Das Comeback der LSD-Forschung |
Die Fachzeitschrift »Cell« sprach 2020 von der »psychedelischen Revolution« in der Psychiatrie. Gemeint sind Halluzinogene, die Wahrnehmungsveränderungen hervorrufen, wie zum Beispiel Psilocybin, der aktive Wirkstoff der »Zauberpilze«, oder LSD. Renommierte Hochschulen wie die Johns Hopkins Universität in den USA und das Imperial College in London richteten Zentren für Psychedelika-Forschung ein. Bei der Eröffnung in London sprach der Chef, Robin Carhart-Harris, 2019 von »einem der aufregendsten Gebiete der medizinischen Wissenschaft«.
Bei psychischen Krankheiten hätten diese Halluzinogene Vorteile gegenüber herkömmlichen Medikamenten, sagt Müller: »Psychopharmaka behandeln eher Symptome. Sie müssen jeden Tag eingenommen werden und wenn man sie absetzt, ist die Krankheit oft wieder da. Halluzinogene wirken eher wie eine Psychotherapie.« Nach der Einnahme von LSD berichteten die meisten Menschen von einer schärferen Wahrnehmung in der Außenwelt und im Inneren, also auch bei Gefühlen. Für viele Patienten sei die Behandlung aber auch anstrengend. »Es ist oft so, dass man sich mit schwierigen Teilen der eigenen Psyche auseinandersetzen muss, dass etwa Ängste auftauchen.« Die Forschung mit Psilocybin sei weiter als die mit LSD, vermutlich, weil der Wirkstoff nicht so verschrien war, meint Müller.
Studien legten aber nahe, dass es in der Wirkung praktisch keinen Unterschied zwischen beiden gebe. »LSD wirkt aber bei sehr viel kleineren Dosen«, sagt er. 200 Mikrogramm reichten für eine Wahrnehmungsveränderung von 9 bis 14 Stunden. Bei Psilocybin würden bis zu 30 Milligramm gegeben, dies halte vier bis sieben Stunden an. »Menschen, die mit Psilocybin und LSD Erfahrung gemacht haben, berichten, dass die Wirkung von LSD einen längeren Ausklang hat, das könnte aus psychotherapeutischer Sicht ein Vorteil sein.«
Auch in der jetzigen Zeit könne der Hype um Halluzinogene Probleme mit sich bringen, sagt Müller: »Sie werden von manchen als Wundermittel betrachtet. Man muss aufpassen, dass es nicht in eine Glorifizierung kippt.« Davor warnt auch Andreas Reif, Direktor der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie am Universitätsklinikum Frankfurt. Nach bisherigen Erkenntnissen seien die Substanzen keine Heilsbringer für alle Patienten. Nach Angaben von Müller arbeiten zwei US-Pharmafirmen an Psilocybin- und LSD-Medikamenten. Bis zur Marktreife dürfte es nach seiner Einschätzung aber noch Jahre dauern.
Hofmann, der 2008 im Alter von 102 Jahren starb, äußerte sich in seinem Buch »LSD – mein Sorgenkind« traurig über den Missbrauch von LSD als Partydroge. »Es hat mir offene Augen und innere Empfindlichkeit für das Wunder der Schöpfung gegeben, und dafür bin ich meinem Schicksal dankbar«, sagte er an seinem 100. Geburtstag.