Blütenpracht mit Knalleffekt |
| Barbara Döring |
| 02.07.2024 15:30 Uhr |
Der Blauregen birgt verschiedene Gifte, die schon bei Berührung ihre Wirkung zeigen können. / Foto: Getty Images/Natalia Ganelin
Als verholzende Kletterpflanze wächst der sommergrüne Blauregen bis zu 30 m hoch. Die jungen Triebe nutzen dabei jeden Gegenstand bis zu einem Umfang von etwa 15 cm, um sich darum zu winden. Sie wachsen dabei von oben betrachtet linksherum, um durch die Kreisbewegung in einem Radius bis zu 1 m eine Rankhilfe zu finden. Innerhalb zweieinhalb bis dreieinhalb Stunden ist eine volle Drehung vollbracht. Ältere Triebe ohne Rankhilfe wachsen dagegen gerade. Mit den Jahren verdicken die Triebe und bilden einen Stamm, der durch gezielten Schnitt zum Hochstamm gezogen werden kann. Die Blätter sind unpaarig gefiedert mit 4 bis 8 cm langen, lanzettlich geformten und seidig behaarten Teilblättern.
Von der Pflanzung bis zur Blüte vergehen mitunter mehrere Jahre. Dann werden Gärtner jedoch von April bis Juni noch vor dem Blattaustrieb mit einer üppigen Blüte belohnt. Im Juli und August folgt oft noch einmal ein schwächerer Blütenschub. Die lila bis violett gefärbten, für Hülsenfrüchtler typischen Schmetterlingsblüten hängen in dichten Trauben und duften angenehm süß. Daraus entstehen bohnenartige, 6 bis 20 cm lange Hülsenfrüchte, die den gesamten Winter über an der Pflanze verbleiben. Im Frühjahr öffnen sich die Hülsen bei steigenden Temperaturen explosionsartig mit einem lauten Knall und schleudern die Samen bis zu 10 m weit heraus.
Chinesischer Blauregen (Wisteria sinensis)
Gattung Blauregen (Wisteria)
Familie der Hülsenfrüchte (Fabaceae)
Botaniker unterscheiden sechs bis zehn Glyzinien-Arten, von denen keine in Europa heimisch ist. Neben der chinesischen Glyzinie gibt es Sorten aus Nordamerika, Australien und Ostasien. Die chinesische Glyzinie bevorzug nährstoffreiche Böden und warme, sonnige Standorte, verträgt aber auch winterliche Temperaturen. Hierzulande wird sie vor allem in Gärten und Parks kultiviert und wächst an Mauern und Hauswänden. Nur selten finden sich verwilderte Pflanzen. Die größte Glyzinie der Welt soll sich in Kalifornien befinden. Sie wurde 1894 gepflanzt und soll nun über 1 Hektar groß sein und schätzungsweise 250 Tonnen wiegen. Der mit etwa 1200 Jahren älteste Blauregen wird in Japan verortet.
Die gesamte Pflanze ist giftig, besonders die Samen. In Rinde und Wurzeln findet sich das Glykosid Wistarin, welches in der Wirkung dem Cytisin des Goldregens ähnelt. Zudem sind Alkaloide und in Samen und Hülsen Lectine enthalten. Schon zwei bis drei Samen können Vergiftungserscheinungen auslösen. Die Konzentration der Giftstoffe schwankt stark je nach Jahreszeit. Nach dem Verzehr drohen Bauchschmerzen, Durchfall und Erbrechen sowie Kopfschmerz und Schwindel. Die Pupillen weiten sich und es kann zur ausgeprägten Tagesschläfrigkeit sowie zu Kreislaufbeschwerden bis hin zum Kollaps kommen. Durch die enthaltenen Alkaloide kann es schon bei Berührung der Pflanze zu Rötungen und starkem Juckreiz kommen. Beim Schneiden des Blauregens sollten Handschuhe getragen werden. Auch Tiere können sich vergiften, wenn sie mit dem Saft geschnittener Pflanzenteile in Berührung kommen oder Pflanzenteile fressen.
Bei Verdacht auf eine Vergiftung sollte man Pflanzenteile sofort aus dem Mund entfernen und eine der Giftnotrufnummern (siehe unten) oder den Notruf 112 wählen. Die Giftinformationszentren bieten rund um die Uhr telefonische Beratung bei Vergiftungen oder im Verdachtsfall. Als Erste Hilfe wird empfohlen, ein Glas stilles Wasser, Tee oder Saft zu trinken, um das Gift im Magen zu verdünnen. Nach Berührung der Pflanzen sollte man die Hände waschen.
In der Homöopathie gelten Zubereitungen aus Wisteria sinensis als Mittel gegen Stress, Erschöpfung und Burn-out.
Der britische Botaniker Thomas Nuttall benannte die Gattung Wisteria zu Ehren des deutsch-amerikanischen Anatoms und Gartenbesitzers Caspar Wister (1761–1818). Ursprünglich hatte der schwedische Naturforscher Carl v. Linné der Pflanze – wohl wegen des süßen Duftes – den Namen Glycinie (griechisch glykys = süß) gegeben. In diesem Jahr hat der Botanische Sondergarten Wandsbek in Hamburg den Blauregen zur Giftpflanze des Jahres 2024 ausgerufen. Mit der jährlichen Wahl macht der Sondergarten seit 2004 auf giftige Pflanzen aufmerksam, um einen bewussten Umgang mit ihnen zu fördern.
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