Das müssen Rheuma-Patienten wissen |
Verena Schmidt |
18.10.2021 16:00 Uhr |
Aufgrund der Immunsuppression kann die Antwort auf die Impfung gegen Covid-19 bei Rheuma-Patienten abgeschwächt sein. Sie können sich sechs Monate nach der Grundimmunisierung erneut impfen lassen. / Foto: Getty Images/simarik
Rheumatische Erkrankungen sind in der Regel Autoimmunerkrankungen, bei denen das Immunsystem fälschlicherweise körpereigene Strukturen angreift. Die Patienten erhalten daher meist Arzneimittel, die die Aktivität des Immunsystems herunterfahren. Das kann wiederum Schwere und Verlauf von Infektionen beeinflussen, so auch bei Covid-19.
Bisherige Untersuchungen hätten gezeigt, dass das Risiko eines schweren Verlaufs einer Coronavirus-Infektion nicht durch entzündlich-rheumatische Erkrankungen an sich beeinflusst wird. Vielmehr seien auch bei ihnen überwiegend die klassischen Risikofaktoren wie Alter und Herz-Kreislauf-Erkrankungen entscheidend, berichtete Professor Dr. Georg Schett vom Universitätsklinikum Erlangen im September bei einer Online-Pressekonferenz anlässlich des Deutschen Rheumatologie-Kongresses.
Auch konnte kein negativer Einfluss der meisten immunmodulatorischen Medikamente auf eine Covid-19-Infektion festgestellt werden. Allerdings gibt es eine wichtige Ausnahme: »Glucocorticoide scheinen das Risiko für einen schweren Verlauf von Covid-19 zu erhöhen«, sagte Rheumatologe Schett. Umgekehrt konnte aber für Patienten unter einer Therapie mit Zytokinhemmern, also etwa TNF--Hemmer oder Antikörper gegen verschiedene Interleukine oder deren Rezeptoren, sogar ein abgeschwächter Verlauf einer SARS-CoV-2-Infektion beobachtet werden.
Die allermeisten antirheumatischen Therapien könnten also auch in Zeiten der Pandemie ohne wesentliche Einschränkungen eingesetzt werden. »Gerade in der Pandemie ist eine gute Kontrolle der Grunderkrankung wichtig, um so Glucocorticoide zu sparen«, sagte Schett. Laut dem deutschen Online-Register Covid-19-Rheuma, das Daten zu Covid-19-Krankheitsverläufen bei Rheuma-Patienten erfasst, scheint eine Corticoid-Dosis von > 5 mg/Tag mit einem um den Faktor 3,67 erhöhten Hospitalisierungsrisiko verbunden zu sein. Glucocorticoide sollten den Rheumatologen zufolge nicht komplett abgesetzt, aber sie sollten in geringstmöglicher Dosis gegeben werden. Bei Neubeginn einer Therapie sollten Ärzte derzeit möglichst auf hohe Corticoid-Gaben verzichten.
»Von der Impfung gegen Covid-19 haben Rheuma-Patienten massiv profitiert«, so Schett. Die Impfung wirke bei ihnen in der Regel gut, auch unter der Therapie mit den üblichen Immunmodulatoren. Aber nicht alle Patienten sind nach der Impfung ausreichend geschützt: »Neuere Studien zeigen, dass die Immunreaktion auf die Impfung durchaus abgeschwächt sein kann. Ungefähr jeder zehnte Patient mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen zeigt nach der Impfung keine vollständige humorale Immunantwort.«
Vor allem eine Therapie mit Rituximab scheint die Immunantwort auf die Impfung zu hemmen. Der Antikörper, der als Infusion bei vielen Patienten halbjährlich bis jährlich verabreicht wird, ist auch der einzige Wirkstoff, bei dem Rheumatologen einen deutlichen zeitlichen Abstand zu einer Impfung gegen SARS-CoV-2 empfehlen. Die Impfung soll laut der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) frühestens vier Monate nach der letzten Gabe von Rituximab erfolgen, und nach der Impfung soll das Präparat frühestens nach vier Wochen gegeben werden.
Auch unter einer Therapie mit Methotrexat (MTX) könnte die Impfantwort möglicherweise etwas vermindert sein. Bisherige Studiendaten hierzu sind jedoch nicht eindeutig. Laut der DGRh sollten die Patienten individuell mit ihrem Arzt entscheiden, ob die wöchentliche MTX-Gabe für die Impfung ein- oder zweimal pausiert wird. Patienten in stabiler Krankheitssituation hätten ein vergleichsweise geringes Risiko, dass durch das Weglassen einer Dosis ein Schub ausgelöst wird. Zwingend notwendig ist eine solche Pause laut den Experten aber nicht.
Bei Rheumapatienten, vor allem bei solchen, die MTX oder Rituximab bekommen, könnte laut Schett eine Bestimmung des Antikörpertiters beim Arzt sinnvoll sein. Er plädierte dafür, dass Patienten mit rheumatischen Erkrankungen eine dritte Boosterimpfung erhalten sollten. Diese kann frühestens sechs Monate nach Abschluss der ersten Impfserie verabreicht werden.
Auch die STIKO empfiehlt inzwischen eine Auffrischimpfung nach etwa sechs Monaten mit einem mRNA-Impfstoff für Personen mit Immundefizienz, also mit angeborenen oder erworbenen Störungen der Funktion des körpereigenen Immunsystems. Bei schwer immundefizienten Personen könne diese zusätzliche Impfstoffdosis auch bereits vier Wochen nach der Grundimmunisierung angeboten werden. Dies betrifft aber vor allem Patienten mit sehr stark supprimiertem Immunsystem, etwa nach einer Organtransplantation oder im Rahmen einer Krebstherapie. In diesen Fällen empfiehlt die STIKO auch eine Laboruntersuchung auf Antikörper; generell bei allen Patienten mit Immundefizienz sei dies aber nicht notwendig, heißt es in einer Pressemitteilung der STIKO.
Drei Wirkstoffe, die bereits zur Therapie der rheumatoiden Arthritis zugelassen sind, könnten auch bei schweren Verläufen einer Corona-Infektion wirksam sein. Die Europäische Arzneimittelagentur EMA prüft derzeit entsprechende Indikationserweiterungen für Baricitinib, Anakinra und Tocilizumab.
Coronaviren lösten bereits 2002 eine Pandemie aus: SARS. Ende 2019 ist in der ostchinesischen Millionenstadt Wuhan eine weitere Variante aufgetreten: SARS-CoV-2, der Auslöser der neuen Lungenerkrankung Covid-19. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronaviren.