Das trainiert die Atmung |
Auch Sportler profitieren von einem regelmäßigen Training der Atemmuskulatur. / Foto: Getty Images/martin-dm
Die Atemmuskulatur besteht aus den direkten Atemmuskeln wie dem Zwerchfell und den Zwischenrippenmuskeln. Die Muskeln in Brustkorb, Rumpf und Nacken unterstützen das Ein- und Ausatmen zusätzlich. Diese Atemhilfsmuskulatur oder auxilliäre Atemmuskulatur kommt hauptsächlich bei verstärkter Inspiration oder Exspiration zum Einsatz. Die Aufteilung in Atem- und Atemhilfsmuskulatur ist allerdings recht unscharf und willkürlich, wie auch der Übergang von normaler zu forcierter Atmung nicht klar definiert ist. Wenn Patienten längere Zeit beatmet werden, sind die kleinen, filigranen Atemmuskeln nahezu abgebaut. Die indirekten Atemmuskeln sind größer und verlieren langsamer an Kraft. In den ersten Tagen, in denen die Betroffenen wieder allein atmen, übernehmen die indirekten Atemmuskeln einen Großteil der Arbeit.
Menschen, die den fortgeschrittenen Zustand einer schweren Atemwegserkrankung erreicht haben, atmen ebenfalls verstärkt unter Einsatz der Atemhilfsmuskulatur. Sie können dabei an Gewicht verlieren, da die großen Muskelpakete mehr Kalorien verbrauchen als die kleineren. Vorteilhaft ist, dass jedes Training der Brustkorb-, Rumpf- und Nackenmuskulatur sich nebenbei günstig auf die Atmung auswirkt.
Gezielte Übungen zum Atemtraining verbessern nicht nur die Atemfunktion, sondern können auch die Kurzatmigkeit bei Atemwegserkrankungen wie chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) oder Asthma oder infolge einer Herzinsuffizienz reduzieren. Jüngst ließen sich damit auch Erfolge bei Patienten erzielen, die einen schweren Verlauf von Covid-19 hatten. Ein Atemtraining ist zudem interessant für Menschen, die beruflich von einer gute Atemfunktion profitieren, etwa Sportler, Musiker oder Schauspieler. Letzten Endes ist es für jeden vorteilhaft, durch ein bewusstes Atmen die Sauerstoffversorgung seines Körpers um Literaturangaben zufolge bis zu 5 Prozent verbessern zu können.
Egal aus welcher Motivation heraus Menschen ein Atemtraining durchführen wollen, geschieht dies im besten Fall unter professioneller Anleitung etwa von einem Atmungstherapeuten oder einem Physiotherapeuten. Aus Mangel an freien Plätzen müssen viele jedoch zum Selbsttraining greifen. Sie finden Anleitungen im Internet, etwa auf Youtube, oder in Büchern (siehe Literaturtipp im Kasten).
Übungen, die der Atemmuskulatur guttun, gibt es für jeden Trainings- und Gesundheitszustand, und selbst Patienten, die krankheitsbedingt im Bett liegen, können noch ihre Atemmuskeln trainieren. Therapiegeräte, die dem Ein- oder Ausatmen einen Widerstand entgegenbringen, können dabei unterstützen, tiefer und achtsamer zu atmen. Therapeutisch werden sie zum Beispiel eingesetzt, um bei Lungenerkrankungen zähflüssiges Sekret in den Atemwegen zu lösen und das Abhusten zu erleichtern.
Sandra Gawehn: Erste Hilfe für Lunge und Bronchien. Einfache Atemtechniken bei Post-Covid, COPD, Lungenentzündung, Asthma, Bronchitis. Trias Verlag 2022, 176 Seiten, ISBN: 978-3-432-11644-0, EUR 19,99 Versandkostenfrei bestellen bei govi.de
Wie die Atemmuskeln funktionieren und was jeder selbst tun kann, um seine Atmung zu verbessern, erklärt die Ärztin Dr. med. Sandra Gawehn in ihrem Buch »Erste Hilfe für Lunge und Bronchien«. Sie stellt darin einfache Atemtechniken bei Krankheiten wie COPD, Lungenentzündung, Asthma oder Bronchitis vor. Die praktischen Übungen sind verschiedenen Alltagssituationen und unterschiedlichen Altersgruppen zugeordnet. Sowohl bei akuter Atemnot, zur Linderung chronischer Beschwerden oder als Präventionsmaßnahmen bietet das Buch geeignete Trainingstipps.
Ältere Menschen können durch ein Training der Atemmuskulatur einigen Alterserscheinungen entgegenwirken. Senioren haben oft einen abgeschwächten Hustenstoß. Dieses Phänomen ist keine Lungenschwäche, sondern geht meistens darauf zurück, dass bei ihnen der große Rückenmuskel, der zugleich der größte Hustenmuskel ist, an Kraft verloren hat. Um ihn zu stärken, werden Bauch, Rücken und Rumpf trainiert. Dazu sind nicht gleich sportliche Höchstleistungen erforderlich.
Eine einfache und für fast jeden umsetzbare Übung ist das Singen. Wer mindestens drei Mal täglich singt, pfeift oder auch nur kräftig lacht, stärkt bereits seine Atemmuskultur. Wer sich etwas mehr bewegen möchte, kann es mit Schulterkreisen und Armkreisen versuchen. Beim »Ententanz-Lied« führen die Tänzer – bei Bedarf auch im Sitzen – Flügelschlagbewegungen durch und verbessern dadurch die Bewegungsfreiheit im Rumpfbereich.
Mobilere Menschen können ihr Training während eines Spaziergangs durchführen. Sie machen sich dazu einen Zählrhythmus zur Gewohnheit und atmen zum Beispiel drei Schritte lang ein und vier Schritte aus. Die Zählwerte werden so verteilt, dass die Ausatmung länger als die Einatmung dauert. Eingeatmet wird durch die Nase, den Mund halten Patienten geschlossen. Wer es noch sportlicher haben möchte, kann Hampelmannsprünge machen. Im Wasser stärken Aqua-Jogging und Aqua-Yoga die Atemmuskultur und tun besonders Asthmatikern gut, da die feuchte Luft ihre Atemwege nicht austrocknet.
Im Büro lassen sich die Atemmuskeln ganz nebenbei trainieren. Die einfachste Übung besteht darin, so oft wie möglich durch die Nase zu atmen. Bei der Nasenatmung wird Stickstoffmonoxid ausgeschüttet. Dieses weitet die Blutgefäße und verbessert dadurch die Sauerstoffaufnahme.
Bereits Kinder können ihre Atemmuskulatur zu trainieren. Hier bieten sich spielerische Übungen an. Kleinere Kinder können Seifenblasen pusten oder darum wetteifern, wer durch Pusten einen Luftballon am längsten in der Luft halten kann. Eigengewichtsübungen oder Balancieren etwa auf der Slackline eignen sich ebenfalls. Wenn der Nachwuchs ein Blasinstrument spielt, trainiert das zugleich die Atemmuskeln. Ob für Kind oder Erwachsenen: Am besten sind Übungen geeignet, die gerne gemacht werden. Die besten Ergebnisse werden nämlich dann erzielt, wenn Patienten täglich üben, und das verfolgen sie eher dann konsequent, wenn das Training zumindest etwas Freude bringt.
Einige Erkrankungen wie eine Covid-19-Infektion können die Lunge in Mitleidenschaft ziehen. Patienten kämpfen mit Symptomen wie Kurzatmigkeit oder Atemnot. Eine früh einsetzende Atemtherapie kann verhindern, dass funktionelle Störungen zurückbleiben. Um das Zwerchfell zu kräftigen, eignet sich zum Beispiel die Übung »schnüffelndes Einatmen«. Der Patient atmet dazu schnüffelnd durch die Nase ein, indem er dreimal kräftig die Luft einzieht. Anschließend wird die Luft langsam und gleichmäßig gegen den Widerstand der leicht geöffneten Lippen durch den Mund wieder ausgeatmet. Wenn nur ein Nasenloch benutzt wird, intensiviert das die Übung.
Um einen Hustenreiz zu kontrollieren, beherrschen sie am besten den »Nasengabelgriff«. Dazu engen Patienten die Nasenflügel mit Zeige- und Mittelfinger leicht ein. Auf diese Weise können sie das Einatmen leicht abbremsen.
Bei Belastung und Kurzatmigkeit erweitern bestimmte Körperhaltungen den Brustkorb und erleichtern dadurch das Atmen. Geeignet sind zum Beispiel der Kutschersitz oder die Torwartstellung. Beim Kutschersitz sitzen Patienten und beugen ihren Oberkörper weit nach vorne. Die Unterarme stützen sie mit ihren Ellenbogen auf den Oberschenkeln oder einer Tischplatte ab. Die Torwartstellung findet im Stehen statt, wobei die Beine schulterbreit auseinander stehen. Die Patienten stützen ihre Hände kurz über den Knien auf den Oberschenkeln ab und beugen ihren Oberkörper nach vorne.
Ausatemtechniken wie die Lippenbremse erweitern die Atemwege und kommen als Notfallmanöver bei Atemnot zum Einsatz. Für diese Übung atmen Patienten durch die Nase ein und durch den Mund wieder aus. Dabei liegen die Lippen locker und unverkrampft aufeinander, als wollte man eine Geburtstagskerze ausblasen. Die auf diese Weise abgebremste Ausatmung weitet die Bronchien. Bei der nächsten Einatmung kann mehr Luft aufgenommen werden. Denn nur wenn alte und verbrauchte Luft ausreichend aus der Lunge entweichen kann, füllt sich diese beim nächsten Atemzug wieder wohltuend mit frischer Luft.
Coronaviren lösten bereits 2002 eine Pandemie aus: SARS. Ende 2019 ist in der ostchinesischen Millionenstadt Wuhan eine weitere Variante aufgetreten: SARS-CoV-2, der Auslöser der neuen Lungenerkrankung Covid-19. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronaviren.