Brustkrebs behandeln – diese Therapien gibt es |
Das monatliche Abtasten der eigenen Brust macht Frauen mit der Beschaffenheit ihrer Brust vertraut, sodass Veränderungen eher auffallen. / © Adobe Stock/Sean Nel
Die Diagnose Brustkrebs ist für jede Frau ein Schock. Etwa eine von acht trifft sie im Verlauf des Lebens, im Mittel im Alter von 65 Jahren. Doch die Überlebensaussichten sind höher als bei den meisten anderen Krebsarten – und in den letzten Jahrzehnten stetig angestiegen. Die relative 5-Jahres-Überlebensrate lag zu Beginn der 1980er-Jahre noch bei 69 Prozent, heute beträgt sie 88 Prozent. Wird der Tumor in einem frühen Stadium entdeckt, bevor er die Lymphknoten befallen hat, erreicht sie sogar volle 100 Prozent. Möglich wurde das zum einen durch die Weiterentwicklung bestehender Therapieformen, aber auch durch innovative Wirkstoffe, die sich vor allem gegen fortgeschrittene und bisher schwer behandelbare Tumoren richten.
Welche Therapie erforderlich und sinnvoll ist, legt eine interdisziplinäre Tumorkonferenz fest. Sie besteht aus Vertretern mehrerer Fachrichtungen wie Onkologen, Radiologen, Strahlentherapeuten und oft auch Psychologen. Die Spezialisten erstellen zusammen einen Behandlungsplan, dessen Zusammensetzung und Reihenfolge von der Art und Größe des Tumors, einem eventuellen Befall der Lymphknoten, verschiedenen Biomarkern sowie dem Alter und Gesundheitszustand der Patientin abhängt. Auch persönliche Präferenzen der betroffenen Frau spielen dabei eine Rolle.
Eine Operation ist nach wie vor für fast alle Patientinnen unvermeidbar. Meistens entfernen Chirurgen heute nur den Tumor und das unmittelbar benachbarte Gewebe (»im Gesunden«); die Brust als solches bleibt erhalten – je nach Lage des Tumors meist auch die Brustwarze. Zahlreiche große Studien belegen, dass das Rückfallrisiko bei dieser schonenden Operationsweise in Kombination mit einer anschließenden Bestrahlung nicht größer ist als bei einer radikalen Brustentfernung (Mastektomie). Diese ist nur noch selten erforderlich: zum Beispiel bei entzündlichen, sehr großen oder mehreren Tumoren.
Oft beginnt der Arzt dann schon während der Operation mit dem Brustaufbau durch ein Silikonimplantat oder Eigengewebe. Trägt die Patientin ein sehr hohes familiäres Risiko, zum Beispiel aufgrund einer BRCA1/2-Genmutation, empfehlen Mediziner unter Umständen auch die Mastektomie der zweiten, bisher nicht betroffenen Brust. Das erhöht Studien zufolge die Überlebenswahrscheinlichkeit.
Zusätzlich zum Tumor wird bei vielen Brustkrebspatientinnen der sogenannte Wächter- oder Sentinel-Lymphknoten entnommen. Das ist der erste einer Gruppe von Lymphknoten in der Achselhöhle, in den der Lymphstrom aus der Brust mündet. Um ihn zu orten, injiziert ein Arzt in der Regel am Vortag einen Farbstoff oder eine schwach radioaktive Substanz in das Brustgewebe. Noch während der Operation untersuchen Pathologen, ob sich im markierten Wächterlymphknoten Krebszellen finden (Staging). Ist das nicht der Fall, sind mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch keine anderen Lymphknoten befallen: Der Tumor hat noch nicht gestreut und das Rezidivrisiko ist gering.
Mediziner bezeichnen diesen Zustand als nodal-negativ. Ansonsten muss der Operateur – je nach Risiko – mehrere weitere oder sogar alle Lymphknoten in der Achsel entfernen. Das Gleiche gilt, wenn sie schon aufgrund des Tast- und Ultraschallbefunds verdächtig erscheinen und eine Stanzbiopsie den Lymphknotenbefall belegt.
Nach der brusterhaltenden Operation folgt praktisch immer eine unterstützende (adjuvante) Strahlentherapie. Ziel ist es, eventuell in der Brust und im Bereich der Lymphknoten verbleibende Tumorzellen durch hochdosierte ionisierende Strahlen zu zerstören. Wie wichtig und effektiv das ist, belegen neuere Studien: Die Radiatio verhindert acht von zehn möglichen Rückfällen. Meist lässt sie sich ambulant in einer Klinik oder Strahlentherapiepraxis durchführen. Sie dauert üblicherweise drei bis fünf Wochen mit jeweils vier bis fünf Bestrahlungsterminen.
Neuere Studien weisen darauf hin, dass eine sogenannte ultra-hypofraktionierte Strahlentherapie mit fünf Behandlungen innerhalb einer Woche das Rezidivrisiko in vergleichbarem Maß senken kann. Insbesondere Patientinnen vor der Menopause erhalten nach der Ganzbrustbestrahlung zusätzlich meist eine sogenannte Boost-Behandlung mit einer erhöhten Strahlendosis im Tumorbett. Bei älteren Patientinnen mit einem geringen Rückfallrisiko reicht manchmal auch eine Teilbrustbestrahlung aus. Nur in Ausnahmefällen kann man ganz auf die Radiotherapie verzichten: etwa bei einem sehr kleinen, langsam wachsenden Tumor oder einer aufgrund des Alters ohnehin begrenzten Lebenserwartung. Nach einer Mastektomie ist – außer bei einer weit fortgeschrittenen Erkrankung oder einem hohen Rezidivrisiko – in der Regel keine zusätzliche Bestrahlung der Brustwand notwendig.
Meist erfolgt die Bestrahlung von außen durch die Haut (perkutan). Bei der sogenannten Brachytherapie platziert der Radiologe die Strahlenquelle dagegen unmittelbar am Ort des entfernten Tumors – entweder noch während der Operation vor dem Wundverschluss oder durch das Einführen kleiner Katheter, die einige Tage in der Brust bleiben.
Dank technischer Neuerungen ist die Strahlentherapie heute deutlich besser verträglich als früher. Moderne Verfahren wie die Intensitätsmodulierte Radiotherapie (IMRT) und die neuere Volumenmodulierte-Arc-Therapie (VMAT) bündeln die Strahlungsintensität – und damit die zellschädigende Wirkung – punktgenau.
Das schont das umliegende Gewebe. Dadurch verursachen sie weniger Hautreaktionen, Gewebeverhärtungen und erweiterte Kapillargefäße der Haut. Treten schmerzhafte Rötungen oder Juckreiz auf, kann das Apothekenteam der Kundin rückfettende und kühlende Pflegelotionen empfehlen. Wenn auch das Lymphsystem der Achselhöhle mitbestrahlt wird, entwickeln sich manchmal Abflussstörungen. Eine mögliche Folge ist ein Lymphödem.
Zusätzlich zu Operation und Strahlentherapie erhalten viele Frauen eine Chemotherapie. Im Gegensatz zu den beiden anderen Verfahren wirkt sie nicht nur lokal in der Umgebung des Tumors und der Lymphknoten, sondern systemisch: Sie zerstört im ganzen Körper winzige Tumorabsiedlungen, die trotz moderner Bildgebungsmethoden nicht nachweisbar sind. Ob Ärzte im Einzelfall dazu raten, hängt wesentlich von den Tumorcharakteristika sowie der familiären Vorbelastung und dem Alter der Patientin (vor oder nach der Menopause) ab.
Immer häufiger setzen sie die Chemotherapie heute auch neoadjuvant ein, das heißt vor der Operation. Ziel ist es, eventuell vorhandene Mikrometastasen ohne Zeitverzug zu bekämpfen und den Tumor zu verkleinern, um ihn besser und brustschonender entfernen zu können. Außerdem zeigt sich dadurch schnell, wie gut der Krebs auf die gewählten Medikamente anspricht. Die adjuvante Chemotherapie kann vor oder nach der Strahlentherapie erfolgen, mit manchen Substanzen auch gleichzeitig.
Onkologen können heute auf eine Vielzahl von Zytostatika aus verschiedenen Wirkstoffgruppen zurückgreifen. Allen gemeinsam ist, dass sie die Zellteilung verhindern. Dadurch schädigen sie vor allem Krebszellen, weil sich diese im Vergleich zu gesunden Körperzellen besonders schnell vermehren. Leider werden aber oft auch andere Gewebe mit einer hohen Teilungsrate in Mitleidenschaft gezogen – zum Beispiel Haarfollikel, Darmschleimhaut und blutbildende Zellen. Das erklärt die typischen Nebenwirkungen einer Chemotherapie wie Haarausfall, Übelkeit und Infektanfälligkeit.
In der Regel erhalten Brustkrebspatientinnen eine Kombination mehrerer Substanzen mit unterschiedlichen Wirkmechanismen. Häufig eingesetzt werden unter anderem Anthrazykline (zum Beispiel Doxorubicin, Epirubicin), Alkylantien (wie Cyclophosphamid), Antimetabolite (etwa Fluorouracil/5-FU, Methotrexat, Gemcitabin), Taxane (wie Paclitaxel, Docetaxel) und Platinsalze (zum Beispiel Carboplatin, Cisplatin). Gängige Kombinationen sind etwa EC-P (Epirubicin + Cyclophosphamid gefolgt von Paclitaxel), CMF (Cyclophosphamid, Methotrexat, 5-Fluorouracil) oder TC (Docetaxel, Cyclophosphamid). Zahl und Art der Wirkstoffe, Dosierung, Dauer und zeitliche Abfolge der Behandlungen können sich je nach individuellem Rückfall- und Nebenwirkungsrisiko von Patientin zu Patientin unterscheiden.
Die meisten Zytostatika werden als Infusion verabreicht. Insgesamt zieht sich die Chemotherapie in mehreren Zyklen inklusive Behandlungspausen typischerweise über 18 bis 24 Wochen. Um die oft sehr belastenden Nebenwirkungen zu mildern, verschreiben Ärzte manchmal schon vorbeugend Medikamente gegen Übelkeit und Erbrechen (Antiemetika). Blutbildveränderungen, die zu Erschöpfungszuständen oder Infektanfälligkeit führen, lassen sich durch regelmäßige Laborkontrollen frühzeitig erkennen und behandeln: etwa mit Erythropoese-stimulierenden Faktoren (ESF, zum Beispiel Erythropoietin) bei Anämie oder Granulozyten-koloniestimulierende Faktoren (G-CSF) bei einem Mangel an weißen Blutkörperchen (Neutropenie). Gegen starke Erschöpfung, die häufig auftretende Fatigue, hilft nachweislich auch regelmäßige körperliche Bewegung.
Für die Prognose und die Therapiewahl ist entscheidend, welche biologischen Eigenschaften das Mammakarzinom einer Patientin besitzt. Die wichtigsten Merkmale sind:
Bei drei von vier Betroffenen wächst der Brustkrebs abhängig von weiblichen Geschlechtshormonen. Die Krebszellen besitzen dann Rezeptoren für Östrogen und/oder Progesteron (abgekürzt ER und PR oder PgR), die der Pathologe in einer Gewebeprobe nachweisen kann. Diesen Tumortyp nennen Fachleute auch luminales Karzinom. Das Wachstum von ER- und PR-positiven Tumoren und potenziellen Absiedlungen lässt sich durch eine endokrine Therapie bremsen. In der Regel beginnt sie nach dem Ende der Chemotherapie und die Patientin muss sie fünf bis zehn Jahre fortführen. Das senkt das Rezidivrisiko um bis zu 50 Prozent und die Gesamtmortalität um etwa ein Drittel.
Bei prämenopausalen Frauen geschieht das durch Antiöstrogene. Sie blockieren nicht die Produktion von Östrogen, sondern besetzen dessen Bindungsstellen an den Tumorzellen. Dadurch kann das Hormon seine wachstumsfördernde Wirkung nicht entfalten. Der selektive ER-Modulator (SERM) Tamoxifen gehört bereits seit über 50 Jahren zu den Standardmedikamenten in der endokrinen Brustkrebstherapie (Handelsnamen: Nolvadex®, Kessar®, Mandofen® und andere).
Die Patientinnen nehmen in der Regel täglich eine 20mg-Tablette ein. Weil Tamoxifen die Östrogenwirkung im ganzen Körper hemmt, treten unter der Therapie oft wechseljahresartige Symptome wie Hitzewallungen, Schlafstörungen und Stimmungsschwankungen auf. Auch das Thrombose- und Embolierisiko steigt. Mögliche weitere Nebenwirkungen sind beispielsweise Kopfschmerzen, Wassereinlagerungen im Gewebe, Blutbildveränderungen, Übelkeit, Wadenkrämpfe und Trübungen der Augenlinse (grauer Star). Wichtig zu wissen: Frauen können trotz der Tamoxifen-Behandlung schwanger werden und benötigen einen sicheren, nichthormonellen Empfängnisschutz.
Das seit 2004 erhältliche Fulvestrant (Faslodex® und Generika) besetzt ebenfalls die Östrogenrezeptoren, schaltet sie aber anders als Tamoxifen komplett aus. Außerdem fördert es den Abbau der Hormonrezeptoren, so dass deren Konzentration abnimmt. Der Rezeptorantagonist ist jedoch nur für Patientinnen mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Brustkrebs zugelassen. Er wird anfangs zweiwöchentlich, später einmal monatlich intramuskulär gespritzt. Ähnlich wie Fulvestrant wirkt auch das seit 2023 verfügbare, oral einzunehmende Elacestrant (Orserdu®). Die Verordnung ist allerdings an bestimmte Bedingungen geknüpft – beispielsweise eine nachgewiesene Mutation des ER-Gens ESR1, die den Tumor resistent gegen andere Antiöstrogene macht.
Prämenopausale Frauen mit ER-positivem Brustkrebs und einem hohen Rezidivrisiko erhalten zusätzlich zu Tamoxifen oft ein sogenanntes GnRH (Gonadotropin-Releasing-Hormon) -Analogon. Diese Wirkstoffe – zum Beispiel Leuporelin oder Goserelin – blockieren in der Hirnanhangdrüse das Signal an die Eierstöcke, Östrogen auszuschütten. Dadurch kommt die körpereigene Produktion des weiblichen Geschlechtshormons praktisch komplett zum Erliegen. Die Folge ist eine künstlich ausgelöste Menopause mit den typischen Wechseljahresbeschwerden und einer Verringerung der Knochendichte. Anders als nach der operativen Entfernung oder Bestrahlung der Eierstöcke können jüngere Patientinnen nach einer antihormonellen Therapie jedoch oft noch schwanger werden: Nach dem Ende der Therapie verschwinden die Beschwerden und die Menstruationsblutung setzt meist wieder ein.
GnRH-Analoga werden als Injektion unter die Haut verabreicht, entweder als Einmonats- oder als Dreimonats-Depot. Manchmal erhalten sie junge Frauen auch während der Chemotherapie, um die Eierstockfunktion vorübergehend zu unterdrücken. Das kann helfen, die Fruchtbarkeit zu erhalten.
Ist die Frau bei der Brustkrebsdiagnose bereits in der Postmenopause, erfolgt die endokrine Therapie meist mit einem Aromatasehemmer. Diese Wirkstoffe unterbinden die Östrogenproduktion vor allem im Fettgewebe und in der nahen Umgebung von rezeptorpositiven Tumoren, im Eierstock hingegen kaum. Vor der Menopause dürfen Aromatasehemmer deshalb nur in Kombination mit GnRH-Analoga oder nach einer Ovarentfernung eingesetzt werden. Steroidale Aromatasehemmer wie Exemestan blockieren das Enzym Aromatase dauerhaft, nicht steroidale wie Letrozol und Anastrozol hemmen es dagegen reversibel. Hinsichtlich ihrer Wirkung auf das Rezidivrisiko und das Überleben unterscheiden sie sich jedoch praktisch nicht.
Aromatasehemmer gelten als relativ gut verträglich. Wechseljahresbeschwerden treten seltener als unter Tamoxifen auf. Einige Patientinnen berichten über Muskel- oder Gelenkschmerzen und Erschöpfung. Durch den Östrogenentzug steigt zudem die Gefahr von Osteoporose und dadurch bedingten Knochenbrüchen. Die meisten Mediziner empfehlen deshalb, Vitamin D und Calcium einzunehmen und in regelmäßigen Abständen eine Knochendichtemessung durchführen zu lassen.
Manchmal setzen Onkologen bei hormonsensitiven Tumoren im Frühstadium noch vor der Operation eine drei- bis vierwöchige Antihormontherapie an. So lässt sich abschätzen, wie gut die Erkrankung darauf anspricht. Bei einem geringen Rezidivrisiko kann die Frau dann unter Umständen auf eine Chemotherapie verzichten. Weitere Informationen über das individuelle Risiko und den Nutzen einer zusätzlichen Chemotherapie liefert bei Bedarf ein kommerzieller Multigentest (zum Beispiel Oncotype DX®). Er bestimmt die Aktivität mehrerer krebsrelevanter Gene in einer Gewebeprobe.
Als größter Fortschritt der letzten Jahrzehnte gilt die zielgerichtete Therapie, auch »Targeted Therapy« oder personalisierte Therapie genannt. Sie richtet sich gegen spezifische, individuell unterschiedlich vorhandene Strukturen der Tumorzellen. Dazu gehören monoklonale Antikörper gegen bestimmte Eiweißstoffe auf der Oberfläche der Krebszellen, etwa gegen den Rezeptor HER2 für den humanen epidermalen Wachstumsfaktor (Trastuzumab und Pertuzumab).
Andere blockieren Signalwege im Inneren der Zellen, beispielsweise der mTOR-Hemmer Everolimus, der Tyrosinkinase-Hemmer Neratinib und der CDK4/6-Hemmer Abemaciclib. Checkpoint-Inhibitoren wie Atezolizumab und Pembrolizumab schalten bestimmte Kontrollstellen aus, die die Tumorzellen vor dem Angriff des Immunsystems schützen.
Viele dieser Arzneimittel sind allerdings sehr teuer und nur für fortgeschrittenen oder metastasierten Brustkrebs zugelassen. Damit der Arzt sie verordnen kann, muss er zunächst nachweisen, dass die jeweiligen Zielstrukturen im Tumor und unter Umständen zusätzlich bestimmte Genmutationen vorliegen. Deshalb kommen die zielgerichteten neuen Medikamente bisher nur für einen kleinen Teil der Brustkrebspatientinnen in Frage.