Das macht die Rezeptur haltbarer |
Die Kühllagerung ist nicht für alle Rezepturen die beste Lösung, um sie haltbarer zu machen. / © Getty Images/Mario Martinez
Die Hydrolyse, also die Zersetzung durch die Einwirkung von Wasser, und die Oxidation durch einwirkenden Luftsauerstoff sind zwei reale Gefahren, die häufig zu Problemen mit der Haltbarkeit von Ausgangsstoffen und Rezepturen führen. Und: »Meist bemerken wir das gar nicht. Die Zerstörung des Wirkstoffs kann man meist weder sehen, riechen oder fühlen«, erklärt Apothekerin Dr. Sandra Barisch. Die Folge sei eine Unterdosierung durch den Abbau des Wirkstoffs. Denkbar seien auch Unverträglichkeiten oder Intoxikationen durch die Abbauprodukte.
Die Rezeptur-Expertin weist daraufhin, dass sich die Empfehlungswerte der Aufbrauchfristen, die das DAC/NRF für die verschiedenen Darreichungsformen für nicht standardisierte Rezepturen gibt, ausschließlich auf die mikrobiologische Stabilität der Arzneiformen beziehen. »Der chemische Verderb kann nicht abgebildet werden, weil freie Rezepturen die individuellen Wünsche der Ärzte sind und deshalb dem DAC/NRF gar nicht zur Untersuchung vorliegen.« Hier gilt es, vorzubeugen.
Wie lässt sich also die chemische Stabilität verbessern? Barisch empfiehlt einen Blick in die Anlage I des DAC/NRF. Der Lagerungshinweis »Vor Licht und Feuchtigkeit geschützt« markiert einen licht-, feuchtigkeits- und sauerstoffempfindlichen Wirkstoff. Es besteht also eine potenzielle Hydrolyse- und Oxidationsgefahr, sodass entsprechende Vorkehrungen getroffen werden müssen.
Ein Braunglas, mit einem Trockenmittelstopfen versehen, schützt vor Wasser und Wassserdampf sowie vor Oxidation. Außerdem laut Barisch zu beachten: »Füllt Abgabegefäße – außer wenn diese vor der Einnahme geschüttelt werden müssen - möglichst randvoll. Bei Dosierkruken die Luft immer komplett herausdrehen. Bei oxidationsempfindlichen Wirk- oder Hilfsstoffen kann man sich auch mit Antioxidanzien behelfen, für hydrophile Zubereitungen bietet sich Ascorbinsäure an und für lipophile Tocopherol.«
Auch die Einstellung eines niedrigen pH-Wertes kann dienlich sein. Dann laufen Oxidationsprozesse besonders langsam ab. Dieses Prinzip kann jedoch nur genutzt werden, wenn ein saurer pH-Wert für alle Wirkstoffe ohne Weiteres möglich ist.
Bei sehr teuren oxidationsempfindlichen Wirkstoffen biete sich laut der Expertin die Überschichtung der Pulveroberfläche in Standgefäßen mit Argon als Schutzgas an. Dieses Inertgas ist in kleinen Flaschen mit Druckmindererventilen erhältlich. Wird die Rezetursubstanz mit dem schwereren Argongas überschichtet, entsteht eine Pufferzone zur Umgebungsluft, die den Stoff vor Luftsauerstoff schützt. Klar: Weil bei der Entnahme das Schutzgas entweicht, muss nach dem nächsten Öffnen und der weiteren Entnahme der Rezeptursubstanz die Gasschicht wieder erneuert werden.
Und was ist mit der Lagerung im Kühlschrank? Schließlich laufen praktisch alle chemischen Reaktionen durch die langsamere Teilchenbewegung bei niedrigeren Temperaturen auch langsamer ab, also auch der chemische Verderb. Der Rezeptur-Coach warnt: »Es gibt ein großes Aber: Auch die Löslichkeit von Feststoffen wird im Kühlschrank herabgesetzt, was vor allem für Konservierungsmittel ein echtes Problem darstellen kann.«
Fallen Konservierungsmittel bei Kühlschranklagerung aus oder ist deren mikrobiologische Aktivität durch die Kühllagerung vermindert, sind sie natürlich auch weniger wirksam. »Daher muss bei der Lagertemperatur immer eine Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen, wann eine Kühlschranklagerung angebracht ist oder wann eben nicht«, rät Barisch.
Welche Auswirkungen hat es auf die Stabilität des Ansatzes, wenn Fertigarzneimittel in wasserhaltigen Rezepturen verwendet werden? Weil dann das Hydrolysepotenzial des Wirkstoffs nicht bekannt ist, schlägt Barisch folgende Vorgehensweise vor: »Recherchiert, ob es den Wirkstoff eurer Rezeptur als wasserhaltiges Fertigarzneimittel gibt. Falls ja, könnt ihr euch an dessen Aufbrauchfrist orientieren. Falls nein, sollte bei der Herstellung wasserhaltiger Zubereitungen wie Lösungen, Cremes oder Suspensionen aus Fertigarzneimitteln nicht die klassische Haltbarkeit nach NRF gewählt werden, sondern eine verkürzte Haltbarkeit für Rezepturen mit unklarer Stabilität zum Beispiel von vier Wochen.«
Kurz, anschaulich und praxisrelevant: In den Rezeptur-Videos von PTA-Forum, PTA Channel und DAC/NRF erklärt Apothekerin Dr. Sandra Barisch das Einmaleins der Arzneimittelherstellung in der Apotheke. So sind viele gute Tipps des DAC/NRF-Expertenteams für den Rezepturalltag jederzeit abrufbar.