Das Knie stabilisieren |
Barbara Döring |
10.06.2024 09:00 Uhr |
Kniebeschwerden sind oft die Folge von zu wenig Bewegung und einer schwachen Muskulatur. / Foto: Adobe Stock/Siam
Das Knie ist das größte Gelenk des Körpers, aber auch jenes, welches tagtäglich am stärksten beansprucht wird. Dabei ist es in der Regel nicht zu viel Bewegung, die dem Knie Probleme bereitet. Vielmehr führt meist ein Mangel an Aktivität dazu, dass die Muskeln, die das Knie umgeben, zu schwach sind, um das Gelenk richtig zu stabilisieren. Gerade in brenzligen Situationen, etwa beim Stolpern, ist der Muskel dann nicht in der Lage, das Gelenk und die Bänder ausreichend zu stützen. Eine Abnutzung des Knorpels oder Knieverletzungen wie ein Meniskusriss sind dann mögliche Folgen.
Dagegen schützt ein gezieltes Training, das die stabilisierenden Muskeln stärkt und die Beweglichkeit verbessert, das Gelenk und beugt so nachweislich Knieproblemen vor. Auch wenn bereits Beschwerden bestehen, können regelmäßige Knieübungen Linderung verschaffen. Die Bewegung stabilisiert das Gelenk nicht nur durch die Muskelkräftigung, die zur Entlastung der Gelenkflächen führt. Das Knie wird auch besser durchblutet und mit Nährstoffen versorgt. Zudem kann sich der Knorpel, der die Knochenenden schützend überzieht, nur dann ausreichend mit Wasser vollsaugen, wenn er regelmäßig bewegt wird. Zudem braucht es Bewegung, damit die Zellen in der Gelenkkapsel Gelenkschmiere (Synovia) bilden, die dafür sorgt, dass die Knorpelschichten ohne Reibung aufeinander gleiten und der Druck im Gelenk gleichmäßig verteilt ist.
Zu den häufigsten Ursachen von Kniebeschwerden zählt die Arthrose. Überlastungen, Verletzungen und Verschleiß hinterlassen dabei ihre Spuren. Der Gelenkknorpel wird mit der Zeit dünner, sodass irgendwann Knochen auf Knochen reiben kann. Typisch für Arthrose ist, wenn sich die Knie nach längerer Bewegungslosigkeit steif anfühlen und beim Gehen schmerzen. Viele Patienten verfallen dann in den Schonmodus und vermeiden es, sich mehr als nötig zu bewegen. So droht ein Teufelskreis, bei dem sich die Schmerzen sich weiter verstärken und die Beweglichkeit zunehmend verloren geht. Bewegung und gezielte Knieübungen sind deshalb auch wichtig, wenn bereits Beschwerden bestehen. Art und Umfang der Aktivität sollte dann mit dem Arzt oder einer Krankengymnastin besprochen werden.
Wichtig ist, dass durch die Übungen nicht vermehrt Schmerzen auftreten. Es sollte immer nur bis zur Schmerzgrenze geübt werden, nicht darüber hinaus. Auf einer Schmerzskala von 1 = keine Schmerzen bis 10 = sehr starke Schmerzen sollte sich der Schmerz beim Üben nicht stärker als 3 anfühlen. Gegebenenfalls kann die Zahl der Wiederholungen oder die Intensität verringert werden. Vom Training abzuraten ist bei einer akuten Entzündung. Dann braucht das Gelenk eine Weile Schonung. Ist das Knie erwärmt und geschwollen, hilft es, das Bein hochzulegen und das Gelenk mit einem Coolpack zu kühlen. In der Regel klingen die Beschwerden nach ein paar Tagen ab. Treten akute Beschwerden auf, sollten Patienten diese ärztlich abklären lassen.
Bestehen die Knieschmerzen im vorderen Bereich, also neben oder hinter der Kniescheibe, ist vom patellofemoralen Schmerz die Rede. Im Gegensatz zur Arthrose, die in der Regel nicht vor dem 40. Lebensjahr auftritt, sind vom vorderen Knieschmerz eher jüngere und sportlich aktive Menschen betroffen. Der Schmerz ist die Folge einer Überlastung und tritt zum Beispiel nach intensivem Laufen, Radfahren oder Bergsteigen auf. Eine solche Überlastung kann immer dann entstehen, wenn zu lange, zu häufig oder zu intensiv trainiert wurde. Auch wer viel in der Hocke arbeitet oder schwer heben muss, kann damit die Knie übermäßig belasten. Vorderer Knieschmerz macht sich vor allem bemerkbar, wenn das Knie gebeugt wird, etwa beim Treppensteigen oder nach langem Sitzen.
Auch hier können Übungen zur Stärkung der Oberschenkel- und Hüftmuskulatur vorbeugen. Bis sich das Knie erholt hat, sollten Patienten eine Trainingspause einlegen. Bei leichten Beschwerden kann es ausreichen, weniger zu trainieren oder starke Belastungen zu vermeiden. Beim Laufen sollten sich die Schmerzen auf der Schmerzskala jedoch nicht stärker als 2 anfühlen. Um die Beschwerden zu lindern, können schmerzlindernde und entzündungshemmende Cremes und Gels mit den Wirkstoffen Diclofenac oder Ibuprofen zwei- bis viermal täglich auf das betroffene Knie aufgetragen werden. Nicht sinnvoll ist es, Schmerzmittel einzunehmen, um Ausdauersport wieder aufzunehmen, da das beeinträchtige Knie dann unter Umständen zu stark beansprucht wird.
Um das Kniegelenk zu stabilisieren, ist es vor allem wichtig, jene Muskeln zu stärken, die mit dem Knie direkt verbunden sind. Das ist zum einen der vierköpfige Schenkelstrecker auf der Vorderseite der Beine, der vom Becken bis zum Schienbein verläuft. Er wird gebraucht, um das Knie zu strecken. Rückseitig liegen Muskeln, die das Knie beugen und Drehbewegungen ermöglichen. Sind sie gut trainiert, dienen sie dem Schutz des vorderen Kreuzbands. Das Knie ist jedoch nicht isoliert zu betrachten. Wichtig ist auch, dass es in einer gesunden Beinachse steht, also Hüft-, Knie- und Sprunggelenk in einer Linie senkrecht übereinander. Dann ist die Belastung am geringsten. Stehen die Beine dagegen in O- oder X-Form, ist das Knie besonders verletzungsanfällig.
Zu den Fehlstellungen kann es kommen, wenn die Rumpf- und Hüftmuskulatur schwach sind und das Becken abkippt oder Knie und Füße einknicken. Übungen für eine stabile Muskulatur im unteren Rumpf und in der Hüfte, wie zum Beispiel die Übung »Seitenkraft« sind deshalb auch für die Knie hilfreich. Im Alltag ist es außerdem immer sinnvoll, auf eine gute Beinhaltung zu achten, vor allem wenn bei Aktivitäten wie Treppensteigen oder Aufstehen vom Stuhl viel Druck auf den Knien lastet. Konkret bedeutet das: Hüfte, Kniescheibe und mittlerer Zeh sollen eine Linie bilden, beim Treppensteigen soll die Hüfte nicht einknicken und beide Beine werden möglichst gleich stark belastet.
Neben gezielten Übungen sind für die Kniestabilität auch gelenkschonende Sportarten hilfreich wie Radfahren, Schwimmen, Wassergymnastik oder Walken. Auch ein täglicher, 30-minütiger Spaziergang hält die Knie geschmeidig und kann verhindern, dass eine Arthrose weiter fortschreitet. Wichtig dabei: Bequemes Schuhwerk mit dämpfender Sohle tragen. Auch eine ausgewogene Ernährung trägt zur Kniegesundheit bei, indem sie zu einem gesunden Körpergewicht beiträgt. Überflüssige Pfunde abzubauen, wirkt auch für die Knie entlastend. Studien zeigen, dass eine Gewichtsabnahme von mindestens fünf Prozent des ursprünglichen Körpergewichts Gelenkschmerzen verbessert. Wenn es einmal im Knie knackt oder knirscht, ist das übrigens kein Grund zur Sorge. Kniegeräusche haben keinen Einfluss auf die Funktion des Gelenks. Manchmal stecken dahinter harmlose kleine Bläschen, die sich aus gelösten Gasen bilden. Platzen sie, knackt es im Knie.
Bei den Übungen ist eine stabile Körperhaltung wichtig, um Fehlhaltungen zu vermeiden. Dafür sollte stets die Bauchmuskulatur aktiviert werden, indem der Nabel so nach innen gezogen wird, dass man noch problemlos atmen kann. Damit die Füße sicher stehen, ist es bei Fuß-Fehlstellungen sinnvoll, auch beim Training die verordneten Einlagen zu tragen. Wichtig ist auch, dass die Zehen genug Platz haben. Wer mag, kann barfuß üben, dabei wird gleich auch die Fußmuskulatur gestärkt. Mal eben schnell die Übungen nebenherzumachen, ist meist wenig zielführend, besser man nimmt sich etwas Zeit und führt die Übungen kontrolliert aus.
Ruckartige Bewegungen sollten vermieden werden und die Knie nicht nach innen oder außen knicken. Mindestens 10 bis 15 Minuten Training täglich oder jeden zweiten Tag sollten es sein. Dabei kann man sich langsam steigern. Um einer Kniearthrose zu begegnen, werden zwei- bis dreimal die Woche etwa 45 Minuten Training empfohlen. Damit die Übungen etwas bewirken und der Muskel stärker wird, ist etwas Anstrengung erforderlich. Ein leichter Muskelkater ist also durchaus erwünscht. Doch die Mühe lohnt sich. Studien zeigen, dass sich bei regelmäßigem Üben schon nach ein paar Wochen Erfolg einstellt, die Schmerzen werden weniger und die Gelenkfunktion verbessert sich.
Hüftbreit hinter einen Stuhl stellen. Die rechte Hand schwebt über der Stuhllehne, die linke ruht auf dem Beckenkamm. Das Gewicht auf den rechten Fuß verlagern und das linke Bein gestreckt zur Seite abspreizen. Die Bewegung soll nur aus der Hüfte erfolgen. Sobald die linke Hand merkt, dass sich der Beckenkamm anheben will, die Beinbewegung stoppen. Das Bein zurückführen und dabei in der Luft belassen. Seitenwechsel. Je 3 x 12 Wiederholungen. / Foto: H. Münch/Thieme
Hüftweit hinstellen. Drei Trabschritte ausführen, wobei die Knie immer auf dieselbe Höhe geführt werden. Bei jedem dritten Schritt mit hochgezogenem Knie die Bewegung kurz stoppen – maximal 2 Sekunden – und dabei das Standbein stabilisieren. Die Übung mit einem längeren Stopp beenden. 3 x mit jeweils 10 Stopps üben. / Foto: H. Münch/Thieme
Etwa doppelt hüftbreit hinstellen. Die Hände liegen auf den Beckenkämmen. Den Brustkorb aufrichten, der Schultergürtel bleibt entspannt. Den rechten Fuß um 45° nach außen drehen. Das rechte Knie beugen und dabei über den rechten Fuß führen. Das rechte Bein wieder strecken und die Übung wiederholen. Nach der letzten Beuge das Bein wechseln. Je Seite 3 x 12 Wiederholungen. / Foto: H. Münch/Thieme