Das Device muss zum Patienten passen |
Dummys erleichtern die Arbeit bei der pDL zu Inhalativa: eines, um den Vorgang zu demonstrieren, und eines für die Anwendung durch die Patientin selbst. / © Getty Images/Westend61
Bronchodilatatoren und Steroide sind das Herzstück einer Asthma- und COPD-Therapie. Damit der Wirkstoff jedoch direkt an den Wirkort in die Lunge gelangt, braucht es Inhalationssysteme. Dabei sind das passende Device und die korrekte Inhalationstechnik essenziell, um die Effektivität der Therapie zu gewährleisten und eine adäquate Symptomkontrolle zu erzielen, sagte Dr. Sarah Stanzel von der Lungenklinik in Köln bei einer Fortbildungsveranstaltung der Landesapothekerkammer Hessen.
»Für die bestmögliche Wirksamkeit braucht es ein individuell passendes Device. Nicht jeder Inhalator passt für jeden Patienten. Das ist letztendlich wichtiger als der Wirkstoff.« Die Unübersichtlichkeit des Marktes mit mehr als 160 verschiedenen Kombinationspräparaten mit und ohne Treibgas-betriebenen Dosieraerosolen, Pulverinhalatoren, Sprühverneblern oder (elektrischen) Verneblern machten die Arzneimitteltherapiesicherheit aber auch nicht eben leichter. Dauertherapie und Bedarfsmedikation erforderten oftmals auch mehr als ein Device.
Bei der Auswahl eines geeigneten Inhalationssystems gelte es, zum einen kognitive und motorische Fähigkeiten zu berücksichtigen. »Ein System, bei dem man die Kapsel erst aus dem Blister herausschälen muss, um sie dann in den Inhalator einzulegen, dürfte für steife Rheumatikerhände weniger geeignet sein«, meinte die Expertin. Daneben sei es wichtig zu wissen, wie hoch die noch vorhandene inspiratorische Kraft und Dauer ist, die der Patient aufbringen kann, um den Gerätewiderstand überhaupt überwinden zu können. Und schließlich sei auch die Koordination von Freisetzung des Wirkstoffs und der Atmung nicht ganz leicht zu bewältigen.
Letzteres ist zum Beispiel für die Nutzung von Dosieraerosolen unabdingbar. Der Sprühstoß muss manuell »in den Einatemluftstrom hinein« kurz nach Beginn der Inhalation ausgelöst werden können. Weil Kinder oder geriatrische Patienten diesen Koordinationsaufwand nicht leisten können, behilft man sich etwa mit Spacern.
Neuere Hydrofluoralkane (zur Minimierung von Treibhausgasen) machen ein Schütteln im Vorfeld teilweise unnötig. Davon unbeeinflusst bleibt allerdings der nach wie vor vorhandene »Cold-Freon effect«. Weil die Schleimhäute durch den kalten Sprühnebel des Dosieraerosols gereizt werden – die Kälte entsteht durch die Verdunstung des Treibgases –, brechen manche Patienten den Inhalationsvorgang nach der Sprayauslösung verfrüht ab. In Sachen Umweltverträglichkeit punkten jedenfalls die Pulverinhalatoren.
Als große Vorteile der Dosieraerosole nannte Stanzel den geringen Strömungswiderstand der Devices und dass die Patienten nur einen geringen maximalen inspiratorischen Druck erzeugen können müssen. Die Inhalation an sich erfolgt langsam und kontinuierlich.
Bei Dosieraerosolen muss der Patient selbst nur wenig Atemarbeit leisten. Bei Pulverinhalatoren ist dagegen ein gewisser Inspirationsfluss nötig, damit genug Wirkstoff entleert und freigesetzt werden kann. Quelle: Deutsche Atemwegsliga / © PZ-Grafik/Jens Ripperger
Dagegen muss für die Nutzung eines Pulverinhalators der Inspirationspeak kräftig und zügig erfolgen. »Eine gute Wirkstoffverteilung gelingt erst ab einem Inspirationsfluss > 30 l/min. Liegt der FEV1-Wert unterhalb 50 Prozent des Sollwertes, sind Pulverinhalatoren weniger geeignet. Zumindest ist dann zu prüfen, ob der zum Entleeren und zur Freisetzung des Wirkstoffs nötige inspiratorische Fluss vom Patienten überhaupt erzeugt werden kann«, so die Lungenfachärztin.
»Kennt der Betroffene seinen Spitzenfluss des Einatmens nicht, empfiehlt es sich, diesen in der Apotheke mit entsprechenden Geräten zu überprüfen.« Diese seien für kleines Geld zu erwerben. Die Werte für den Spitzeninspirationsfluss liegen laut Stanzel bei Frauen generell niedriger als bei Männern. »Sie haben schlechtere Werte im gleichen Krankheitsstadium. Insofern ist es bei weiblichen Betroffenen noch wichtiger, darauf zu achten, ob das Device zu ihnen passt.«
Als den noch größeren Hemmschuh für eine effektive Therapie als das passende Device nannte die Pneumologin die »herausfordernd komplexe Anwendungstechnik. Bis zu 90 Prozent der Patienten führen ihre verordnete Inhalationstherapie nicht ordnungsgemäß durch und machen mindestens einen Handhabungsfehler.« Dazu komme, dass nach wie vor rund die Hälfte der Patienten keine vernünftige Schulung für ihr Inhalationsgerät bekommen. Insofern könne man die Schulung im Rahmen der pharmazeutischen Dienstleistung in der Apotheke nur begrüßen.
Stanzel forderte deshalb in ihrem Vortrag »longitudinale Schulungen, um bei unseren Patienten für Klarheit zu sorgen. Dazu brauchen wir Ihre Arbeit in der Apotheke. Denn diese Schulungen müssen interdisziplinär und wiederholt sowohl von Ärzten als auch in Apotheken durchgeführt werden. Es schleichen sich immer wieder erneut Fehler beim Handling ein, auch bei Patienten, die schon jahrelang in Behandlung sind.«
Sie empfahl dem Auditorium, bei der Schulung langsam und eher überzogen zu demonstrieren. Schließlich müsse der Patient einen komplexen Vorgang erfassen. Es sei sinnvoll, durch Körpersprache und Mimik verschiedene Sinneskanäle anzusprechen und wesentliche Schritte zu wiederholen. In jedem Fall hilfreich seien laut Stanzel »für die eigene Standardisierung« Checklisten zur Vorbereitung, Anwendung und Beendigung der Inhalation.
»Ob die Botschaft ankommt, hängt ab zu 65 Prozent vom Tonfall, zu 25 Prozent von dem, was der Patient sieht, und zu 10 Prozent von dem, was der Patient hört.« Deshalb rät sie auch, den Patienten nach der Demonstration selbst die Inhalation vornehmen zu lassen. »So können Sie Feedback geben und konkret Punkte nennen, die gut und weniger gut gelaufen sind.« Dazu empfehle es sich, sich mindestens zwei Dummys von jedem Gerät, das häufig in der Apotheke abgegeben wird, zu besorgen – eines, um es dem Patienten zu demonstrieren und eines für die Anwendung durch den Patienten selbst. Die Beschaffung der Dummys sei nicht ganz leicht, aber Dranbleiben lohne sich.
Faktoren zur Auswahl des passenden Inhalationssystems laut der Deutschen Atemwegsliga / © PZ-Grafik/Jens Ripperger
Nicht zu vernachlässigen seien mittlerweile digitale Schulungsmöglichkeiten etwa per YouTube-Video von der Deutschen Atemwegsliga. Stanzel: »Studien zeigen, dass die Schulungen per zweiminütigem Video dem Patienten genauso viel bringen wie die beim Therapeuten oder in der Apotheke.« Für die Zukunft setzt sie auch auf App-basierte Schulungen; die KATA-App der Deutschen Atemwegsliga habe derzeit jedoch noch keine Zertifizierung als DiGA (digitale Gesundheitsanwendung).