Das Gehör von klein auf schützen |
Wenn es laut wird, eigent sich für jüngere Kinder beispielsweise ein Kapselgehörschutz, umgangssprachlich auch «Micky Maus» genannt. / Foto: Getty Images/ferrantraite
Was ist das für ein Geräusch? Aus welcher Richtung kommt es? Bedeutet es Gefahr? Um das, was akustisch um uns herum passiert, einordnen zu können, muss die Hörfähigkeit erst einmal vollständig ausreifen. Das ist erst im Alter von fünf bis sechs Jahren der Fall. Dabei geht es vor allem um die kognitive Entwicklung, wie der Pädakustiker Eberhard Schmidt erklärt. Das heißt: Das Gehirn von Kindern muss erst einmal lernen, die Reize zu verarbeiten, die das Ohr aufnimmt. Auch für die Sprachentwicklung des Nachwuchses ist das Gehör zentral, so der Präsident der Bundesinnung der Hörakustiker (Biha). Ein Kind, das schlecht hört, hat es deutlich schwerer, sprechen zu lernen.
Doch wie viel Sorge müssen Eltern haben, dass das Gehör ihres Kindes im Alltag Schaden nimmt durch Musik, Hörspiele, Games oder sonstigem Lärm? »Wenn man auf Zimmerlautstärke – oder auch mal etwas lauter – einen CD-Player, eine Toniebox, einen Kassettenrekorder oder das Smartphone oder Tablet mit Lautsprecher anhat, da kann eigentlich nichts passieren«, sagt Bernhard Junge-Hülsing vom Berufsverband der Hals-Nasen-Ohren-Ärzte.
Zum Problem für Kinderohren können allerdings Kopfhörer werden. »Dann entzieht sich der Kontrolle, wie laut darüber etwas abgespielt wird und der Schall haut direkt ins Ohr«, sagt der Mediziner. Hier ist also Vorsicht gefragt.
Die gute Nachricht: Das Gehör ist grundsätzlich gut darin, sich wieder zu erholen, wenn auf Phasen von Lärmbelastung Pausen folgen. Aber nicht unbegrenzt. »Es ist ein Spiel auf Zeit«, sagt Eberhard Schmidt. »Je mehr ich mich in meinem Leben mit lauten Geräuschen belaste, desto schneller ist der Vorrat an Erholungsdosen für das Ohr aufgebraucht. Dann wird man vielleicht nicht erst mit Anfang 70 schwerhörig, sondern vielleicht schon mit Anfang 60.«
Und deshalb brauchen Kinderohren in besonderem Maße Erholung – nicht nur das Hörorgan an sich, sondern auch das Gehirn, das diese Eindrücke verarbeitet. »Je lauter diese Reize sind, desto eher ist auch unser Gehirn gestresst«, sagt Schmidt.
Apropos laute Reize: Lärm ist nicht gleich Lärm. Was auf Dauer Schaden anrichten kann, ist erst einmal sogenannter Impulslärm, »wenn es aus einer leisen oder normalen Lärmumgebung heraus schlagartig sehr laut wird«, wie Bernhard Junge-Hülsing erklärt. »Das kann der Luftballon sein, der beim Kindergeburtstag zum Platzen gebracht wird, Trillerpfeifen oder Knallfrösche«, zählt Eberhard Schmidt Beispiele auf. Und auch Schießlärm – den der Nachwuchs durchaus beim Spielen von Ego-Shootern in den Ohren haben kann.
Eberhard Schmidt verweist auf eine Metastudie, die zeigen konnte, dass beim Gaming Lautstärken von über 90 Dezibel nicht unüblich sind. Beim Zocken kommt dazu, dass der Lärm oft über mehrere Stunden auf die Ohren trifft – und damit zum Dauerlärm wird. »Zur Einordnung: Ab 80, 85 Dezibel Dauerlärm am Arbeitsplatz muss ein Arbeitgeber Gehörschutz zur Verfügung stellen«, sagt Schmidt.
Während wir Impulslärm durchaus als schmerzhaft und unangenehm erleben, besteht bei Dauerlärm das Problem, dass wir uns an diese Lautstärken gewöhnen können. Und damit unterschätzen, dass sie Schaden anrichten können. Übrigens: Extremer Lärm ist manchmal gar nicht so einfach zu erkennen, wie Junge-Hülsing sagt. »Zum Beispiel, wenn man Kinder auf die Rückbank eines Cabrios setzt – dort gibt es sehr laute Windgeräusche.«