Den Körper austricksen und Bauchfett loswerden |
Isabel Weinert |
09.05.2025 09:00 Uhr |
Bewegung und unterstützende Gemeinschaft sind zwei wichtige Faktoren für ein gesundes Körpergewicht. / © Adobe Stock/Robert Kneschke
PTA-Forum: Warum lagert der Mensch überhaupt Fett an?
Riedl: Es gibt ganz verschiedene Gründe dafür, dass Menschen an Gewicht zulegen. Der häufigste ist sicher eine überkalorische Ernährung. Die überschüssige Energie lagert der Körper in Form von Körperfett ab. Dabei liegt es ein wenig an den Genen, aber auch am Alter und an der hormonellen Situation, an welchen Stellen das Fett entsteht, also ob gleichmäßig verteilt, eher an den Beinen oder vorwiegend am Bauch. Mittlerweile wissen wir, dass auch Chemikalien aus der Umwelt wie etwa Weichmacher hormonell wirken und Bauchfett fördern.
Ein weiterer Grund ist die Einnahme bestimmter Medikamente. Außerdem nehmen Diabetiker an Gewicht zu, wenn sie im Bemühen um eine gute Blutzuckereinstellung zu viel Insulin spritzen, dann häufig unterzuckern und dagegen anessen müssen. Das Alter ist ein weiterer Faktor, warum Menschen zunehmen. Ab etwa dem 60. Lebensjahr verringert sich allmählich der Grundumsatz. Wer dann weiterisst wie gewohnt, hat immer einen Kalorienüberschuss. Allerdings zeigen Studien, dass es in höherem Lebensalter günstig ist, etwas mehr zu wiegen.
Fettspeicher haben aber auch einen Sinn, solange sie im Rahmen bleiben. Sie schützen die Organe vor Einflüssen von außen und dienen als Vorratsspeicher in nahrungsknappen Zeiten. Hierzulande gibt es Letzteres jedoch nicht, sondern das Gegenteil – den Nahrungsüberfluss.
PTA-Forum: Kann man denn gezielt am Bauch abnehmen?
Riedl: Nein, wenn ein Mensch abnimmt, dann kann er nicht entscheiden, an welchen Stellen er das bevorzugt möchte.
PTA-Forum: Welche Arten von Bauchfett gibt es?
Riedl: Es gibt zwei Arten von Bauchfett, die ein Eigenleben führen – das Unterhautfettgewebe oder auch subkutane und das viszerale Fett, das auch intraabdominelles Fett heißt. Isst ein Mensch immer wieder zu viel, dann lagert sich die überschüssige Energie erst einmal im Unterhautfettgewebe ab. Bei weiterer »Überfütterung« deponiert der Körper das daraus entstehende Fett im Bauchraum, um die Organe herum. Darüber hinaus kann er Fett auch in Muskelzellen, im Herzen, der Leber und in den Knochen speichern.
PTA-Forum: Wie beeinflusst das Eigenleben von Bauchfett den Organismus?
Riedl: Hier geht es in erster Linie um das viszerale Fett. Es verhält sich im Grunde wie ein stoffwechselaktives Organ, das heißt, es produziert Hormone und Botenstoffe, die dann wiederum den restlichen Körper beeinflussen. Ein bekanntes Beispiel ist das Hormon Leptin, das Menschen ein Sattsignal liefert. Das viszerale Fettgewebe stellt davon jedoch immer zu viel her. Dadurch stumpfen die Rezeptoren für Leptin ab und das Signal »Ich bin satt« schwächt sich ab. Das ist ein Grund dafür, dass Menschen mit hohem Körpergewicht berichten, dass sie gar nicht mehr spüren, wann sie satt sind. Andere Botenstoffe fördern schleichende Entzündungsprozesse im Körper. Diese Vorgänge begünstigen Arteriosklerose, Entzündungen des Darms, aber auch Hauterkrankungen und Asthma. Fettsäuren aus dem Bauchfett wiederum wirken ebenfalls negativ auf die Herzgesundheit.
PTA-Forum: Warum will der Körper Fett so ungern wieder hergeben?
Riedl: Wie oben schon erwähnt, dient Fett dem Körper als überlebenswichtiger Speicher für Notzeiten. Dieses Konzept aus Jahrtausenden Menschheitsgeschichte funktioniert auch heute noch, in einer Zeit, in der zumindest wir hier keinerlei Hungersnot durchmachen müssen. Dass ein Mensch freiwillig abnehmen möchte, war zu Zeiten des Urmenschen überhaupt nicht denkbar. Der Organismus hat wegen seiner Überlebensstrategie auch eine Reihe von Mechanismen eingebaut, die es enorm erschweren, einmal angelegte überschüssige Fettdepots wieder loszuwerden. So weiß man zwar einerseits, dass der Körper umso mehr Energie verbraucht je mehr sich ein Mensch bewegt.
Andererseits zeigen Studien aber, dass dieses Konzept Grenzen hat. So fanden Forschende heraus, dass Menschen, die sich sehr viel bewegen, verglichen mit denjenigen, die viel sitzen, langfristig einen ähnlichen Kalorienverbrauch aufweisen. Also wer einst als Jäger und Sammler unterwegs war, brauchte nicht erheblich viel mehr Kalorien als derjenige, der zu Hause den Nachwuchs hütete. Und Menschen, die heute regelmäßig trainieren, verbrauchen nicht Unmengen mehr Energie als Sitzende. Der Körper scheint seine Energie also zu budgetieren und den Stoffwechsel auf lange Sicht immer wieder an veränderte Verhältnisse anzupassen. Am Ende dient auch das wieder dem Überleben, erschwert aber natürlich die langfristig erfolgreiche Gewichtsreduktion.
PTA-Forum: Das klingt desillusionierend. Warum sollten sich Menschen mit Gewichtsproblemen dann überhaupt mehr bewegen?
Riedl: Gewicht und damit Fett abzunehmen, ist ein Prozess der kleinen Schritte. Einer dieser Schritte ist unausweichlich mehr Bewegung. Selbst wenn sich der Körper auf Dauer daran anpasst und vielleicht nur noch 100 kcal pro Tag mehr verbraucht als der Mensch, der sich nicht bewegt, dann sind das in zweieinhalb Monaten schon 7500 Kalorien an mehr verbrauchten Kalorien und das kostet den Körper ein ganzes Kilo Fett, ob er will oder nicht.
PTA-Forum: Allerdings nimmt man von mehr Bewegung alleine nicht ab?
Riedl: Nein, wie gesagt, Bewegung ist ein wesentlicher Baustein, und zwar am besten eine Kombination aus Ausdauer und Kraftsport. Mit beidem kann ein Mensch übrigens in jedem Lebensalter beginnen. Aber nur, wer auch seine Ernährung verändert, wird wirklich erfolgreich auch an Bauchfett verlieren.
PTA-Forum: Dabei passt sich der Körper doch auch an die geringere Energiezufuhr an?
Riedl: Das ist richtig. Essen Menschen über einen längeren Zeitraum sehr wenig, dann schaltet der Körper ebenfalls auf Sparflamme im Energieverbrauch. Deshalb ist einfach nur die Häfte der bisherigen Menge essen auch nicht das richtige Vorgehen.
PTA-Forum: Wie sieht das dann aus?
Riedl: Es geht auf Dauer darum, sich weiterhin satt zu essen, aber mit den richtigen Lebensmitteln. Das bedeutet, den Schwerpunkt weg von Fertiggerichten und Süßem aller Art hin zu selbst gekochtem, zu viel Gemüse, reichlich Hülsenfrüchten und Ballaststoffen zu lenken. Gemüse hat den großen Vorteil, wenig Energie in reichlich Masse zu haben. Das heißt, man kann viel – lecker zubereitetes – Gemüse essen, wird davon satt, weil der Magen gut gefüllt ist, nimmt aber nur ähnlich viele Kalorien zu sich, als hätte man beispielsweise eine halbe Tafel Schokolade gegessen. Die macht nicht satt und verleitet immer dazu, noch mehr davon zu essen. Die richtige Menge an Ballaststoffen bekommt man mit dem Gemüse gratis dazu. Sie stecken aber auch in Hülsenfrüchten und in allem, was aus Vollkorn besteht. Ballaststoffe haben mehrere Vorteile: Sie sorgen dafür, dass Magen und Darm lange mit der Verdauung beschäftigt sind, das hält satt. Außerdem fördern sie das Wachstum der guten Bakterien im Mikrobiom des Darms und eine gute Verdauung.
Kohlenhydrate, also die guten alten Sättigungsbeilagen, braucht man nicht in großen Mengen. Ein Teil kommt bereits aus Gemüse und Hülsenfrüchten. Wenn man Kartoffeln, Reis oder Nudeln essen möchte, dann kocht man diese und lässt sie nachdem sie abgekühlt sind möglichst eine Nacht im Kühlschrank. In dieser Zeit bildet sich die sogenannte resistente Stärke, die den Blutzucker viel langsamer ansteigen lässt als wenn man diese Lebensmittel sofort nach der Zubereitung isst. Und das ist ein weiterer wichtiger Punkt: So essen, dass der Blutzucker immer möglichst gleichmäßig bleibt. Mit Gemüse, Hülsenfrüchten und resistenter Stärke, wie oben beschrieben, gelingt das sehr gut. Zudem treten seltener Heißhungergefühle aufgrund eines Mangels an wichtigen Vitaminen oder Spurenelementen auf, weil eine gesunde Ernährung genug davon liefert.
PTA-Forum: Was ist mit der Eiweißmenge, derzeit liest man allerorten, von Eiweiß könne es kaum genug sein, auch zum Abnehmen?
Riedl: Zunächst einmal: Egal, von welchem Nährstoff ein Mensch in Massen statt in Maßen isst, er wird davon zunehmen. Das gilt auch für Eiweiß. Wenn ein Mensch abnehmen möchte, dann sollte er den Eiweißbedarf auf Grundlage seines Wunschgewichts berechnen. Pro Kilogramm Körpergewicht braucht ein Erwachsener rund ein Gramm Eiweiß. Wer also 75 Kilogramm wiegt, aber 65 Kilogramm wiegen möchte, der sollte täglich nicht mehr als 65 Gramm Eiweiß essen. Das lässt sich einfach über die Ernährung decken, wenn man häufiger Hülsenfrüchte isst, Fisch, mageres Fleisch und – fettarme – Milchprodukte. Einen Mehrbedarf an Eiweiß haben häufig ältere Menschen, die schlecht essen und sich schwach fühlen. Hier kann man auch zusätzlich Eiweiß geben, sollte das aber vorab mit dem Hausarzt absprechen.
PTA-Forum: Nun bleibt noch das Nahrungsfett, ein jahrzehntelang als Dickmacher gescholtener Nährstoff. Ist die Wissenschaft hier zu neuen Erkenntnissen gekommen?
Riedl: Fett verlangsamt den Verdauungsprozess. Das hält länger satt und Kohlenhydrate aus der Nahrung gelangen nicht ganz so schnell in die Blutbahn. Der Blutzuckerspiegel steigt also wie gewünscht langsamer an. Fett sorgt außerdem dafür, dass die fettlöslichen Vitamine A, D, E und K aus der Nahrung überhaupt in den Körper aufgenommen werden können. Öle mit mehrfach ungesättigten Fettsäuren, wie Raps- oder Olivenöl, wirken sich so positiv auf das Herz-Kreislauf-System aus, dass die Europäische Gesellschaft für Kardiologie die mediterrane Ernährung, die ja Olivenöl enthält, zur Prävention gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen empfiehlt. Aus den genannten Gründen gehören gesunde Fette aus Ölen, aber auch aus Nüssen, auf den Speiseplan, wenn man abnehmen möchte.
PTA-Forum: In der Theorie klingt das alles logisch und einfach. Aber wie schaffen es übergewichtige Menschen, die ihr Leben lang zu viel vom Falschen gegessen haben, überhaupt mit einer veränderten Ernährung und mehr Bewegung zu beginnen?
Riedl: Über die beste Methode zum Abnehmen im Einzelfall entscheiden das Ausmaß des Übergewichts, Begleiterkrankungen und Lebensumstände. Wer nur ein paar Kilo weniger wiegen oder sein Gewicht halten möchte, fährt gut mit den genannten Maßnahmen. Diesen Menschen kann es helfen, erst einmal über zehn Tage alles aufzuschreiben, was sie so essen, um sich einen Überblick zu verschaffen, was schiefläuft. Es hilft auch immer, sich Unterstützung zu suchen. Das kann die eigene Familie sein, die beste Freundin oder die PTA des Vertrauens. Dann sollte der Zeitpunkt stimmen, also am besten nicht in stressigen Phasen starten, sondern wenn das Leben gerade recht entspannt verläuft.
Bei starkem Übergwicht hat sich die Adipositas oft derart verselbstständigt, dass es fast nicht möglich ist, auf normalem Wege abzunehmen. Hier eignen sich Programme, in denen die Betroffenen zum Beispiel mit einer Formuladiät beginnen, mit der sie schnelle Erfolge erleben. Oder aber eine bariatrische Operation setzt den Startschuss oder eine der verfügbaren »Abnehmspitzen«. Doch ganz egal, auf welchem Weg, das langfristige Ziel beinhaltet immer eine veränderte Ernährung und mehr Bewegung.
PTA-Forum: Vielen Dank für das Gespräch.