Das Alphabet der Ursachen |
Isabel Weinert |
30.09.2024 09:00 Uhr |
Bei Bildschirmarbeit brauchen die Augen regelmäßige Pausen. / Foto: Getty Images/AndreyPopov
Menschen blinzeln unbewusst alle drei bis fünf Sekunden mit den Lidern. Der Lidschlag verteilt die Tränenflüssigkeit gleichmäßig auf der Augenoberfläche. Doch Arbeiten am PC senkt die Lidschlagzahl stark: von 20-mal pro Minute auf etwa fünfmal. Die Tränenflüssigkeit wird dann nicht nur seltener flächendeckend verteilt, sondern verdunstet auch in größerem Umfang.
Die Augen von Diabetikern sind besonders gefährdet. Hohe Blutzuckerwerte sowie Blutzuckerschwankungen schädigen auf Dauer und mitunter auch akut Netzhaut und Makula. Doch auch das trockene Auge kann mit Diabetes in Zusammenhang stehen. Ein hoher Blutzuckerspiegel lässt Meibom-Drüsen schwinden, wie eine Studie zeigte. Klagen Diabetiker also über trockene Augen, kann das ein Hinweis darauf sein, dass ihr Blutzucker schlecht eingestellt ist. Oder umgekehrt: Ein HbA1c-Wert über 6,6 Prozent ging in der Studie mit einem eklatanten Verlust an Meibom-Drüsen einher.
Eine Erkrankung der Hormhaut kann bakteriell, viral oder nicht infektiös bedingt sein. Letztere treten oft bei trockenen Augen auf und so entsteht ein Kreislauf aus Entzündung – trockenem Auge – mehr Entzündung et cetera. Doch auch die infektiösen Erkrankungen beeinträchtigen die Tränenzusammensetzung und den Tränenfluss.
Eine Bindehautentzündung entsteht ebenfalls infolge bakterieller oder viraler Infektionen, aber auch eine Pilzinfektion, Allergien, Chemikalien und zu viel Sonnenlicht können die Bindehaut entzünden. Außerdem können Zyten im Auge entstehen als Folge von Verletzungen und Entzündungen. Jede dieser Erkrankungen kann sich auch auf die Produktion von Tränenflüssigkeit auswirken.
Eine ganze Reihe von Medikamenten kann als Nebenwirkung trockene Augen mit sich bringen. Dazu gehören etwa orale Kontrazeptiva, Antiarrhythmika mit Amiodaron, manche Antibiotika, antiallergische Augentropfen, Antidepressiva, Blutdrucksenker wie Clonidin und Betablocker, Analgetika wie Acetylsalicylsäure, Diclofenac oder Ibuprofen sowie Glucocorticoide und auch Sildenafil.
Das Ungleichgewicht der Hormone in der Menopause wirkt sich bei vielen Frauen auch auf die Produktion von Tränenflüssigkeit aus. Meibom-Drüsen arbeiten weniger effektiv. Diese Talgdrüsen am Rand der Augenlieder stellen eine ölige Flüssigkeit her, die sich mit der wässrigen Phase aus den Tränendrüsen mischt und dafür sorgt, dass der Wasseranteil nicht schnell wieder verdunstet. Aber auch die Tränendrüsen selbst produzieren weniger Flüssigkeit. Wer meint, mithilfe einer Hormonersatztherapie (HRT) ließe sich die Drüsenfunktion wieder herstellen, liegt zumindest nach der Womens´s Health Study falsch. Im Gegenteil, kann eine HRT die Symptomatik noch verschlechtern.
Die Erkrankung bedingt nicht explizit ein trockenes Auge, aber mitunter schwere Bindehautentzündungen nicht infektiöser Natur. Diese Form nennt sich atopische Keratokonjunktivitis (AKK). Unbehandelt kann sie auch die Hornhaut derart in Mitleidenschaft ziehen, das das Sehvermögen bedroht ist. Das Tückische: Zunächst zeigt sich eine AKK wie eine normale banale Bindehautentzündung. Das sollte man bei der Beratung in der Apotheke immer mit beachten. Zusätzlich jedoch verdicken sich Areale an der Lidkante und kann die Haut am unteren Lidrand einreißen. Neurodermitikern mit einer Augenproblematik müssen PTA wegen der möglichen Schwere einer Erkrankung stets zum zeitnahen Besuch beim Augenarzt raten.
Auch Menschen mit Schuppenflechte neigen zu trockenen Augen und zu weiteren Augenerkrankungen. Sie gehören ebenfalls zu den Patienten, denen PTA immer zum Besuch beim Augenarzt raten sollen, wenn sie mit Augenbeschwerden in die Apotheke kommen. Hinter den Symptomen kann gerade bei Psoriasis auch eine Uveitis stecken, eine Gewebeentzündung im Augeninneren, die unbehandelt in einem Verlust der Sehfähigkeit gipfeln kann.
Auch diese Autoimmunerkrankung geht häufiger mit einem trockenen Auge oder auch mit einer Entzündung der Lederhaut einher. Symptome wie Blendempfindlichkeit, Schmerzen und unscharfes Sehen können in der Altersgruppe der 20- bis 40-Jährigen auf Entzündungen im Inneren des Auges hindeuten. Unter anderem deshalb sind auch Menschen mit rheumatoider Arthritis und Augenbeschwerden keine Fälle für die Selbstmedikation.
Bei einer Rosazea entzünden sich Gefäße und Bindegewebe im Gesichtsbereich chronisch – oft trifft es auch die Meibom-Drüsen. Zudem finden sich an den Lidrändern von Menschen mit Rosazea häufig deutlich mehr Haarbalg- oder Demodexmilben als bei gesunden Menschen. Sie befördern entzündliche Reaktionen und in deren Folge trockene Augen.
Im Rahmen der Autoimmunerkrankung Morbus Basedow greifen spezielle Autoantikörper nicht nur das Gewebe der Schilddrüse an, sondern oft auch Muskeln und Gewebe der Augenhöhlen. Das geschädigte Gewebe schwillt an und drückt die Augen nach vorne. Auch das kann eine Ursache für trockene Augen sein. Meist fallen auch die hervorstehenden Augen auf, mitunter lassen sie sich nicht mehr vollständig schließen, das Sehen verschlechtert sich, die Augen können schmerzen und der Druck den Sehnverv schädigen. Auch eine Hashimoto-Thyreoiditis, die bei vielen Betroffenen ohne jede Symptomatik verläuft, kann trockene Augen begünstigen.
Auch hierbei handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung, die zuallererst und bei vielen Betroffenen auch ausschließlich Speichel- und Tränendrüsen angreift. Das Sjögren-Syndrom zählt jedoch zu den systemischen rheumatisch-entzündlichen Erkrankungen. Jedes Organ kann betroffen sein. Die Trockenheitssymptomatik macht mitunter nicht an den Augen halt, sondern äußert sich auch an anderen Schleimhäuten wie denen des Mundes, der Scheide und den Atemwegen. Viele weitere Symptome kennzeichnen die Erkrankung. Dennoch vergehen oft Jahre bis zur Diagnosestellung.
Wer unter trockenen Augen leidet, tut gut daran, zunächst ärztlicherseits nach der Ursache forschen zu lassen. Wenn vorhanden, kann dann die Grunderkrankung entweder überhaupt (bei Neudiagnose) oder besser (zum Beispiel bei einem bestehenden Diabetes) behandelt werden.
Findet sich kein medizinisch behandelbarer Grund für die Beschwerden oder resultieren sie aus täglicher Bildschirmarbeit, trockener Heizungsluft, Klimaanlagen, Rauch oder Hitze, dann kommen Mittel zur Augenbefeuchtung zum Einsatz. Dabei können Kunden zwischen unkonservierten und konservierten, zwischen Mehrdosen- und Einzeldosenbehältnissen wählen.
Erklären kann man auch, welche Präparate speziell für eine lange Haftung an der Oberfläche des Auges konzipiert und eher gelartiger sind und welche eine geringere Viskosität aufweisen. Je gelartiger desto länger kann das Sehvermögen unter Umständen ein wenig eingeschränkt sein. Es kann helfen, geringer viskose Zubereitungen tagsüber und eine höher viskose vor dem Schlafengehen anzuwenden.
Von Bedeutung ist es auch, auf die unterschiedliche Haltbarkeit von Ein- und Mehrdosenpräparaten hinzuweisen. Gut beraten fühlen sich Erstanwender, wenn man sie fragt, ob sie sich mit der richtigen Handhabung von Augentropfen bereits auskennen und es ihnen ansonsten zeigt.