Depressionen auch im Alter gut behandelbar |
Generell seien Menschen in Transitionsphasen anfällig für eine Depression. »Das sind Übergangsphasen, die auf mehreren Ebenen Veränderungsprozesse erfordern, etwa die Pubertät, die Hochzeit oder das erste Kind. Auch der Eintritt ins Rentenalter zähle dazu. Die Psychiatrie spreche von einer Schwellensituation. Diese Phasen fordern den ganzen Menschen, seine Psyche genauso wie seine Biologie. Es wichtig, in einen solchen neuen Lebensabschnitt nicht einfach hereinzuschlittern, sondern sich darauf vorzubereiten.«
Holthoff-Detto sieht die heutige Generation älterer Menschen gut gerüstet. »Viele von ihnen sind modern, haben ein Handy und kommunizieren mit ihren Enkeln auf Facebook oder anderswo.« Deshalb sei es wichtig, Veränderungen in ihrem Verhalten nicht als normalen Alterungsprozess wahrzunehmen, sondern eine mögliche Depression in Betracht zu ziehen. »Selbst Menschen im hohen Alter können sich wieder komplett von einer solchen Erkrankung erholen und Energie entfalten, wenn sie professionell behandelt werden.«
Die Professorin erinnert sich an den Fall einer Frau von knapp 90 Jahren, die ihrem Leben ein Ende setzen wollte, weil sie sich nutzlos fühlte und ihrer Familie nicht zur Last fallen wollte. Dabei wäre sie noch acht Wochen zuvor ganz anders gewesen, habe Zeitung gelesen, sei ins Konzert gegangen und habe eine Weltreise für ihren Enkel mitorganisiert. »Sie wurde gerettet, weil der Enkel sie besuchen kam und einen Wohnungsschlüssel hatte. Wir haben sie mit Antidepressiva behandelt. Sie hat sich nachher sehr auf zuhause gefreut.«
Der Schweregrad einer Depression richtet sich laut Holthoff-Detto nach der Anzahl der Symptome. Die Erkrankung werde in leicht, mittelschwer und schwer eingeteilt. Eine Depression einfach »auszusitzen« sei selbst in einem leichten Fall nicht ratsam. »Sie mag von allein wieder weggehen, aber zu einem hohen Preis. Denn selbst junge Menschen verbrauchen dabei viele Ressourcen.« Ab einem bestimmten Stadium sei eine medikamentöse Behandlung unverzichtbar – in Kombination mit psychotherapeutischer und psychosozialer Begleitung.
Die Wissenschaftlerin findet es hilfreich, dass der frühere Trigema-Chef Wolfgang Grupp seine Altersdepression öffentlich machte und so zur Sensibilisierung für dieses Thema beitrug. Grupp sei ein Beispiel dafür, dass Depression jeden treffen kann – auch erfolgreiche Menschen ohne finanzielle Sorgen und mit familiärem Rückhalt.