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Mediziner fordern

Blutprodukte sollen sicherer werden

Produkte aus Spenderblut zur Transfusion werden routinemäßig auf Infektionen mit HIV, Hepatitis B und C sowie Syphilis untersucht. Transfusionsmediziner fordern, zusätzlich auch spezielle Verfahren zur Inaktivierung von Erregern einzusetzen, um Blutprodukte noch sicherer zu machen.
Judith Schmitz
29.01.2024  11:45 Uhr

Eine Blutkonserve enthält heute in der Regel kein Vollblut, sondern die jeweils benötigten Blutkomponenten: Erythrozyten, Thrombozyten oder Plasma sowie in seltenen Fällen Granulozyten. Das Präparat heißt dann entsprechend, zum Beispiel Erythrozytenkonzentrat.

Mehr als drei Millionen Erythrozytenkonzentrate werden in Deutschland jährlich transfundiert. Sie werden vor allem bei Operationen benötigt sowie im Zuge verschiedener Krebstherapien. An zweiter Stelle mit rund 400.000 Transfusionen jährlich kommen Thrombozytenkonzentrate für die Blutgerinnung. Sie werden etwa bei der Blutkrebstherapie eingesetzt.

Alle Blutprodukte stammen von Spendern – bezüglich ihrer Sicherheit gibt es daher teilweise noch Vorbehalte. Professor Dr. Axel Seltsam, Ärztlicher Geschäftsführer des Blutspendedienstes des Bayerischen Roten Kreuzes, sagte anlässlich einer Pressekonferenz zur Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie: »Durch die strikte Spenderauswahl und empfindliche Verfahren zum Virennachweis haben wir in Deutschland bereits einen sehr hohen Sicherheitsstandard für aus Spenderblut gewonnene Blutprodukte erreicht.«

Wer in Deutschland Blut spenden möchte, muss sich gesund fühlen, fieberfrei sein und umfassend Auskunft über Aktivitäten geben, die ein erhöhtes Risiko für Infektionen mit sich bringen. Dazu zählen etwa zurückliegende Reisen in wärmere Regionen. Auch bei Verletzungen gibt es verschieden lange Rückstellungszeiträume. So darf sich ein Spender beispielsweise binnen vier Monaten vor der Spende keine Piercings, Brandings oder Tattoos stechen lassen.

Ein gewisses Restrisiko für die Übertragung von Krankheitserregern besteht jedoch. »Während man bekannte Erreger wie das Immunschwäche-Virus HIV oder Hepatitis-B- oder -C-Viren über empfindliche Tests nachweisen kann, existieren solche spezifischen Tests für neue Erreger naturgemäß nicht«, so Seltsam. Und selbst bekannte Viren könnten in seltenen Fällen in so geringer Menge enthalten sein, dass sie das Nachweisverfahren unterlaufen.

Erreger unschädlich machen

Um dennoch einen effektiven Infektionsschutz zu gewährleisten, gibt es verschiedene Verfahren zur Pathogeninaktivierung. Dabei wird entweder UV-Licht allein oder in Kombination mit photoaktiven Substanzen eingesetzt. Die DNA und RNA von Pathogenen wie Viren und Bakterien wird dadurch geschädigt, die Pathogene so inaktiviert. Das Prinzip der Pathogeninaktivierung wurde in den 1980er-Jahren für die Plasma-Industrie infolge des HIV-Skandals entwickelt. Damals war es durch zahlreiche Übertragungen von HIV durch Blutprodukte gekommen. Heute wird jedes Plasmaprodukt aus der Industrie mindestens zweimal inaktiviert, zelluläre Blutkonzentrate allerdings noch nicht. Seltsam: »Ich sehe eine Chance, mit diesem Verfahren auch klassische zelluläre Blutkomponenten wie Thrombozyten- oder Erythrozytenkonzentrate noch sicherer zu machen.«

Konzentrate von Thrombozyten haben im Spektrum der Blutprodukte eine Sonderstellung: Im Gegensatz zu Plasma- oder Erythrozytenkonzentraten können sie weder gekühlt noch eingefroren werden. Um die Funktion der für die Blutgerinnung wichtigen Thrombozyten zu erhalten, werden die empfindlichen Konzentrate in der Regel bei Raumtemperatur gelagert und ständig bewegt. Das Problem: Diese Art der Lagerung schafft ideale Wachstumsbedingungen für Bakterien. Selbst wenn das Konzentrat zu Beginn nur eine sehr geringe Zahl an Bakterien enthalte – eine Kontamination, die nie ganz zu vermeiden sei –, könne diese binnen weniger Stunden heranwachsen und beim Empfänger etwa zu einer schweren Sepsis führen, so Seltsam. Das Risiko für eine Sepsis bei der Transfusion von Thrombozytenkonzentraten liegt derzeit bei rund 1:10.000. Mit einer Pathogeninaktivierung lasse sich nicht nur das Sepsisrisiko minimieren, die Thrombozytenkonzentrate könnten möglicherweise auch länger als die bislang erlaubten vier Tage gelagert werden und müssten dann seltener verworfen werden, wie Seltsam erläutert.

Obwohl auch für diese Blutprodukte Inaktivierungsverfahren in Deutschland zugelassen seien, würden sie bislang aus Kostengründen nur selten eingesetzt, im Gegensatz zu Ländern wie den USA, Kanada, Frankreich, Belgien oder der Schweiz. »Die Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass die Pathogeninaktivierung erst dann zur Routine wird, wenn sie von behördlicher Seite angeordnet wird, und die Krankenhäuser die Mehrkosten erstattet bekommen«, so Seltsam.

Die DGTI unterstützt daher die Durchführung von Untersuchungen zum Einsatz des Verfahrens sowie dessen Bewertung nach Prüfung durch die Bundesoberbehörde, das Paul-Ehrlich-Institut. Denn wie jedes Verfahren hat auch die Pathogeninaktivierung Nebenwirkungen und Nachteile. So gehen abhängig von der verwendeten Technologie Thrombozyten während der Herstellung verloren. Zudem gibt es Hinweise auf immunologische Unverträglichkeitsreaktionen durch Antikörperbildungen. Daher sei ein differenziertes Vorgehen wichtig, welches auf wissenschaftlicher Basis alle Aspekte berücksichtige, so die Mediziner.

In der Entwicklung

Verfahren zur Pathogeninaktivierung von Erythrozytenkonzentraten sind derzeit noch nicht auf dem Markt, aber in der Entwicklung, auch in Deutschland. Die Schwierigkeit bei der Anwendung der lichtbasierten Verfahren ist, dass der rote Farbstoff Hämoglobin in den Erythrozyten sichtbares und ultraviolettes Licht absorbiert. Er »fischt« das Licht sozusagen weg, so dass es nicht mehr wirken kann. »Um Erreger mit UV-Licht zu treffen, sind besondere Bedingungen nötig oder höhere Dosen«, erklärt Seltsam.

Geforscht wird derzeit außerdem am sogenannten Blood Pharming, bei dem Blutprodukte künstlich im Labor aus pluripotenten Stammzellen hergestellt werden. Wie Professor Dr. Torsten Tonn, medizinischer Geschäftsführer und Institutsleiter beim DRK (Deutsches Rotes Kreuz), Blutspendedienst Nord-Ost, auf der Pressekonferenz berichtete, gebe es eine kleine Gruppe von Patienten, die bis heute nicht mit kompatiblen Blutkomponenten versorgt werden können.

Im Fall von Erythrozytenkonzentraten können familiär auftretende seltene Blutgruppenkonstellationen des Empfängers dazu führen, dass dieser bei chronischem Transfusionsbedarf (zum Beispiel bei Sichelzellanämie) gegen die meisten in unserem Kulturkreis auftretenden Blutgruppenantigene bereits Antikörper gebildet hat. Daher besteht laut Tonn ein medizinischer Bedarf an Blutkomponenten, die sich auch zur Transfusion bei mehrfach vorimmunisierten Patienten eignen.

Derzeit führt die DGTI eine Spenderbank mit seltenen Erythrozytenkonzentraten in Ulm. Sie reicht für 20 bis 30 Fälle pro Jahr. »Es passiert aber auch, dass wir Operationen absagen müssen, weil kein geeignetes Erythrozyten- oder Thrombozytenkonzentrat vorliegt«, sagt Tonn.

Abhilfe schaffen könnten künftig möglicherweise induzierte pluripotente Stammzellen, sogenannte IPS-Zellen, die als Quelle für derartige Blutpräparate dienen. Wie funktioniert das? IPS-Zellen können zunächst in Blutstammzellen differenziert werden, was es ermöglicht, in einem zweiten Schritt daraus die jeweils benötigten Blutzellen (Erythrozyten, Thrombozyten) zu generieren. Mittels der Genschere CRISPR/Cas9 könnten dann zukünftig häufige Blutgruppen- und Antigenmerkmale aus den Blutstammzellen entfernt werden, die aus IPS-Zellen gewonnen wurden. Dadurch ließen sich universell einsetzbare Blutkomponenten generieren.

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