Blutvergiftung ist katastrophale Kettenreaktion |
Bei einer Sepsis überrollen quasi die in die Blutbahn übertretenden Keime den gesamten Körper. / Foto: Science Photo Library/Gschmeissner, Steve
Eine Sepsis hat bis heute nichts von ihrem Schrecken verloren. Sie ist eine außer Kontrolle geratene Infektion. Mit mindestens 85.000 Todesfällen pro Jahr gehört sie zu den häufigsten Todesursachen auf Deutschlands Intensivstationen, informiert die Sepsis-Stiftung anlässlich des Welt-Sepsis-Tages am 13. September. Damit endet von den jährlich in Deutschland mindestens 300.000 Sepsisfällen ein Drittel tödlich.
Eine Sepsis ist nicht – wie man früher glaubte – der »rote Streifen, der zum Herzen zieht«. Sie ist vielmehr die aggressivste Form einer Infektion, hervorgerufen durch Bakterien, Viren, Pilze und deren Toxine, die innerhalb weniger Stunden zum Versagen der inneren Organe führen können. Die Sepsis kann als Komplikation jeder Infektionskrankheit auftreten, also auch bei einer Lungen- oder Mandelentzündung, einem Harnwegsinfekt, einer Malaria, infolge einer eiternden Wunde oder einer großen Operation.
Wenn es dem Körper nicht gelingt, die eigentliche Infektion auf den Ursprungsort zu begrenzen, gelangen kontinuierlich pathogene Mikroorganismen und deren Toxine in die Blutbahn und lösen eine Entzündung in allen Organen des Körpers aus, vergleichbar einer »außer Kontrolle geratenen Kettenreaktion bei einer Kernreaktorkatastrophe«, wie es der Vorsitzende der Sepsis-Stiftung, Professor Dr. Konrad Reinhart, auf einer Presseveranstaltung vor ein paar Jahren formulierte. Das Immunsystem wird gestört – es setzt gleichzeitig pro- und antiinflammatorische Mediatoren frei. In der Folge geraten die Homöostase und Blutgerinnung aus dem Gleichgewicht. Der Organismus wehrt sich gegen Blutverluste und kurbelt die Produktion von Gewebethromboplastin (Tissue Factor) an. Der Plasmaspiegel von Fibrinogen steigt. Parallel wird die Fibrinolyse durch verstärkte Aktivierung von PAI-1 (Plasminogen-Aktivator-Inhibitor 1) gehemmt.
Der massive Einstrom verschiedener Faktoren führt zu einem Ungleichgewicht zwischen gerinnungsfördernden und -hemmenden Substanzen. Bei einer akuten Sepsis treten daher sowohl Blutungen als auch thrombotische Gefäßverschlüsse auf. Innerhalb weniger Stunden sind alle lebenswichtigen Organe entzündet und drohen aufgrund der Minderdurchblutung zu versagen. Schließlich richten sich die Abwehrmaßnahmen des Immunsystems gegen den eigenen Körper.
Im Prinzip geht alles recht unspezifisch los. Deshalb ist den meisten Betroffenen vermutlich die Dringlichkeit nicht bewusst, möglichst schnell zu handeln. Früherkennung steigert die Überlebenschancen. Erste Anzeichen für eine sich anbahnende Blutvergiftung sind Fieber, Schüttelfrost und Atemnot. Erkrankte wirken zudem häufig verwirrt, apathisch oder schläfrig. Doch Vorsicht, warnt die Sepsis-Stiftung: Fieber trete bei sehr jungen oder alten Menschen nicht immer auf und Schläfrigkeit könne vor allem bei älteren Menschen falsch gedeutet werden. »Plötzliche Verwirrtheit ist dagegen immer ein Alarmzeichen, weil sie nicht bei anderen schweren Infektionen auftritt.« Kommen neben der Bewusstseinstrübung noch ein erniedrigter Blutdruck und eine beschleunigte Atmung hinzu, ist keine Zeit zu verlieren, den Rettungsdienst zu rufen.
Zum Mythos »dunkelroter Streifen« erklärt Reinhart: »Bei dem roten Strich handelt es sich um eine Entzündung der Lymphbahnen, die - wie jede andere Infektion – zu einer Sepsis führen kann. Der rote Strich an sich ist also kein Zeichen für Sepsis. Er sollte jedoch trotzdem wie jede andere Infektion, die zu einer Sepsis führen kann, Anlass sein, zeitnah ärztlichen Rat einzuholen.«
Anzeichen einer akut lebensbedrohlichen Erkrankung eines Erwachsenen wie Sepsis:
Liegt zusätzlich eines dieser Anzeichen vor, ist eine Sepsis sehr wahrscheinlich:
Wie die Erkrankung tatsächlich verläuft, hängt vom Alter, der Verfassung und der Infektion ab. Hat diese Zeit, sich lange und stark im Körper auszubreiten, können Organe geschädigt werden und versagen. Doch selbst Menschen, die eine Sepsis überleben, brauchen mitunter Jahre für die Regeneration. Posttraumatische Belastungsstörungen sind nicht selten. Doch auch hier gilt laut Reinhart: »Je früher die ersten Warnsignale erkannt und behandelt werden, desto geringer ist das Risiko von physischen, psychischen oder die geistige Leistung betreffenden Folgeschäden.«
Besonders gefährdet, eine Sepsis zu entwickeln, sind Menschen mit einem geschwächten Immunsystem wie Schwangere, Früh- und Neugeborene, Krebserkrankte, hochbetagte und immunsupprimierte Menschen, Personen mit Implantaten, Verweilkathetern, Diabetes mellitus oder Leberzirrhose. Als weitere Risikofaktoren gelten Mangelernährung, Durchblutungsstörungen in den Beinen, Druckgeschwüre und Alkohol- sowie Drogenmissbrauch.
Um einer Infektion vorzubeugen und damit das Risiko für das Auftreten einer Sepsis zu minimieren, empfehlen Experten folgenden Maßnahmen: