Das 1x1 der Lungenentzündung |
Eine Pneumonie kann auch dauerhafte Schäden in der Lunge nach sich ziehen. / Foto: Adobe Stock/BillionPhotos.com
Über 60-Jährige, Patienten mit einer chronischen Herz- oder Lungenerkrankung, Diabetes oder schweren neurologischen Erkrankungen sowie Menschen, deren Immunsystem durch Krankheiten oder Medikamente geschwächt ist, sind besonders gefährdet. Auch bei Rauchern und Säuglingen ist das Risiko erhöht, dass Erreger auf die Lunge übergehen.
Ambulant erworbene Pneumonien (CAP, community acquired pneumonia) sind die häufigste Ursache dafür, dass Menschen im Krankenhaus behandelt werden müssen. Zu unterscheiden von der ambulant erworbenen Pneumonie ist die nosokomiale Pneumonie (HAP, hospital acquired pneumonia), die definitionsgemäß mehr als 48 Stunden nach Hospitalisierung auftritt. Eine dritte Gruppe ist die Pneumonie unter schwergradiger Immunsuppression, die durch ein von den anderen Pneumonien abweichendes, der jeweiligen Art der Immunsuppression entsprechendes Erregerspektrum gekennzeichnet ist.
Die genaue Prävalenz in Deutschland ist unbekannt, da nicht alle Fälle erfasst werden. Schätzungen gehen von 400.000 bis 600.000 Patienten jährlich aus. Schwere Lungenentzündungen sind mit einer hohen Letalität verbunden, hierzulande sterben jedes Jahr etwa 20.000 Menschen an der Erkrankung selbst, beziehungsweise an deren Folgen. »In Studien zeigt sich, dass man in circa 60 Prozent der Pneumonie-Patienten keinen Erreger findet«, sagt Dr. med. Ulrich Matt, Oberarzt SP Infektiologie am Universitätsklinikum Gießen-Marburg gegenüber PTA-Forum. »Die häufigsten identifizierten Erreger sind in 20 Prozent aller Fälle Viren, in circa 10 Prozent kann ein Bakterium isoliert werden. Unter den viralen Erregern kommen Rhinoviren, Influenza-A- und B-Viren, Metapneumoviren, Respiratorische Syncytial-Viren (RSV) sowie Parainfluenzaviren am häufigsten vor, und aktuell natürlich auch SARS- Co-V2.« Unter den Bakterien verursachen Pneumokokken zwischen ein und zwei Drittel aller Pneumonien. Weitere wichtige Erreger sind Haemophilus influenzae, Staphylococcus aureus, Enterobakterien und Legionellen. Multiresistente Erreger wie MRSA, ESBL-Bildner und Pseudomonas aeruginosa sind bei der ambulant erworbenen Pneumonie sehr selten.
Bei einer Lungenentzündung entzünden sich die Lungenbläschen (Alveolen), teilweise ist auch das Gewebe zwischen den Alveolen und den Blutgefäßen (Interstitium) betroffen. Die Inflammation behindert den Gasaustausch, sodass weniger Sauerstoff aus den Lungenbläschen in die Blutbahn gelangt und die Sauerstoffsättigung sinkt. Entsprechend äußern sich die Symptome: Den Betroffenen geht es meist innerhalb von Stunden sehr schlecht, sie entwickeln hohes Fieber, Schüttelfrost, Kopf- und Gliederschmerzen, Husten mit erst uncharakteristischem, dann rostbraunem Auswurf und in schwereren Fällen auch Atemnot. Dieser typische Verlauf findet sich vor allem bei Jugendlichen und Erwachsenen.
»Bei Senioren kann eine Pneumonie auch mit wenigen unspezifischen Symptomen beginnen. Verwirrtheit kann sich bei ihnen einstellen, es tritt ein trockener Reizhusten mit geringem oder fehlendem Auswurf auf und allenfalls leichtes Fieber«, erklärt der Experte. Daher komme auch der Spruch »Old is cold«.
Das klinische Bild, die Anamnese und Untersuchungen wie eine Messung der Vitalzeichen, besonders der Atemfrequenz, und ein Abhören mit dem Stethoskop geben dem Arzt bereits Hinweise darauf, dass eine Pneumonie vorliegen könnte. »Als Goldstandard für die Diagnose gilt jedoch die Röntgenaufnahme der Lunge«, sagt Matt. »Wir erkennen auf den Bildern entzündetes Gewebe als Verschattung oder Infiltrat.« Dennoch könnten im Einzelfall Pneumonien der Diagnose entgehen, etwa wenn das Röntgenbild im ganz frühen Stadium gemacht werde oder Organe wie das Herz die entzündete Stelle verdeckten. Im Blutbild können die Entzündungswerte erhöht sein, allerdings gilt: »Einen bestimmten Marker, an dem sich eine Lungenentzündung eindeutig feststellen lässt, gibt es nicht«, so der Experte.
Die durch Bakterien verursachten Pneumonien lassen sich meist gut mit Antibiotika behandeln. Schlägt die Therapie an, sinkt das Fieber rasch und die Patienten fühlen sich schnell besser. Die Behandlung erfolgt in der Regel empirisch, da Ärzte vor allem im ambulanten Bereich meist keinen Erreger finden. Bei einer leichten, ambulant erworbenen Pneumonie ohne Komorbidität initiiert der Arzt die Therapie meist mit oralem Amoxicillin (3x1000 mg). Alternativen sind gemäß der S3-Leitlinie »Behandlung von erwachsenen Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie« Doxycyclin (Loadingdose 200mg, dann 1x200mg), Azithromycin (1 x 500 mg), Clarithroymycin (2 x 500 mg), Moxifloxacin (1 x 400 mg) oder Levofloxacin (2 x 500 mg).
Bei älteren Patienten und Menschen mit Interaktions-relevanter Komedikation ist Azithromycin das Makrolid der Wahl. Bei Patienten, die eine leichte Pneumonie mit definierter, stabiler Komorbidität wie eine chronische Herzinsuffizienz, ZNS-Erkrankung mit Schluckstörungen, schwere COPD oder Bettlägerigkeit aufweisen, ist laut Leitlinie Amoxicillin-Clavulansäure die Primärtherapie. Alternativ stehen Moxifloxacin und Levofloxacin zur Verfügung. Die Behandlung dauert in der Regel fünf Tage. Bevor die Therapie beendet wird, sollte der Patient für mindestens zwei Tage klinisch stabil sein.
Bei mittelschweren Pneumonien kann eine Sequenztherapie angezeigt sein, bei schweren ist sie obligatorisch. Es werden also zunächst Antibiotika intravenös verabreicht, nach klinischem Ansprechen stellt der Arzt auf eine orale Gabe um. Dabei kann nur die Darreichungsform, aber auch die Substanz beziehungsweise Substanzklasse geändert werden. Zum Einsatz kommen bei der mittelschweren Pneumonie intravenös Amoxicillin-Clavulansäure (3x2,2g), Ampicillin /Sulbactam (3 bis 4 x 3 g), Cefuroxim (3 bis 4 x 1,5 g), Ceftriaxon (1 x 2 g) oder Cefotaxim (3 bis 4 x 2 g), eventuell kombiniert mit einem Makrolid. Patienten mit einer schweren Pneumonie erhalten laut Leitlinie meist initial intravenös Piperacillin/Tazobactam (3 – 4 x 4,5 g) oder Ceftriaxon beziehungsweise Cefotaxim sowie ein Makrolid für drei Tage.
Bei viralen Pneumonien sind die Behandlungsmöglichkeiten begrenzt. Der Nutzen von Virustatika ist größtenteils noch unklar. Eine Ausnahme ist der Neuraminidase-Hemmer Oseltamivir, der bei der Influenzainfektion beziehungsweise -pneumonie anschlagen kann, wenn er innerhalb der ersten 48 Stunden nach Auftreten der ersten Symptome gegeben wird. Ideal ist die Gabe direkt nach der Exposition.
Bei schweren Verläufen kann eine kritische Mangelversorgung mit Sauerstoff entstehen. Patienten müssen dann durch eine Beatmungsmaske und im schlimmsten Fall invasiv über ein Beatmungsgerät und Luftröhrenschlauch (Intubation) auf der Intensivstation mit Sauerstoff versorgt werden.
Viele Pneumonien verlaufen nur leicht oder allenfalls mittelschwer und können ambulant behandelt werden. »Ob ein Patient in die Klinik muss, hängt auch von seinen Vorerkrankungen und seinem klinischen Zustand ab«, sagt der Experte. Bei älteren Menschen sei auch Verwirrtheit ein Warnzeichen. Hier könne auch das Apothekenteam die Augen offenhalten: »Mitarbeiter in der Apotheke kennen ihre älteren Patienten oft sehr gut und merken gleich, wenn sich der physische oder geistige Zustand einer betagten Person merklich verschlechtert hat.« Neben einem Lebensalter über 65 Jahren zählen auch eine unsichere häusliche Versorgungssituation und eine Alkoholabhängigkeit zu den Kriterien, die für eine Einweisung sprechen.
Gesunde Menschen ohne Vorerkrankungen haben die Pneumonie meist nach wenigen Wochen überstanden. »Um das Abhusten zu erleichtern, kann eine Inhalation mit Kochsalzlösung helfen«, so der Experte. Nicht zu wenig trinken ist wichtig, das Fieber kann mit nicht steroidalen Antirheumatika (NSAR) oder Paracetamol gesenkt werden. Expektorantien und Antitussiva verschaffen bei Husten Erleichterung. Patienten, die Schwierigkeiten haben, den Schleim abzuhusten, kann Atemgymnastik helfen.
Auch wenn sich die Betroffenen wieder besser fühlen, sollten sie es zunächst noch langsam angehen lassen. Senioren, Risikopatienten und Menschen, die sich im Krankenhaus angesteckt haben oder schon mit Antibiotika vorbehandelt sind, haben ein erhöhtes Risiko für mitunter lebensbedrohliche Komplikationen, zu denen Kreislaufzusammenbruch, Lungen- oder Herzversagen oder eine Blutvergiftung (Sepsis) zählen.
Was als Vorsorgemaßnahmen gegen Covid-19 gilt, wirkt genauso als Schutz vor einer Pneumonie. Auch wer nicht raucht, senkt sein Risiko, da inhalierter Tabak die mukoziliäre Clearance beeinträchtigt. Zudem schwächt Rauchen das Immunsystem und kann langfristig das intakte Lungengewebe vermindern. Eine wichtige Präventionsmaßnahme ist und bleibt Impfen. »Es gibt bewährte Schutzimpfungen gegen Influenza und Pneumokokken, also gegen die Erreger der häufigsten und auch oft schwer verlaufenden Pneumonien«, sagt Matt. Die Impfungen werden Risikopatienten und Personen ab 60 Jahren empfohlen. Aktuell sei die Covid-19-Imfpung für alle über zwölf Jahren essenziell.
»Man kann nicht genug betonen, wie gut verträglich und wirksam die Impfungen gegen SARS-CoV-2 sind. Es ist bitter zu sehen, was man hier alleine im Krankenhaus verhindern könnte«, berichtet der Oberarzt vom Universitätsklinikum Gießen-Marburg. Kinder werden im Rahmen der Grundimmunisierung gegen Haemophilus influenzae und Pneumokokken geimpft. Die Impfung gegen Covid-19 für Kinder ab fünf Jahren ist mittlerweile auch Bestandteil der Impfkampagne in Deutschland.