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Wichtige Nährstoffe
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Brot nicht vom Speiseplan streichen

Der Ruf von Brot und Getreideprodukten hat in den vergangenen Jahren aufgrund des Low-Carb- und des Glutenfrei-Trends gelitten. Zu Unrecht: Wer Vollkorngetreide vom Speiseplan streicht, dem fehlten viele wichtige Nährstoffe, sagt Ernährungswissenschaftlerin und Mikrobiomspezialistin Professorin Dr. Michaela Axt-Gadermann.
AutorKontaktElke Wolf
Datum 19.12.2025  08:00 Uhr

Brot gehört zu den beliebtesten Lebensmitteln der Deutschen. Ganze 58 kg dieser Backware werden hierzulande pro Person im Jahr vertilgt, sagt die Statistik. Das entspricht täglich drei bis vier Scheiben. In mediterranen Ländern und etwa den USA ist der Brotkonsum deutlich geringer. Im Deutschen Brotregister des Deutschen Brotinstituts sind derzeit mehr als 3000 unterschiedliche Brotspezialitäten aufgeführt. Kein anderes Land der Erde hat mehr Brotsorten.

Der Deutschen liebstes Brot ist die Mischvariante aus Weizen- und Roggenmehl. Dabei gebe es viel mehr gesunde und leckere Alternativen, betont die Professorin für Gesundheitsförderung an der Hochschule Coburg im Gespräch mit PTA-Forum. »Die Spanne zwischen Weißmehltoast und ballaststoffreichem Vollkornbrot mit Nüssen und Samen ist enorm, was Inhaltsstoffe und damit gesundheitsfördernde Effekte betrifft. Schließlich will man möglichst wertvolle Ballaststoffe und sekundäre Pflanzenstoffe zuführen statt leerer Kohlenhydrate.« Mit welchen Zutaten man sich beim Brotkonsum einen gesundheitlichen Mehrwert eressen kann, beschreibt die Bestsellerautorin in ihrem neuesten Buch, das sie zusammen mit Brotsommelier Johannes Dackweiler herausgebracht hat (siehe Buchtipp).

Den Low-Carb-Trend sieht die Ernährungswissenschaftlerin kritisch. »Aus wissenschaftlicher Sicht ist es nicht sinnvoll, Getreide- und vor allem Vollkornprodukte vom Speiseplan zu streichen. Zahlreiche Studien belegen ihre Bedeutung für unsere Gesundheit. Verzichtet man darauf, steigt das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Dysbiosen des Darmmikrobioms oder Diabetes.« Sie betont, dass es allein mit Obst und Gemüse oft nicht gelingt, den Bedarf an Ballast- und sekundären Pflanzenstoffen sowie pflanzlichem Eiweiß zu decken. »Dann fehlen wichtige schützende Nährstoffe. Weder Obst- noch Gemüseverzehr haben einen vergleichbaren Einfluss wie Getreidefasern und Vollkornprodukte auf Arteriosklerose oder auch das Brustkrebsrisiko.«

Von allem etwas

Auch hier macht es die Vielfalt: Die von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) geforderten 30 g Ballaststoffe sollten günstigenfalls zu einer Hälfte aus Getreide und zur anderen aus Nüssen, Samen, Hülsenfrüchten, Obst und Gemüse gedeckt werden. Bereits zwei Scheiben klassisches Vollkornbrot liefern etwa 8 g Ballaststoffe.

Zutaten wie Roggenmehl, Hafermehl, Mehle aus Hülsenfrüchten, gemahlene Mandeln, Nüsse, Weizenkleie, Haferflocken, Chia-, Lein- und Flohsamen und Hirse toppen die Menge noch; sie stecken voller präbiotischer Ballaststoffe. Auch süßes Gebäck wird dadurch gesünder. Axt-Gadermanns Tipps: »Kakao ist ein prima Ballaststofflieferant mit seinen 33 g pro 100 g. Und Inulinpulver ist wegen seines leicht süßen Geschmacks vor allem für süße Backwaren geeignet.« Wer dann noch selbst backt, weiß genau um die Zutaten.

Als Mikrobiomspezialistin legt Axt-Gadermann besonderen Wert auf präbiotische Ballaststoffe oder Präbiotika: »Das sind unverdauliche Kohlenhydrate, die einigen Bakterien als wichtigste Nahrungsquelle dienen – wobei kurzkettige Fettsäuren entstehen. Acetat, Butyrat und Propionat gelten als die wichtigsten.« Sie seien wesentlich dafür verantwortlich, dass die Darmschleimhaut gut gedeiht, dass sie integer bleibt und nicht entzündlich durchlässig für Pathogene wird sowie darunter liegende Immunzellen so erzogen werden, dass sie regulatorische T-Zellen bilden – Hauptverantwortliche für immunologische Toleranz. Präbiotische Ballaststoffe sorgten für ein breit aufgestelltes Darmmikrobiom.

Herzgesund

Das Buchcover verspricht »Fit & Schlank mit Brot«. Dass Brot beim Abnehmen helfen kann, überrascht dann doch. Die Ernährungsexpertin führt etwa eine Studie des Westdeutschen Diabetes- und Gesundheitszentrums in Düsseldorf an, bei der übergewichtige Menschen allein durch den Austausch ihres Roggenbrotes durch ein kohlenhydrat- und stärkearmes, dafür aber ballaststoff- und proteinreiches Brot nach drei Monaten relativ mühelos etwa 2 kg verloren hatten. »Durch den hohen Eiweiß- und Ballaststoffgehalt – das Studienbrot enthielt unter anderem Flohsamen, Leinsamen, Chiasamen, Mandeln, Sonnenblumenkerne, Haferflocken und Proteine aus Hülsenfrüchten – sättigte das Brot gut.«

Die präbiotischen Ballaststoffe tragen auch zu stabileren Blutzucker- und niedrigeren Insulinwerten bei – »ideal, um Gewicht zu verlieren, und vor allem für Menschen mit Diabetes oder Prädiabetes. Durch die Senkung von Cholesterol- und Blutzuckerspiegel und auch über die Förderung einer gesunden Darmflora gelten Ballaststoffe als herzgesund, die reduzieren das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall«, so Axt-Gadermann.

Antientzündlich

Noch einen weiteren gesundheitlichen Pluspunkt sprach die Expertin an. »Erstaunlicherweise zählen nach Kurkuma Ballaststoffe zu den Lebensmitteln mit der höchsten entzündungshemmenden Wirkung, also nicht etwa Omega-3-Fettsäuren, wie man vermuten könnte. So besagt es der Dietary Antiinflammatory Index, also eine wissenschaftliche Einheit zur Bewertung des Entzündungspotenzials einer Ernährung.«

Schließlich würden unterschwellige Entzündungsprozesse auch mit Arteriosklerose in Verbindung gebracht. »Wer weniger raffinierten Zucker, dafür ballaststoffhaltiges Mehl konsumiert, der verbessert den Zustand der Gefäße und macht sie elastischer. Dafür sorgen auch die vielen Antioxidanzien, die entgegen der landläufigen Meinung in Getreide enthalten sind.«

Glutenfrei? Kein Gütesiegel!

Beim Thema Brot und Getreide kommt man um das Klebereiweiß Gluten nicht herum. Der Markt an glutenfreien Produkten boomt. Diesen Trend sieht die Medizinerin mit Sorge. »Es gibt keine wissenschaftlichen Beweise dafür, dass eine glutenfreie Ernährung für Menschen ohne eine Form der Glutenunverträglichkeit gesünder ist oder irgendwelche Vorteile besitzt. Doch mittlerweile ist ›glutenfrei‹ fast schon zu einem Qualitätskriterium für gesundes Essen geworden. Das erinnert mich fast schon an die Auslobung ›frei von Schadstoffen‹, als wäre es ein Gütesiegel«, bezieht sie Stellung.

Im Gegenteil: Es sei eine völlig falsche Botschaft, dass Gluten für alle Menschen ungesund sei. »Für die meisten von uns ist der Glutengehalt völlig irrelevant und wir vertragen es. Ausgewogene Ernährung bedeutet, dass man von allem in Maßen isst und Extreme meidet. Zöliakie betrifft nur etwa 1 Prozent der Bevölkerung. Ebenfalls selten kommen eine Weizenallergie oder eine Nicht-Zöliakie-Glutensensitivität vor. Wird Gluten aufgrund eines Reizdarmsyndroms nicht vertragen, hilft oft vorübergehender Verzicht, sodass es nach einigen Wochen Karenz in kleinen Mengen wieder vertragen wird.«

Langfristig sieht sie in einer glutenfreien Ernährung, obwohl man es vertragen würde, sogar Nachteile. Menschen, die über längere Zeit das Klebereiweiß meiden und somit auch gesunde Getreide vom Speiseplan streichen, entwickeln häufig einen Mangel an Vitamin B12, Folsäure sowie an Eisen, Zink, Magnesium und Calcium. Ebenso auffällig: »Die Menschen weisen auch höhere Spiegel an Schwermetallen in Blut und Urin auf. Erklärt wird das damit, dass bei einer glutenfreien Ernährung auf Getreidealternativen zurückgegriffen wird, vor allem Reismehl. Und dieses ist mit mehr Schwermetallen belastet – was längerfristig Auswirkungen auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen und das Gehirn hat.«

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