Blutdrucksenker – wann am besten einnehmen? |
Weiterhin keine klare Empfehlung für den Einnahmezeitpunkt von Antihypertonika. / Foto: Adobe Stock/photocrew
Über den »perfekten« Einnahmezeitpunkt für blutdrucksende Arzneimittel ist in der Vergangenheit bereits viel geforscht und gestritten worden. Für Furore sorgte zuletzt die groß angelegte HYGIA-Studie aus Spanien, die suggerierte, dass die abendliche Einnahme der morgendlichen hinsichtlich der Blutdruckkontrolle und des Risikos für schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse überlegen sei (»European Heart Journal« 2019). Die Studie wurde aber für methodische Mängel stark kritisiert.
Drei Jahre später kamen Forschende aus Schottland in der ebenfalls groß angelegten TIME-Studie zu dem Ergebnis, dass der Einnahmezeitpunkt keine Rolle für das Risiko von Herzinfarkt, Schlaganfall und Co. spiele (»The Lancet« 2022).
Nun ist ein Update eines Cochrane-Reviews erschienen, das erstmals 2011 publiziert wurde. Damals lautete das Ergebnis, dass sich der 24-Stunden-Blutdruck durch die abendliche Einnahme etwas besser kontrollieren lasse als mit morgendlicher Einnahme. Unklar blieben die Auswirkungen auf kardiovaskuläre Ereignisse und die Sterblichkeit.
Für das aktuelle Review wählten Forschende um Dr. Chuncheng Wu vom West China Hospital in Chengdu 25 randomisierte, kontrollierte Studien (RCT) mit insgesamt 3016 Teilnehmenden aus. In diesen wurde verglichen, wie sich die abendliche versus die morgendliche Einnahme eines blutdrucksenkenden Medikaments als Monotherapie bei Patienten mit primärem Bluthochdruck auswirkt. Die Behandlungsdauer betrug drei bis 26 Wochen. Die Medikation beinhaltete ACE-Hemmer (sechs Studien), Calciumkanal-Blocker (neun Studien), Sartane (sieben Studien), Diuretika (zwei Studien) sowie Alpha‐ und Betablocker (je eine Studie). Ausgeschlossen wurden Schichtarbeiter und Personen mit sekundärer oder Weißkittel-Hypertonie.
Das Team untersuchte mittels Metaanalysen, wie sich der Einnahmezeitpunkt auf die Gesamtsterblichkeit, kardiovaskuläre Ereignisse und damit verbundene Todesfälle sowie den Blutdruck am Morgen und den 24-Stunden-Blutdruck auswirkte. Weitere Parameter waren die Gesamtanzahl unerwünschter Ereignisse und Therapieabbrüche aufgrund von Nebenwirkungen. Die Forschenden bewerteten die Qualität der Evidenz anhand von Faktoren wie Studienmethode und -größe.
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass es möglicherweise nur geringe bis keine signifikanten Unterschiede zwischen der abendlichen und der morgendlichen Einnahme von Blutdrucksenkern gibt. Für die Gesamtsterblichkeit ergab sich zwar in der Abends-Gruppe im Vergleich zur Morgens-Gruppe ein etwa halb so hohes Risiko nach 26-wöchiger Behandlung (relatives Risiko 0,49). Die Qualität der Evidenz der Studien sei jedoch so gering, dass diesen Ergebnissen nicht getraut werden könne, betonen die Studienautoren.
Schwere unerwünschte Ereignisse und Nebenwirkungen im Allgemeinen traten in beiden Gruppen etwa gleich häufig auf (RR 1,17 beziehungsweise 0,89). Die abendliche Einnahme könnte möglicherweise mit einer etwas geringeren Wahrscheinlichkeit von Therapieabbrüchen aufgrund von unerwünschten Ereignissen (RR 0,76) und möglicherweise mit einer geringfügig besseren Kontrolle des 24-Stunden-Blutdrucks verbunden sein. Aber auch für diese Aspekte bewerteten die Forschenden die Evidenz als extrem unsicher.
Kurz gesagt: Die Studienqualität war zu schlecht, um verlässliche Aussagen darüber zu treffen, ob die Einnahme am Abend der am Morgen mit Blick auf kardiovaskuläre Endpunkte und Nebenwirkungen überlegen ist.
Die Liste der Kritikpunkte an den Studien ist lang. Sie berücksichtigten beispielsweise nicht alle Menschengruppen: Die Mehrheit der Teilnehmenden hatten helle Hautfarbe; nur zwei Studien wurden in Asien (China) und eine in Afrika (Südafrika) durchgeführt. Personen mit Risikofaktoren für Herzinfarkt und Schlaganfall wurden in allen Studien konsequent ausgeschlossen. Auch Patienten, die mehr als ein blutdrucksenkendes Arzneimittel einnahmen, wurden nicht berücksichtigt.
Darüber hinaus war die Studiendauer mit weniger als sechs Monaten sehr kurz. Zudem vermutet das Cochrane-Team, dass teils eine selektive Berichterstattung stattgefunden habe. Das heißt, nicht alle relevanten Erkenntnisse wurden in den Studien veröffentlicht.