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Habe ich schon gegessen?

Demenzkranke bei der Ernährung unterstützen

Im Laufe einer demenziellen Erkrankung lassen auch zur Nahrungsaufnahme notwendige geistige, körperliche und soziale Fähigkeiten stark nach. Betroffene brauchen Unterstützung, damit Essen und Trinken weiterhin gelingt. Wird Gewichtsabnahme und Mangelernährung von den Betreuenden frühzeitig erkannt, kann dies das Fortschreiten der Demenz herauszögern oder vermeiden.
AutorKontaktCornelia Höhn
Datum 28.08.2023  08:30 Uhr

Schon im Anfangsstadium der Erkrankung können tägliche Aufgaben wie Einkaufen, Mahlzeitenplanung oder Essenszubereitung bisweilen nicht mehr allein bewältigt werden. Bei Tisch fallen Demenzkranke durch Unaufmerksamkeit und Ablenkbarkeit auf. Ein Blick in den Kühlschrank kann Aufschluss über die Ernährungssituation geben: In der Schweiz kam eine Studie zu dem Ergebnis, dass weniger als drei verschiedene Lebensmittel im Kühlschrank mit einem erhöhten Risiko für einen Krankenhausaufenthalt verbunden sind. Bei fortschreitender Erkrankung werden dann Abläufe des täglichen Lebens vergessen, das selbstständige Essen mit Besteck wird problematisch.

Aufgrund eines nachlassenden Hungergefühls wissen demente Personen oft nicht mehr, ob sie schon gegessen haben. Sie essen dann mitunter zu viel, häufiger aber zu wenig. Auch ein dauerhaftes Sättigungsgefühl ist ein Problem. Fehlender Durst im Alter und verstärkt bei Demenz kann zudem zu Dehydratation mit Verwirrtheitszuständen und nachfolgender Klinikeinweisung führen.

Giftig oder harmlos?

Selbst die Fähigkeit, Lebensmittel und Getränke als solche zu erkennen und von Ungenießbarem zu unterscheiden sowie die Einsicht, dass Nahrung lebensnotwendig ist, kann bei Demenz beeinträchtigt sein. Harmloses wird als giftig eingestuft, umgekehrt kommt es zu gefährlichen Verwechslungen beispielweise zwischen Reiniger- und Getränkeflaschen. Das kann auch dazu führen, dass Betroffene das Essen und Trinken einstellen.

Manche Betroffene beginnen, Vorräte für Notzeiten anzulegen, wählen dafür aber bisweilen ungeeignete Orte aus. Findet sich die Butter im Backofen, sind Vorwürfe jedoch zwecklos. Nach Absprache sollte Verdorbenes regelmäßig gemeinsam mit Angehörigen oder Pflegenden aussortiert werden. Da die verbale Kommunikationsfähigkeit nachlässt, sind Gespräche mit Demenzkranken jedoch oft schwierig. Angehörige und Pflegepersonal sollten Betroffene am besten namentlich ansprechen und geschlossene Fragen stellen, wie: »Möchtest du Kartoffeln essen?«. Anschließend sollten sie ihnen Zeit für eine Antwort geben. Der Verlust sozialer Fähigkeiten, wie angemessenes Verhalten am Tisch, kann zu Isolation und Depressionen führen und bewirken, dass die Nahrungsaufnahme verweigert wird. Leiden Erkrankte zudem unter motorischer Unruhe und starkem Bewegungsdrang, benötigen sie zusätzliche Kalorien.

In fortgeschrittenem Stadium ist selbstständiges Essen dann gar nicht mehr möglich. Es treten Kau- und Schluckstörungen auf, wodurch Essen als mühsam oder schmerzhaft empfunden wird. Betroffene wollen aus Angst vor dem Ersticken oft nichts mehr essen. Die Gefahr einer Lungenentzündung durch Aspirieren von Nahrungsbestandteilen besteht.

Demenzpatienten sind folglich aus mannigfaltigen Gründen von Mangelernährung bedroht. Verglichen mit gesunden Senioren nehmen sie weniger Makro- und Mikronährstoffe auf und verlieren bis zu viermal mehr Gewicht als Gleichaltrige. Das Fortschreiten der Erkrankung wird dadurch ebenso begünstigt wie das Risiko für Muskelabbau und Begleiterkrankungen.

Nach der Ursache forschen

Zur ersten Einschätzung des Ernährungszustandes empfehlen Experten ein Screening beispielweise mithilfe des Minimal Nutritional Assessment (MNA). Die Ursachenforschung im Falle einer demenziellen Erkrankung ist allerdings oft vielschichtig, da die Menschen ihre Symptome nicht selbst benennen können. Betreuende müssen oft Detektivarbeit leisten, um hinter die Ursachen zu kommen. Hilfreich kann daher ein Trink-/ Essprotokoll sein, um herauszufinden, was die Person momentan bevorzugt und gut verträgt.

Mit einer Essbiografie, die entweder im Anfangsstadium der Erkrankung oder mithilfe von Angehörigen oder Freunden erstellt wird, kann versucht werden, Vorlieben aus der Vergangenheit zu integrieren: Dazu zählt die Lieblingsspeise ebenso wie glückliche Erinnerungen, die positive Gefühle erzeugen.

Die Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG) empfiehlt, bei der Ernährung Demenzkranker den Fokus auf drei Dinge zu legen: Proteine, um Muskelabbau zu stoppen, mehr Kalorien, um den durch übersteigerten Bewegungsdrang erhöhten Energiebedarf auszugleichen und Gerichte, die auf den Einzelnen abgestimmt sind. Bei sehr einseitigen Vorlieben sollte allerdings mit dem Arzt über Nahrungsergänzungsmittel beraten werden.

Erkrankte beim Essen zu unterstützen, ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die jedoch nachweislich zu einer besseren Nahrungsaufnahme führt. Neben viel Engagement, Zuwendung und auch Kreativität seitens der Betreuenden ist dazu ein alltagstaugliches Verpflegungskonzept nötig. Gewichtsverlust und Mangelernährung sind vermeidbar, wie auch Therapiestudien belegen. Die möglichst frühzeitig ergriffenen Maßnahmen sollen zudem für Lebensqualität zu sorgen: In einem ereignislosen Tagesablauf, in welchem vertraute Strukturen verschwimmen, vermitteln Mahlzeiten Normalität und geben Orientierung. Dabei helfen Rituale wie feste Essenszeiten oder Tischgebete. Das Ansprechen von Emotionen und der Sinne regt die Freude am Essen sowie den Appetit an.

Süßes bevorzugt

Bei vielen Menschen stumpft der Geschmackssinn krankheitsbedingt ab. Eine besondere Abneigung besteht meist gegen Saures, Demenzkranke haben oft Lust auf Süßes. Als Hauptspeise kann es daher immer mal eine Süßspeise sein, aber auch Pikantes kann mit Zucker oder Süßstoff an diese Vorliebe angepasst werden. Wird Essen aufgrund von Geschmacksbeeinträchtigungen oder Mundtrockenheit als fad empfunden, darf kräftig gewürzt werden, am besten mit heimischen Kräutern, die von früher bekannt sind. Althergebrachte Hausmannskost steht in der Regel höher im Kurs als moderne Küche (Essbiografie!).

Getränke werden ebenfalls gesüßt bevorzugt und sollten ständig bereitstehen. Tee oder Kaffee dürfen wegen der Gefahr des Verbrennens und Verbrühens nicht zu heiß sein. Energieangereicherte Shakes, Fruchtsmoothies oder Bananenmilch schmecken und führen zudem Kalorien zu. Manche Betroffene lassen sich durch gemeinsame Trinkrituale motivieren oder empfinden das Benutzen von Trinkhalmen als hilfreich.

Noch stärker als der Geschmackssinn ist der Geruchssinn beeinträchtigt. Vor allem bei der Alzheimer-Demenz tritt eine Riechstörung bereits als frühes Symptom auf und ist besonders ausgeprägt. Leckere Gerüche, die Appetit machen, werden kaum wahrgenommen. Um die Lust auf Essen zu steigern, braucht es dann intensive Düfte zum Beispiel beim Grillen, Waffeln backen oder nach frisch aufgebrühtem Kaffee. Allerdings sind Geruchsempfindungen auch individuell verschieden: Was bei dem einen positive Erinnerungen weckt, kann jemand anderen belasten. Vorlieben und Abneigungen sollten daher beobachtet und berücksichtigt werden.

Leicht erkennbar

Auch bei Demenzpatienten isst das Auge mit. Wenn Speisen nicht mehr als solche erkannt werden, entwickeln Demenzkranke bisweilen Misstrauen oder Angst, vergiftet zu werden. Sie lehnen Nahrung dann ab. Ist Essen und Trinken dagegen leicht erkennbar, kann das die verzehrte Menge steigern, wie Untersuchungen ergaben. In Seniorenheimen werden Speisepläne auch gerne mit Fotos ergänzt.

Pflegende sollten darauf achten, dass die Beleuchtung bei den Mahlzeiten gut ist. Das verwendete Geschirr sollte sich farblich vom Tischtuch sowie vom Inhalt abhebt, um das Erkennen zu unterstützen. Weißer Milchreis im weißen Teller auf weißem Tischtuch zu servieren, ist also eher keine gute Idee. Getränke können in bunten Gläsern oder durch Zugabe von Obst- und Gemüsesäften farbig angeboten werden. Außerdem sind gesüßte Früchtetees oder Malzbier leicht erkennbar.

Anstatt eines undefinierbaren Einheitsbreis sollten Speisen einzeln püriert und mit Silikonformen wieder in ihre ursprüngliche Form gebracht werden. Mahlzeitenlieferanten bieten teils ausgewogene und optisch ansprechende pürierte Mahlzeiten an. Bei der Raumgestaltung wird auf verwechselbare Objekte, beispielweise Blumenschmuck mit Beeren oder Zierfrüchten, verzichtet und nur notwendige Dinge aufgetischt. Aber: Eine jahreszeitliche Dekoration hilft Betroffenen, sich im Jahresablauf zu orientieren.

Kost, die wegen Kau- und Schluckbeschwerden in ihrer Konsistenz angepasst ist, kann ebenfalls ansprechend serviert werden. Amylaseresistente Andickungsmittel unterstützen dabei sicheres Schlucken, weil die Nahrung nach Speichelkontakt im Mund noch nicht verflüssigt wird. Mithilfe eines durch Logopäden angeleiteten Schlucktrainings wird die richtige Haltung beim Essen und das Konzentrieren auf den Kau- und Schluckvorgang geübt.

Akustisch Erinnerungen wecken

Auch der Hörsinn sollte angesprochen werden: Ein Gong, der zum Essen auffordert, oder ein gemeinsam gesungenes Lied, das regelmäßig den Beginn der Mahlzeit ankündigt, kann akustisch als orientierendes Ritual dienen. Zu besonderen Anlässen, wie Geburtstag oder Weihnachten, kann Musik, die in der Essbiografie hinterlegt ist, positive Erinnerungen wecken. Begleitgeräusche wie das Klappern von Töpfen oder das Geräusch einer Kaffeemaschine stellen zudem Verbindungen zur Nahrungsaufnahme her. Wer etwa jemanden in ein knuspriges Brötchen beißen hört, bekommt nicht selten ebenfalls Lust darauf. Es ist auch immer hilfreich, dem Demenzkranken genau zu erläutern, um welche Mahlzeit im Tagesverlauf es sich handelt, und das Speisenangebot positiv zu beschreiben, um ihn zum Verzehr zu motivieren.

Demenzkranke sollten ermuntert werden, möglichst lange ohne Unterstützung zu essen. Über Kleckern oder das Benutzen der Finger sollte dabei hinweggesehen werden. Essen anzufassen ist ausdrücklich erlaubt, um im wahrsten Sinne des Wortes zu begreifen, um welches Nahrungsmittel es sich handelt. Ein Tipp: Wird jeweils nur eine Speise und das dazu gehörige Besteck aufgedeckt, verhindert man unangenehme Erfahrungen, beispielsweise, dass die Suppe mit der Gabel gegessen wird.

Essen begreifen

Wenn der Umgang mit Besteck nicht mehr erinnert wird, kann Fingerfood angeboten werden: Dieses sollte gut zu greifen, nicht größer als zwei Bissen, leicht kau- und schluckbar und angemessen temperiert sein. Geeignet für eine Hauptmahlzeit sind beispielsweise Rohkost wie Gurkenstücke oder Cocktailtomaten, leicht angedünstete Möhren oder Rosenkohl, Pizzastücke, Hähnchenfleischstreifen, Fischstäbchen oder Minifrikadellen. Für zwischendurch laden kleine Schälchen mit aufgeschnittenem Obst, Nüssen, Minimuffins oder Schokoladenstückchen zum Zugreifen ein. Betroffene mit Bewegungsdrang können sich beim Umhergehen auch an Imbiss-Stationen bedienen, die jedoch strenge hygienische Standards erfüllen und gut organisiert sein müssen.

Durch den fortschreitenden Verlust verschiedener Fähigkeiten haben Demente oft sehr feine Antennen und orientieren sich vorwiegend an ihren Emotionen. Hilfsbereites Pflegepersonal und wiederkehrende Abläufe vermitteln ihnen Sicherheit. Mit respektvollen Tischnachbarn gemeinsam zu essen, gibt Geborgenheit und kann ebenso wie eine ruhige, angenehme Atmosphäre den Appetit fördern.

Das gute Gefühl, nützlich zu sein und beispielsweise beim Vorbereiten einer Mahlzeit oder beim Tischdecken gebraucht zu werden, stärkt das Selbstwertgefühl. Wird es bei fortgeschrittener Demenz nötig, die Betroffenen beim Essen zu unterstützen, ihnen den Mund abzuwischen oder sie zu füttern, ist eine ungestörte Umgebung und ein behutsames Vorgehen nötig. Fühlen sich Betroffene von ihrer Umgebung angenommen, können sie ihr aktuelles Selbst trotz mancher Defizite wertschätzen und sich in ihrer veränderten Welt wohlfühlen.

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