Corona-Therapien auf dem Prüfstand |
Katja Egermeier |
12.02.2021 09:00 Uhr |
Bei der Suche nach einer Therapie gegen Covid-19 wird viel geforscht – viele Ansätze müssen dabei auch wieder verworfen werden. / Foto: Getty Images/RafaPress
Demnach laufen zurzeit rund 1500 Studien zu potenziellen Wirkstoffen gegen die durch SARS-CoV-2 ausgelöste Krankheit, die auf der Weiterentwicklung bewährter Arzneistoffe oder aber der Umsetzung völlig neuer Wirkprinzipien basieren. Die schnelle Entwicklung wirksamer Arzneimittel ist laut BPI nicht zuletzt vor dem Hintergrund neuer Virusmutationen von Bedeutung. Diese beeinflussen das Pandemiegeschehen maßgeblich und könnten auch Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Impfstoffe haben. Ein Überblick über die vielversprechendsten Ansätze:
Hierbei handelt es sich zum Teil um Medikamente, die bereits gegen andere Erkrankungen zugelassen sind. Dieser Vorgang wird als Drug Repurposing, also Neuausrichtung oder Umwidmung von Arzneistoffen, umschrieben.
Ein bekannter Kandidat ist das ursprünglich gegen Ebola entwickelte Remdesivir (Veklury®), das die Virusvermehrung im Zellinneren hemmt. Dabei nutzt dies vermutlich nur in den frühen Erkrankungsstadien, wenn sich das SARS-CoV-2-Virus noch nicht massenhaft vermehrt hat und das Immunsystem noch im Lot ist. Das gilt für alle antiviralen Ansätze.
Remdesivir wird seit der bedingten Zulassung der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) im Sommer 2020 zur Behandlung von Covid-19-Infektionen eingesetzt. Allerdings empfiehlt die neueste Leitlinie der Weltgesundheitsorganisation WHO Remdesivir nicht mehr zur Therapie bei Patienten, die mit Covid-19 ins Krankenhaus eingeliefert werden – unabhängig davon, wie schwer sie erkrankt sind. Es gebe derzeit keine Hinweise darauf, dass Remdesivir das Überleben oder die Notwendigkeit einer Beatmung verbessere. Die EMA hat angekündigt, die Daten selbst neu zu bewerten. Da es nur als Infusion angewendet werden kann, ist es schlecht für die ambulante Anwendung durch den Patienten geeignet. Hier wird an ähnlichen Virostatika geforscht, zum Beispiel das oral verfügbare Molnupiravir.
Weitere bekannte Kandidaten sind das Gicht-Medikament Colchicin sowie Ivermectin, ein Antiparasitikum, das vor allem aus dem Einsatz gegen Fadenwürmer und Krätzmilben bekannt ist. Auch ein eigentlich gegen akutes Lungenversagen entwickeltes Arzneimittel mit dem kryptischen Namen »APN01« gehört in diese Gruppe. Es bindet sich als »falscher Rezeptor« an das Spike-Protein des Virus, sodass dieses nicht mehr am »richtigen Rezeptor« an der menschlichen Zelle andocken kann. Diese vielversprechenden Ansätze machen Hoffnung, haben aber im Hinblick auf Covid-19 noch nicht den Zulassungsprozess durchlaufen.
Bei schweren Verläufen von Covid-19 ist es irgendwann nicht mehr das Virus selbst, sondern die überschießende Reaktion des eigenen Immunsystems, das den Patienten zu schaffen macht. Solche Überreaktionen können durch dämpfende Immunmodulatoren reguliert werden, die auch gegen Autoimmunerkrankungen wie Rheuma oder Multiple Sklerose eingesetzt werden.
Das Glucocorticoid Dexamethason beispielsweise, mit dem allergische Reaktionen, Asthma oder rheumatoide Arthritis behandelt werden, habe bei schwerstkranken und beatmeten Covid-19-Patienten in einer Studie die Sterblichkeit deutlich senken können, so der BPI.
Auch der Ausschuss für Humanarzneimittel der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA empfiehlt den Einsatz von Dexamethason bei beatmeten Covid-19-Patienten. Für Patienten ohne zusätzlichen Sauerstoffbedarf oder Beatmung gilt diese Empfehlung ausdrücklich nicht. Dass es sich um einen Gruppeneffekt der Glucocorticoide handelt, gilt als wahrscheinlich. Auch mit anderen Corticoiden wurden positive Ergebnisse bei schwerkranken Covid-19-Patienten erzielt.
Auch andere Immunmodulatoren wie Baricitinib oder Tocilizumab, beide ebenfalls aus der Rheumatherapie bekannt, werden dahingehend untersucht. Baricitinib hat in den USA sogar wie Remdesivir bereits eine entsprechende Notfallzulassung.
Eigentlich eine alte Methode: Patienten werden mit Antikörpern gegen SARS-CoV-2-Viren aus dem Blutserum von Menschen therapiert, die die Infektion bereits überstanden haben. Die Antikörper sind in der Lage, die Viren im Körper zu neutralisieren.
In den USA haben die gentechnisch hergestellten Antikörper Bamlanivimab, die Kombination Bamlanivimab mit Etesivimab sowie die Kombination aus Casirivimab und Imdevimab (Präparat REGN-COV2) bereits eine Notfallzulassung zur Behandlung leichter bis moderater Covid-19-Erkrankung erhalten.
In Deutschland hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) im Januar für 400 Millionen Euro 200.000 Dosen der Antikörper-Präparate Bamlanivimab und REGN-COV2 gekauft. Viele Forscher sind jedoch skeptisch, unter anderem weil sich gezeigt habe, dass die Antikörper bei fortgeschrittenen Covid-19-Erkrankungen nicht effektiv sind. Anfang Februar hat nun die Europäische Arzneimittelagentur EMA mit der Prüfung des Antikörper-Präparats REGN-COV2 begonnen.
Zwei US-amerikanische und ein südkoreanisches Unternehmen arbeiten an diesem ganz neuen Ansatz: Dabei wird das Virus dadurch blockiert, dass einige seiner Gene »zum Schweigen gebracht werden« und deshalb nicht mehr funktionieren.
Coronaviren lösten bereits 2002 eine Pandemie aus: SARS. Ende 2019 ist in der ostchinesischen Millionenstadt Wuhan eine weitere Variante aufgetreten: SARS-CoV-2, der Auslöser der neuen Lungenerkrankung Covid-19. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronaviren.