozent) und anderen organischen Stoffen.
Die genaue chemische Zusammensetzung variiert allerdings je nach geografischer Lage, dort wachsenden Pflanzenarten und Umweltbedingungen. Das zeigt sich unter anderem an der variierenden Farbpalette des Stoffgemisches, die von gelb-braun über dunkelbraun bis hin zu grünlich reicht. Die Hauptwirkstoffe unter den 300 Inhaltsstoffen sind Polyphenole, Flavonoide wie Quercetin, Kämpferol und Chrysin, Hydroxyzimtsäuren wie Kaffee- oder Ferulasäure, Cumarine und Ester wie Kaffeesäureester.
Propolis wird meist in Form von Nahrungsergänzungsmitteln (NEM) angeboten. Häufig werden diese Produkte mit weiteren Inhaltsstoffen wie Blütenpollen, Gelée royale oder pflanzlichen Extrakten etwa aus Echinacea angereichert. Die Produkte sollen das Immunsystem und die allgemeine Gesundheit fördern. Es gibt tatsächlich Hinweise, dass Propolis die Aktivität von Immunzellen wie Makrophagen und T-Zellen stimulieren kann. Inwiefern diese immunmodulierenden Wirkungen klinisch relevant sind, ist noch unklar.
Die wachstumshemmende Wirkung auf einige Mikroorganismen wurde ebenfalls in Versuchen gezeigt. Besonders gegen Staphylococcus aureus, Escherichia coli und Candida albicans konnte in Zell- oder Tierexperimenten eine Wirkung beobachtet werden. Wenn sich die antibiotische Wirksamkeit im Menschen bestätigt, könnte Propolis angesichts der wachsenden Bedrohung durch antibiotikaresistente Keime in Zukunft möglicherweise eine therapeutische Rolle spielen.
Wirkungen auf chronische Krankheiten werden teilweise ebenfalls postuliert und entweder aus den Eigenschaften der enthaltenen Inhaltsstoffe oder aus kleineren Versuchen abgeleitet. Die hohe Konzentration an Polyphenolen und Flavonoiden verleiht Propolis starke antioxidative Eigenschaften. Diese Substanzen neutralisieren freie Radikale und verhindern so oxidative Schäden, die mit der Entstehung zahlreicher chronischer Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs assoziiert sind.
Die orale Einnahme von Propolis könnte darüber hinaus die Blutzuckerkontrolle bei Diabetikern geringfügig verbessern. Es beeinflusst anscheinend jedoch weder den Insulinspiegel signifikant noch verbessert es die Insulinresistenz.
Einen zugelassenen Health Claim, also eine erlaubte gesundheitsbezogene Aussage für NEM mit Propolis, gibt es nicht. Die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde (EFSA) hat zwar zahlreiche von Herstellern eingereichte Werbeaussagen (Claims) geprüft, allerdings keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen diesen und dem Verzehr von Propolis festgestellt. Aussagen, die für Propolis Wirkungen wie die Unterstützung der Gesundheit von Atemwegen, Darm, Leber, Immunabwehr, normaler Blutzirkulation und Mundgesundheit oder eine antibakterielle und antimykotische Wirkung indizieren, sind daher irreführend und unzulässig. Gesundheitsbezogene Werbeaussagen, etwa zur Unterstützung des Immunsystems oder zur antioxidativen Wirkung beziehen sich in der Regel auf zugesetzte Vitamine (wie Vitamin C) oder Mineralstoffe (wie Zink) und nicht auf Propolis selbst.
Propolis wird wegen seiner hautpflegenden und entzündungshemmenden Effekte auch in dermatologischen Produkten eingesetzt. Seine antioxidativen Eigenschaften tragen zur Regeneration der Hautbarriere bei. Die wundheilungsfördernden Effekte von Propolis werden in Salben, Tinkturen und Pflastern zur Wundversorgung genutzt. Besonders bei kleineren Wunden und Hautabschürfungen ist das Bienenharz als natürliches Heilmittel beliebt.
Pflegeprodukte für gereizte oder rissige Haut können kombiniert mit feuchtigkeitsspenden Inhaltsstoffen ebenfalls Propolis enthalten. In Zahnpasten und Mundspülungen soll es Kariesbakterien bekämpfen und das Zahnfleisch schützen. In Studien wurde Propolis unter anderem auch als Wurzelkanalspüllösung erfolgreich getestet und um Zahnfleischentzündungen und -blutungen zu lindern.
Homöopathische Arzneimittel wie potenzierte Propolis-Tinkturen, -Urtinkturen, -Tropfen, -Dilutionen oder -Globuli werden unter anderem bei Hautproblemen wie Akne, Lippenbläschen (Herpes labialis) oder Nesselsucht eingesetzt. Weitere Anwendungen sind wiederkehrende Erkältungen, Schnupfen, Husten, Hals-, Ohren- und Kopfschmerzen. Auch unter Imkern ist Propolis als therapeutisches Mittel beliebt. Nach bestimmten Rezepturen stellen sie Präparate für den Eigenbedarf her, dürfen diese allerdings nicht als Arzneimittel bewerben oder verkaufen. Erlaubt ist aber der Verkauf von Rohpropolis, mit dem Käufer die Präparate selbst herstellen können.
Eine spezielle Herausforderung beim Naturprodukt Propolis ist es, seine chemische Zusammensetzung zu standardisieren und einheitliche Qualitätskriterien zu entwickeln. Die Wirksamkeit und Sicherheit von Propolis können je nach Herkunft und Verarbeitung variieren, was Angaben etwa zur Dosierung erschwert. Nebenwirkungen brauchen Anwender in der Regel nicht zu befürchten, da Propolis im Allgemeinen als gut verträglich gilt. Allergische Reaktionen treten in erster Linie bei Personen auf, die allergisch auf Bienenprodukte reagieren. Bei externer Anwendung können Hautreizungen auftreten, weshalb bei der erstmaligen Verwendung Vorsicht geboten ist. Schwangere und stillende Frauen sollten Propolis nur nach ärztlicher Rücksprache oral einnehmen, da bislang keine ausreichenden Studien zur Unbedenklichkeit vorliegen.
Zu bedenken sind Warnungen, dass Propolis die Blutgerinnung beeinflussen und möglicherweise das Blutungsrisiko bei Menschen mit Gerinnungsstörungen erhöhen könnte. Wechselwirkungen mit Medikamenten, die die Blutgerinnung verlangsamen (Antikoagulanzien/Thrombozytenaggregationshemmer), sind ebenfalls denkbar. Bienenprodukte wie Blütenpollen, Gelée royale und möglicherweise auch Propolis können Pyrrolizidinalkaloide (PA) enthalten. Diese natürlichen Pflanzenstoffe gelangen über Blütenpollen in die Bienenprodukte und können beim Menschen das Erbgut schädigen, Krebs auslösen und durch ihre Abbauprodukte die Leber schädigen. In Europa müssen Hersteller Höchstmengen einhalten. Nicht zuletzt deswegen sollten Menschen, die Propolis nutzen wollen, auf die Bezugsquelle achten und Produkte aus Herkunftsländern wie China besser meiden.