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Bruxismus

Das unbewusste Knirschen

Abgeschliffene Kauflächen, ein schmerzender Kiefer am Morgen – Zähneknirschen kann unangenehme Folgen haben. Ein Zahnarzt erklärt, warum Betroffene das Phänomen nicht auf die leichte Schulter nehmen sollten.
Barbara Döring
02.07.2024  08:00 Uhr

Wenn davon die Rede ist, dass jemand die Zähne zusammenbeißt, ist das meist im übertragenen Sinne gemeint: Er muss mit einer schwierigen Situation klarkommen oder schluckt seinen Ärger herunter. Unbewusst passiert es aber auch im wahrsten Sinne des Wortes, dass in stressigen Situationen oder bei Anspannung die Zähne aufeinandergepresst oder aufeinander gerieben werden. Dabei ist der Druck oft so groß – mitunter bis zum Zehnfachen des normalen Kaudrucks –, dass die Zähne Schaden nehmen können. Der sogenannte Bruxismus – abgeleitet von griechisch brygmos = Zähneknirschen – geschieht meist in der Nacht (Schlaf-Bruxismus), seltener tagsüber (Wach-Bruxismus).

»Stress im Alltag, der nicht adäquat verarbeitet wird, ist der Hauptgrund, wenn Menschen mit den Zähnen knirschen«, sagt Dr. Philipp Maatz, Zahnarzt aus Lampertheim, im Gespräch mit PTA-Forum. So sei das Phänomen besonders in Stressphasen wie Prüfungszeiten besonders ausgeprägt. Doch auch wenn jemand einen entspannten Tag hatte, bleibt er nicht unbedingt vom Zähneknirschen verschont. So versuche der Körper durch die nächtlichen Kieferbewegungen mitunter, einen Bewegungsmangel am Tag auszugleichen. Die Zähne können zudem auch verstärkt aufeinander reiben, wenn sich in der nächtlichen REM-(Rapid-Eye-Movement) Schlafphase der Kiefer bei intensiven Träumen hin und her bewegt, so der Experte, der auf die zahnärztliche Behandlung von Angstpatienten spezialisiert ist.

Schäden und Schmerzen

Der hohe Druck auf das Gebiss beim Knirschen kann auf Dauer den Zähnen zusetzen und zu Schleifspuren und Rissen im Schmelz führen. Auch vorhandene Brücken oder Kronen können Schaden nehmen, wenn etwa Keramik abplatzt. Eine Studie zeigte, dass bei Patienten mit Bruxismus die Wahrscheinlichkeit größer ist, dass sich ein gesetztes Implantat nicht richtig in den Kiefer integriert. Vor allem aber leiden Betroffene oft unter der Muskelanspannung: »Die Patienten kommen meist in die Praxis, weil sie Kiefergelenkschmerzen oder muskuläre Schmerzen haben, die sich bis unter das Kinn ziehen können«, sagt Maatz. Typisch sei, dass morgens nach dem Aufwachen die Zähne wehtun. Manchmal würden Patienten auch so stark knirschen, dass der Partner sich beklagt, wegen der lauten Geräusche nicht schlafen zu können.

Durch die dauernde Belastung vergrößert sich bisweilen sogar die Kaumuskulatur oder der Kiefer kann sich nicht mehr frei bewegen. Sind die Kieferbewegungen eingeschränkt, ist von einer craniomandibularen Dysfunktion (CMD) die Rede. Der Mund lässt sich dann zum Beispiel nicht mehr vollständig öffnen, es kommt zu Seitenabweichungen des Kiefers oder Knackgeräuschen. Auch ein Zusammenhang mit Tinnitus wird diskutiert.

Zähneknirschen tritt in jedem Alter auf, wobei ältere Patienten meist stärkere Beschwerden und schon länger Probleme damit haben. »Bruxismus kann sich zu einer chronischen Erkrankung mit dauerhaften Kiefergelenkbeschwerden entwickeln«, sagt Maatz. Jüngere Menschen wüssten oft gar nicht, was hinter ihren Beschwerden steckt und vermuteten oft, ein Loch wäre für ihre Zahnschmerzen verantwortlich, so die Erfahrung des Experten. Tatsächlich wären die Schmerzen oft so stark wie bei Karies oder einer Wurzelentzündung.

Rechtzeitig handeln

»Wenn es hin und wieder im Kiefer knackt, ist das allein nicht als pathologisch zu werten«, sagt der Experte. Wenn jedoch Schmerzen hinzukommen oder durch das Hin- und Herreiben der Zähne eine Abnutzung droht, sollte man handeln. Um die Zähne zu entlasten, kommen individuell angepasste Aufbiss-Schienen zum Einsatz, sogenannte Okklusionsschienen, die nicht nur die Zahnsubstanz schützen, sondern gleichzeitig den Kiefer in eine entspannte Lage bringen. »Bevor jedoch eine Schiene angefertigt wird, ist es wichtig, das Kiefergelenk zu entlasten und zu entspannen«, rät Maatz. Der Zahnarzt rät deshalb Patienten zunächst zu einer Physiotherapie des Kiefergelenks und der Kiefermuskulatur, damit der Kiefer bei der Anpassung der Schiene in einer entspannten Situation ist.

»Das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass Patienten mit Beschwerden eine Schiene angepasst wird«, warnt Maatz. So würde der Biss in der pathologischen Situation »verschlüsselt«, sodass chronische Probleme befördert würden. Deshalb sieht er es auch als Risiko, vorgefertigte Produkte zu nutzen, wie sie unter anderem im Internet angeboten werden. Diese Schienen seien nicht auf die individuelle Zahn- und Kieferstellung angepasst, sodass sich durch die Eigenbehandlung im schlimmsten Fall der pathologische Zustand verfestigt und sich die Probleme noch verschlimmern.

Bei der Physiotherapie kommt zum Beispiel die manuelle Therapie zum Einsatz, bei der mit speziellen Handgriffen und Mobilisations-Techniken das Kiefergelenk und betroffene Muskeln gelöst werden. Auch Wärmeanwendungen wirken den Verspannungen entgegen. Wichtig ist auch, dass der Patient mitarbeitet, um das grundlegende Problem anzugehen. Entspannungsübungen zu Hause und im Alltag Stress abzubauen sowie besser zu verarbeiten seien hierbei hilfreich.

Erst Entspannung, dann Schienenabdruck

Hat sich der Kiefer entspannt, kann der Zahnarzt einen Abdruck machen. Heute werden die Zähne oft alternativ mit einer kleinen Kamera gescannt und die Zahnstellung des Patienten digital gespeichert. Die individuell gefertigte Schiene besteht aus Kunststoff, wobei – auch abhängig vom Kundenwunsch – sehr weiche oder auch sehr harte Kunststoffe verwendet werden können, erläutert Maatz. Wie lange die Aufbiss-Schiene getragen wird, hängt von den Beschwerden ab. Manche Patienten tragen die Schiene den ganzen Tag und nehmen sie nur beim Essen heraus, andere nutzen sie lieber ausschließlich nachts. »Einige Patienten müssen sie nachts tragen, da sie wegen der Schmerzen sonst nicht schlafen könnten«, weiß Maatz.

Die Gefahr, eine Aufbiss-Schiene zu verschlucken, bestehe nicht, da sie in einem Stück gefertigt und entsprechend groß ist. In manchen Fällen kämen Betroffene mit der Aufbiss-Schiene nicht zurecht. Für diese Fälle gäbe es theoretisch Alternativen, die jedoch sehr aufwendig seien, da auf die Zähne Aufbauten wie Inlays oder Teilkronen aufgebracht werden müssten. Diese sehr komplexe Behandlung wäre mit einem hohen Aufwand und entsprechend hohen Kosten verbunden. Eine Aufbiss-Schiene sei dagegen günstig und würde in den meisten Fällen komplett von den Krankenkassen übernommen, so der Experte.

Ursachen finden und behandeln

Patienten sollten zudem versuchen, etwas gegen die Ursachen des Zähneknirschens zu unternehmen. »Wichtig ist vor allem, das Stresslevel herunterzufahren, besonders in Phasen, in denen man verkrampft oder gestresst ist, da Muskulatur und Zähne dann besonders beansprucht sind«, betont Maatz. Hilfreich sei es auch, auf Pausen zu achten und in Stressphasen immer mal wieder zu entschleunigen und bewusst Zeit für Entspannung und Sport einzuplanen. Der Experte empfiehlt zudem, regelmäßig Atemübungen oder Übungen zur Kiefergelenkentspannung zu machen (siehe Kasten). Dabei dehnen sich Bindegewebsfasern und Muskulatur, sodass die Anspannung umgehend nachlässt.

Bruxismus lässt sich gut behandeln. »Der Therapieausgang ist meist sehr positiv«, weiß Maatz. Wichtig sei, das Problem zeitig und richtig anzugehen, da bei einer falschen Behandlung das Risiko einer Chronifizierung bestehe. Die Kiefergelenkbeschwerden könnten dann dauerhaft bestehen oder der Mund sich nicht mehr richtig öffnen. Mithilfe der Aufbiss-Schiene würden sich die Beschwerden schnell bessern. »Bis die Schiene in ein bis zwei Wochen fertig ist, können Patienten zudem auf Analgetika wie Ibuprofen zurückgreifen«, empfiehlt Maatz. Schmerzmittel seien zu Beginn der Therapie das Mittel der Wahl, bis nach etwa einer Woche die Schmerzen merklich nachlassen.

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