Der pH-Wert in der Rezeptur |
Juliane Brüggen |
17.09.2021 11:00 Uhr |
Eine Möglichkeit zur pH-Wert-Bestimmung ist Indikatorpapier. / Foto: Adobe Stock/megaflopp
Der pH-Bereich gehört zur Plausibilitätsprüfung einer Rezeptur, wenn Arznei- oder Konservierungsstoffe in wasserhaltigen Grundlagen verarbeitet werden. PTA sind laut Peuke bei Rezepturen klar im Vorteil: »Manchmal denke ich, dass Apotheker, die keine PTA-Ausbildung haben, sich richtig einbringen müssen, um mitzuhalten. Weil das Know-how – die Erfahrung – liegt bei den PTA. Die Evidenz liegt bei den Apothekern.« Nur als Teamleistung könne die Rezepturherstellung wirklich funktionieren.
Während früher vor allem das pH-Optimum im Fokus stand, sei mittlerweile der rezeptierbare pH-Bereich relevant, berichtete Peuke. pH-Optimum heiße nicht, dass ein Wirkstoff diesen pH-Wert hat, sondern, dass er Bedingungen anstrebt, unter denen dieser Wert vorliegt. Der pH-Bereich, den der Wirkstoff toleriert, sei weiter gefasst: der rezeptierbare pH-Bereich. Letzterer ermögliche es, Schnittmengen zwischen verschiedenen Wirkstoffen und Rezepturbestandteilen zu finden. Wenn man für jeden Wirkstoff das pH-Optimum anstreben würde, gäbe es kaum noch Wirkstoffkombinationen. Mit Blick auf die kurzen Aufbrauchfristen von Rezepturen von wenigen Wochen bis Monaten sei es völlig ausreichend, den rezeptierbaren pH-Bereich heranzuziehen. »Das bedeutet, dass wir nicht das perfekte Rezepturarzneimittel herstellen, aber eines, das funktioniert«, stellte Peuke fest.
Um die Problematik deutlich zu machen, zeigte Peuke eine Beispielrezeptur: Betrachtet man die pH-Optima, kann die Rezeptur nicht kompatibel sein:
Ergebnis: »Das passt nicht zusammen. Wir können diese Kombination nicht herstellen.« Schaue die herstellende Person hingegen auf die rezeptierbaren pH-Bereiche, sehe es anders aus:
Hier lassen sich Überschneidungen finden. Zur Optimierung der Rezeptur könne man dem Arzt Prednisolonacetat vorschlagen, so Peuke. Ob es auch mit Prednisolon gehe, müsse man ausprobieren.
Wirkstoff | Rezeptierbarer pH-Bereich | pH-Stabilitätsoptimum |
---|---|---|
Betamethason-17-valerat | pH 2 bis 5 | pH 3,5 |
Clotrimazol | zwischen pH 3,5 und 10 | zwischen pH 7 und 8 |
Erythromycin | Suspension: pH 7 bis 10, Lösung: pH 8 bis 9 | zwischen pH 8 und 8,5 |
Harnstoff | zwischen pH 1 und 12 | pH 6,2 |
Metronidazol | zwischen pH 3 und 8 | pH 5 (pH 4,6 bis 5,7) |
Triamcinolonacetonid | zwischen pH 2 und 9 | pH 4 (NRF) |
Eine allgemeingültige Antwort auf die Frage »Welcher Puffer und wieviel davon?« gebe es leider nicht, so die Apothekerin. Puffer seien in Rezepturen eher als pH-Korrigenzien zu verstehen. Den geeigneten Puffer zu finden, sei eine »Fleißarbeit«. Noch viel spannender ist laut Peuke aber die Frage nach der richtigen Menge des Puffers. Festgelegt ist dies nämlich nicht. »Das ist so ein bisschen wie die Angabe in Kochrezepten, wenn da steht: ›Nach Bedarf‹ bei Salz, Pfeffer und Gewürzen.«
Fragen, die man sich stellen sollte, sind: Was ist der aktuelle pH? Was ist der Ziel-pH? Muss neben den Wirkstoffen ein Konservierungsmittel berücksichtigt werden? Standardrezepturen bieten hier den Vorteil, dass der Puffer mit angegeben ist.
Dass ein Puffer nicht immer ein Muss ist, zeigt eine Rezeptur, die 2013 vom Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker (ZL) untersucht wurde: Betamethasonvalerat in Kühlcreme. Ohne Puffer zeigte sich nach vier Wochen noch 95 Prozent Wirkstoffaktivität, ein gutes Ergebnis. Die gepufferte Zubereitung konnte hingegen nur mit einer 93,5-prozentigen Wirkstoffaktivität aufwarten. Das ZL kam zu dem Schluss, für diesen Einzelfall keinen Puffer zu empfehlen, weil die Rezeptur dadurch nicht besser werde. Dieses Ergebnis ist bisher aber nicht in die Standardrezeptur eingegangen.
Geht es um den pH-Wert einer wasserhaltigen Grundlage, sei entscheidend, ob sie ein Konservierungsmittel enthalte oder nicht – und wenn ja, welches. Basiscreme hat beispielsweise einen pH-Wert von 5 bis 6. Dies sei der pH-Wert, der bei einer pH-Messung der unveränderten Creme herauskomme, erklärte Peuke: »Damit geht sie ins Rennen.« Je nach eingearbeiteten Stoffen wie Wirk- oder Konservierungsstoffen verändere sich der pH-Wert. Der breite rezeptierbare pH-Bereich von 2 bis 12 ergebe sich, weil die Basiscreme kein pH-abhängiges Konservierungsmittel enthalte, sondern Propylenglykol.
Andere Konservierungsmittel schränkten die Möglichkeiten mit Blick auf den pH-Wert stark ein: »Theoretisch habe ich alle Möglichkeiten – praktisch habe ich eine vorkonservierte Grundlage, die dann, wenn zum Beispiel mit Kaliumsorbat vorkonserviert ist, die Anwendung pH-technisch einschränkt.« Nicht nur die Wirkstoffe streben einen pH-Zielbereich an, auch die Konservierungsmittel. Als Beispiel nannte Peuke die Anionische Hydrophile Creme DAB (Ungt. emulsificans aquosum), bei der sich der rezeptierbare pH-Bereich ausgehend von 2 bis 12 (unkonserviert) mit einer Sorbinsäure-Konservierung auf 3,5 bis 5,5 reduziert. Mittlerweile gibt es die Anionische Hydrophile Creme auch mit Propylenglykol-Konservierung, für Peuke eine »moderne Weiterentwicklung«.
Grundlage | pH-Wert | Rezeptierbarer pH-Bereich |
---|---|---|
Anionische Hydrophile Creme DAB (Ungt. emulsificans aquosum) | Unkonserviert: pH 4 bis 5,5, laut NRF etwa pH 6, mit Sorbinsäure-Konservierung: pH 3,5 bis 4,5 | Unkonserviert: pH 2 bis 12, mit Sorbinsäure-Konservierung: pH 3,5 bis 5,5 |
Anionische Hydrophile Creme mit Propylenglykol (Ungt. emulsif. aq. cum Propylenglykol) | pH 4 bis 5,5, laut NRF pH 5 bis 8 | pH 2 bis 12 |
Anionische Hydrophile Creme SR DAC | pH 4 bis 5 | pH 3,5 bis 5,5 (für wirksame Sorbinsäure-Konservierung) |
Nichtionische Hydrophile Creme DAB | pH 4 bis 5 | pH 3,5 bis 5,5 (für wirksame Sorbinsäure-Konservierung) |
Basiscreme DAC | pH 5 bis 6,5, laut NRF pH 5 bis 6 | pH 2 bis 12 |
Kühlcreme DAB (Unguentum leniens) | pH 5 bis 6 | pH 2 bis 12 |
Wollwachsalkoholcreme DAB (Ungt. alcoholum lanae) | Etwa pH 6 | pH 1 bis 13 |
Hydrophobe Basiscreme DAC (NRF S.41.) | pH 3,5 bis 5 | Unkonserviert: pH 2 bis 12, Mit Sorbinsäure-Konservierung: 2 bis 5,5 |
Zu der Frage, ob die Grundlage ohne Arztrücksprache ausgetauscht werden kann, sagte Peuke: „Im Sinne einer guten Kommunikation mit dem Arzt, würde ich es ihm auf jeden Fall im Vorfeld mitteilen.“ Eine Absprache mit dem Arzt empfiehlt auch das NRF.
Ist der Arzt allerdings nicht erreichbar, sei es eine Entscheidung des Apothekers, wobei verschiedene Faktoren, wie der Leidensdruck des Patienten, eine Rolle spielten, so Peuke. Eine juristische Aufarbeitung habe ergeben, dass die Grundlage im Zuständigkeitsbereich der Apotheker liege, während Wirkstoff und Dosierung unter die Therapiehoheit des Arztes fielen. Bei Hilfsstoffen wie Puffer oder Konservierung werde im NRF-Tabellenwerk eindeutig darauf hingewiesen, dass diese in der Hand des Apothekers liegen, so Peuke.
Bei Konservierungsmitteln müsse beachtet werden, dass sie nur innerhalb der angegebenen pH-Bereiche ihre konservierende Wirkung entfalten. Das Standardmittel ist Sorbinsäure/Kaliumsorbat. Es gebe zwar noch weitere Substanzen, aber diese seien weniger praxisrelevant. PHB-Ester hätten beispielsweise die Problematik, dass sie sehr lipophil seien und in die Fettphase abwanderten. Bei der Konservierung müsse zudem die Temperatur bedacht werden, es könne zum Beispiel Auskristallisierungen bei Kälte geben. pH-unabhängige Konservierungsmittel sind Propylenglykol, Ethanol und Isopropanol.
Um den pH-Wert einer Rezeptur zu bestimmen, können verschiedene Methoden verwendet werden: Indikatorpapier, Indikatorstäbchen und Messgerät (zum Beispiel Wepa Testo 206 pH 2). Ob der gemessene pH-Wert aber aussagekräftig ist, richte sich danach, ob die äußere Phase Wasser ist, erklärte Peuke. »Wenn die äußere zusammenhängende Phase die Wasserphase ist, werde ich relativ schnell ein Ergebnis haben. Dann habe ich den Farbumschlag.«
Es sei ungleich schwieriger, den pH-Wert zu bestimmen, wenn die äußere Phase eine Fettphase sei. Müsse man zu drastischen Maßnahmen wie einer Verlängerung mit Wasser oder ähnlichem greifen, sei der pH-Wert wahrscheinlich nicht relevant. »Wenn mein pH-Problem sozusagen tröpfchenförmig in der Grundlage versteckt ist, dann habe ich kaum Kontaktpunkte mit dem Wirkstoff oder Bestandteil daran oder darin.« Die pH-Probleme würden sich sicherlich irgendwann zeigen, aber mit einer zeitlichen Verzögerung. In der Rezeptur gehe es immer um die praktische Lösung, Evidenz sei häufig nicht vorhanden.
Bei Individualrezepturen ließen sich immer Pro- und Contra-Argumente für oder gegen die Herstellung finden, sagte Peuke. Doch müsse man letztendlich die Argumente abwägen und zu einer Entscheidung kommen. Sie empfehle, neben der Recherche in Standardwerken und Literatur nach geprüften Einzelfällen Ausschau zu halten.
Als Beispiel nannte Peuke die Kombination aus Clotrimazol, Salicylsäure und Basiscreme. Betrachte man den pH-Wert der Rezeptur (2,5), würde man zu dem Ergebnis kommen, dass sie nicht herstellbar ist, da Clotrimazol bei pH-Werten unterhalb 3,5 instabil wird. Eine ZL-Untersuchung (2015) zeigte allerdings, dass die Rezeptur eine Woche stabil bleibt, was dann der Aufbrauchfrist entspreche. »Ein geprüfter Einzelfall hat eine höhere Priorität als die theoretische Abschätzung«, betonte die Apothekerin. Dies sei als ihre persönliche Einschätzung zu verstehen.
Insgesamt gehe der Weg immer mehr in Richtung Standardrezeptur, was Peuke begrüße. Dennoch müssten Individualrezepturen erhalten bleiben, die zum Beispiel für austherapierte Menschen wichtig seien. Peuke wünsche sich eine Situation, in der Standards überwiegen, aber die Apotheke immer noch Plausibilitätsprüfung kann. »So können wir unsere Kompetenz unter Beweis stellen. Das ist das Salz in der Suppe.«