Depressiv Erkrankte leiden stärker unter Corona-Maßnahmen |
dpa |
10.11.2020 14:00 Uhr |
In Deutschland sind laut der Stiftung Deutsche Depressionshilfe mehr als fünf Millionen Menschen depressiv erkrankt. Fast 75 Prozent von Ihnen empfanden den Lockdown im Frühjahr bedrückend. Auch ausgefallene Arzttermine oder Klinikaufenthalte können für die Erkrankten schwerwiegende Folgen haben. / Foto: Getty Images/Maskot
In Deutschland sind Menschen mit Depressionen nach einer neuen Studie stärker von Folgen der Corona-Maßnahmen betroffen als die Allgemeinbevölkerung. So haben sie zum Beispiel den Lockdown im Frühjahr als deutlich belastender erlebt, heißt es im neuen «Deutschland-Barometer Depression», das die Stiftung Deutsche Depressionshilfe am Dienstag in Leipzig veröffentlichte.
Das sei auch für den aktuellen Teil-Lockdown zu erwarten, sagte Psychiater Ulrich Hegerl als Vorsitzender der Stiftung. Nach Angaben der Stiftung sind in Deutschland mehr als fünf Millionen Menschen depressiv erkrankt. Im Frühjahr habe fast jeder zweite dieser Patienten Einschränkungen bei der Behandlung erlebt, zum Beispiel durch ausgefallene Arzttermine oder Klinik-Aufenthalte. Auch jetzt stellten Kliniken Ressourcen für die Behandlung von Corona-Infektionen um. Das gehe erneut auch auf Kosten der Versorgung von Menschen mit psychischen Leiden, sagte Hegerl.
«Depression ist eine schwere, oft lebensbedrohliche und dringend behandlungsbedürftige Erkrankung,» ergänzte Hegerl. Die Stiftung hat für ihr viertes Depressions-Barometer im Juni und Juli rund 5000 Menschen zwischen 18 und 69 Jahren repräsentativ online befragen lassen. Daneben wertete sie in einer Stichprobe Antworten von Menschen in einer depressiven Phase aus und verglich die Werte.
Danach empfanden rund drei Viertel der Menschen mit Depressionen (74 Prozent) den Lockdown im Frühjahr als bedrückend. In der Allgemeinbevölkerung waren es 59 Prozent, heißt es in der Analyse. Menschen in einer depressiven Phase hätten zum Beispiel fast doppelt so häufig unter einer fehlenden Tagesstruktur (75 Prozent) und Grübelei (89 Prozent) gelitten als die Allgemeinbevölkerung (39 und 41 Prozent).
In der häuslichen Isolation seien depressiv Erkrankte zudem deutlich häufiger tagsüber im Bett geblieben (48 Prozent versus 21 Prozent). Das ist ungünstig für die Erkrankung, denn zu viel Schlaf kann eine Depression verschlimmern. Deutlich mehr als ein Drittel (43 Prozent) von ihnen gab an, dass es zu Konflikten und Streit kam. In der Allgemeinbevölkerung sagte das weniger als ein Fünftel (18 Prozent) der Befragten.
«Für Menschen mit einer Depression wird der Rückzug in die eigenen vier Wände durch diesen zweiten Teil-Lockdown wieder viele negative Auswirkungen haben», prognostizierte Hegerl. Depressiv Erkrankte hätten so mehr Zeit zum Grübeln und könnten noch tiefer in die Depression geraten. «Das sind Aspekte, die mir große Sorgen bereiten», ergänzte der Psychiater. Nur für einen kleineren Teil der Patienten seien Telefon- und Videosprechstunden sowie Online-Programme eine mögliche Alternative - auch wenn die Angebote nun häufiger angenommen würden als früher.
Sind Sie verzweifelt, hoffnungslos, das Leben erscheint sinnlos und Sie sehen keinen Weg aus der Not? Denken Sie möglicherweise manchmal daran, sich das Leben zu nehmen?
Es gibt Ansprechpartner, die dafür da sind, Menschen in Ihrer Situation zu helfen. Dazu zählen unter anderem Hausärzte, Psychotherapeuten und Psychiater oder auch Notfallambulanzen in Kliniken.
Auch die Telefonseelsorge ist Tag und Nacht für Sie erreichbar. Sie berät Sie anonym und kostenfrei unter den bundesweit gültigen Nummern 0800/111 0 111 und 0800/111 0 222 sowie per E-Mail und im Chat auf der Webseite der Telefonseelsorge. Kinder und Jugendliche finden außerdem auch Hilfe unter der Nummer 0800/111 0 333.
Es ist auch möglich, zu einem persönlichen Gespräch bei der Telefonseelsorge vorbeizukommen. Die 25 Standorte in Deutschland für eine Beratung vor Ort finden Sie hier.
Coronaviren lösten bereits 2002 eine Pandemie aus: SARS. Ende 2019 ist in der ostchinesischen Millionenstadt Wuhan eine weitere Variante aufgetreten: SARS-CoV-2, der Auslöser der neuen Lungenerkrankung Covid-19. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronaviren.