Das Aus für manchen Inhaltsstoff |
Mit der Änderung der Kosmetikverordnung dürfen einige Inhaltsstoffe nicht mehr in Kosmetika verwendet werden. / Foto: Adobe Stock/PhotoSG
Kosmetik soll pflegen, für Wohlbefinden sorgen und schöner machen. Eines soll sie auf keinen Fall: der menschlichen Gesundheit schaden. Daher ist streng reguliert, welche Stoffe in Pflegeprodukten gar nicht oder nur eingeschränkt vorkommen dürfen. Die Vorgaben dazu sind innerhalb der ganzen EU einheitlich und in der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 über kosmetische Mittel, kurz Kosmetikverordnung, zu finden. Die Verordnung hat acht Anhänge, von denen sich die Anhänge II bis VI auf Stoffe beziehen, die in Kosmetik mit Einschränkungen verwendet werden dürfen beziehungsweise sogar verboten sind:
Die Listen werden angepasst, sobald sich die wissenschaftlichen Kenntnisse zu Stoffen ändern. Initiiert werden die Änderungen dadurch, dass Inhaltsstoffe in Tabelle 3 des Anhangs VI der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (kurz CLP-Verordnung) aufgenommen werden. Die CLP-Verordnung ist eine EU-Chemikalienverordnung, die die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen regelt. Besagte Tabelle 3 enthält die harmonisierten Einstufungen und Kennzeichnungen gefährlicher Stoffe.
Am 31. August 2021 trat die 15. ATP (Adaption to Technical Progress, Anpassung an den technischen Fortschritt) zur CLP-Verordnung in Kraft, ihre Anwendungsfrist war der 1. März 2022. Im Zuge dessen wurde die Stoffliste im Anhang VI erweitert und aktualisiert. Einige Stoffe wurden neu als karzinogen, mutagen oder reproduktionstoxisch eingestuft (CMR-Stoffe von Carcinogenic, Mutagenic and toxic to Reproduction). In der EU-Kosmetikverordnung wurden die Stofflisten in den Anhängen entsprechend angepasst, sodass die Verwendung von 23 CMR-Stoffen in kosmetischen Mitteln seit dem 1. März 2022 ebenfalls verboten ist.
Ob ein Stoff CMR-Wirkungen im Menschen hat, ist nicht immer eindeutig nachgewiesen. Je nach Evidenzgrad ihrer CMR-Eigenschaften werden die Stoffe gemäß der CLP-Verordnung den Kategorien 1A, 1B oder 2 zugeordnet:
Kategorien 1A: beim Menschen nachgewiesen
Kategorien 1B: im Tierversuch nachgewiesen, beim Menschen vermutet
Kategorie 2: Verdachtsstoffe
Die einzelnen Kategorien beziehen sich also ausschließlich darauf, wie sicher eine CMR-Wirkung auf den Menschen nachgewiesen ist. Die Einstufung sagt jedoch nichts darüber aus, wie stark die potenzielle CMR-Wirkung ist. So kann ein krebserzeugender Stoff der Kategorie 2 schon in niedrigeren Konzentrationen wirken als ein Stoff der Kategorie 1A.
In Artikel 15 der Kosmetikverordnung ist geregelt, dass Stoffe, die in Anhang VI Tabelle 3 der CLP-Verordnung als CMR-Stoffe der Kategorie 1A, 1B oder 2 eingestuft sind, nicht in kosmetischen Mitteln verwendet werden dürfen. Allerdings sind Ausnahmen unter den in Artikel 15 festgelegten Bedingungen möglich. So kann ein CMR-Stoff der Kategorie 2 in Kosmetika verwendet werden, wenn er vom Wissenschaftlichen Ausschuss für Verbrauchersicherheit (SCCS) für die Verwendung in kosmetischen Mitteln für sicher befunden worden ist. In Ausnahmefällen dürfen sogar CMR-Stoffe der Kategorien 1A oder 1B verwendet werden. Zu den Bedingungen gehört unter anderem, dass die Stoffe die Anforderungen an die Lebensmittelsicherheit gemäß Lebensmittelbasisverordnung erfüllen müssen und der SCCS ihre Verwendung in kosmetischen Mitteln gemäß strengen Kriterien für sicher befunden hat.
Hersteller sind dann allerdings dafür verantwortlich, die Produkte entsprechend zu kennzeichnen. Die Ausnahmeregelungen werden routinemäßig alle fünf Jahre überprüft, nachdem Stoffe in die Anhänge III bis VI aufgenommen worden sind. Bei Sicherheitsbedenken bewertet der SCCS die entsprechenden Stoffe auch anlassbezogen neu.
In Lebensmitteln dürfen Hersteller Titandioxid bereits nicht mehr einsetzen, da die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) die Verbindung als nicht sicher für den menschlichen Verzehr einstufte. Nach der Delegierten Verordnung (EU) 2020/217 gilt Titandioxid als »karzinogener Stoff der Kategorie 2 (Inhalation)«. Diese Bewertung bezieht sich allerdings nur auf Titandioxid in Pulverform mit mindestens 1 Prozent Partikel mit einem aerodynamischen Durchmesser von ≤ 10 µm. Betroffen ist somit bei Kosmetika nur der Einsatz in Aerosolsprays, da bei dieser Anwendung Partikel eingeatmet werden können. Beim Inhalieren wirkt Titandioxid toxisch in der Lunge und kann das Risiko für Lungentumore erhöhen. Weiterhin erlaubt ist Titandioxid als Trägersubstanz von Silberchlorid als Konservierungsmittel gemäß Anhang V, als Weißpigment gemäß Anhang IV und gemäß Anhang VI der Kosmetikverordnung als UV-Filter in Nanopartikelform in einer Konzentration von bis zu 25 Prozent. Nach aktuellem Kenntnisstand wird Titandioxid über die Haut nicht aufgenommen. Der Einsatz in Zahnpasten oder Lippenpflegeprodukten, von denen Anwender immer etwas verschlucken, steht jedoch auf dem Prüfstand. Wenn Kunden die Verbindung meiden wollen, ist auf der Verpackung von Lebensmitteln auf E 171 zu achten, bei Kosmetik auf die INCI-Bezeichnung CI 77891 oder den englischen Namen Titanium Dioxide (NANO).
Von den aktuell als CMR-Stoffe neu aufgenommenen 23 Inhaltsstoffen sind vor allem zwei für die Praxis relevant: der Duftstoff Lilial sowie das Biozid Zink-Pyrithion. Beide Stoffe wurden in der Risikobewertung auf »Repr. 1B«, also »wahrscheinlich reproduktionstoxisch« hochgestuft. Vor dem 1. März 2022 mussten die betroffenen Produkte aus dem Verkauf genommen werden.
Zink-Pyrithion kommt in einigen Anti-Schuppen-Shampoos, aber auch beispielsweise in einem Rasierschaum von Avène vor. Der Stoff war ohnehin schon umstritten, da er die Haut reizen kann und giftig für Wasserorgansimen ist. In Kosmetika ist er gemäß der International Nomenclature of Cosmetic Ingredients (INCI) als Zinc Pyrithione zu finden.
Lilial ist als synthetischer Duftstoff in zahlreichen Kosmetika enthalten. Organisationen wie der Deutsche Allergie- und Asthmabund (DAAB) oder Online-Datenbanken wie CodeCheck haben schon länger vor dem Inhaltsstoff gewarnt, da er Hautreizungen und allergische Reaktionen mit Entzündung, Juckreiz und Bläschenbildung auslösen kann. Auf der Umverpackung steht Lilial meist mit der INCI-Bezeichnung Butylphenyl Methylpropion oder auch Lysmeral.
Außer Lilial sind auch andere Duftstoffe umstritten. Verbraucher können allerdings nicht immer erkennen, welche Duftstoffe in einem Produkt enthalten sind. Duftstoffe dürfen allgemein unter der INCI-Bezeichnung »Parfum« zusammengefasst werden. Eine Ausnahme gibt es nur für 26 besonders allergene Stoffe, die Hersteller ab einem bestimmten Gehalt namentlich deklarieren müssen. Diese 26 Bestandteile, darunter 24 Duftstoffe und zwei Moosextrakte, müssen angegeben werden, wenn ihr Gehalt in Rinse-Off-Produkten, also Produkten, die nach der Benutzung wieder abgewaschen werden (Duschgel, Haarwaschmittel, Seife), 0,01 Prozent übersteigt. Außerdem auch in Leave-On-Produkten, also Produkten, die auf der Haut oder den Haaren verbleiben (Lotionen, Make-up, Sonnengele, Deos, Parfüm, Haarfestiger) wenn ihr Gehalt 0,001 Prozent übersteigt.
In Diskussion ist, die Liste auf weitere Duftstoffe zu erweitern. Kunden, die auf Duftstoffe empfindlich reagieren, kann die PTA duftstofffreie Alternativen empfehlen. Eine gute Empfehlung sind Produkte mit dem DAAB-Logo, die weder Duftstoffe noch allergene Konservierungsstoffe enthalten, oder Naturkosmetik, zum Beispiel von Lavera, Dr. Hauschka, Weleda, Primavera oder Speick.
Am 31. Januar 2022 wurde eine Änderung bezüglich Methyl-N-methylanthranilate (M-N-MA) veröffentlicht. Dabei handelt es sich um einen Duftinhaltsstoff, der in Kosmetika wie Parfums, Shampoos oder Seifen verwendet wird. Bislang unterlag M-N-MA keinen Verboten oder Beschränkungen in Kosmetika. Allerdings befand der SCCS den Stoff bereits vor Jahren als fototoxisch. Daher können die Experten ein potenzielles Risiko bei Verwendung von M-N-MA in Sonnenschutzmitteln und Produkten, die für die Exposition gegenüber natürlichem oder künstlichem UV-Licht vermarktet werden, nicht ausschließen. Das gleiche gilt für andere Leave-On-Produkte, bei denen die Konzentration des Stoffes mehr als 0,1 Prozent beträgt, und 0,2 Prozent bei Rinse-Off-Mitteln. Entsprechende Beschränkungen wurden im Januar dieses Jahres beschlossen. Außerdem gilt, dass Mittel mit M-N-MA nicht zusammen mit nitrosierenden Agenzien verwenden werden dürfen. Hintergrund ist, dass der SCCS beschloss, dass sekundäre Amine wie M-N-MA nicht mit zufällig nitrosierenden Stoffen wie mit Nitrit behandelten Rohstoffbehältern in Berührung kommen sollten. Ab dem 21. August 2022 dürfen Kosmetika, die den neuen Vorgaben nicht entsprechen, nicht mehr in Verkehr gebracht werden.